Noch bis zum 21. Juni 2020 läuft die Ausstellung The Playground Project im Deutschen Architekturmuseum DAM. Sie bildet die Zeit zwischen 1950 und 1980 ab, während der der Spielplatz ein kreatives Labor für innovative Köpfe war: Landschaftsarchitekten, Künstler, Aktivisten, Bürger. The Playground Project macht diese Zeit erlebbar: Mit Bildern, Modellen, Plänen, Filmen und Spielskulpturen. Wir sprachen mit Jonas Malzahn, Teil des Kuratorenteams des DAM über die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern, Sicherheit auf dem Spielplatz und die Rolle von Spielplätzen in der urbanen Entwicklung.
Drei Fragen an … Jonas Malzahn
Fotos: Moritz Bernoully
Die Geschichte des Spielplatzes ist die Geschichte einer erstaunlichen Dynamik und dann eines dramatischen, wenn auch lautlosen Niedergangs in den 1980erJahren. Gabriela Burkhalter hat sich den Werdegang den Spielplatzes genauer angesehen – und eine Ausstellung daraus kuratiert. Erst in der Kunsthalle Zürich zu sehen, macht eine aktualisierte Version des Playground Project – mittlerweile eine Wanderausstellung – jetzt im DAM halt.
Die Ausstellung zeigt, welche Rolle Spielpätze in unseren Städten einnehmen – und welche sie einnehmen könnten. Schliesslich sind sie ein Experimentierfeld im öffentlichen Raum und bieten Reibungsflächen für Groß und Klein. The Playground Project blick in die Vergangenheit von 100 Jahre Spielplatz, fragt aber auch, wo wir heute stehen. Und zeigt, was jenseits vom Standard alles möglich ist. Denn der Standardspielplatz ist heute im Idealfall mehr als nur Rutschen und Schaukeln. Kreative Ansätze bringen maßgeschneiderte Lösungen und partizipative Elemente ein.
Jonas Malzahn ist Teil des Kuratorenteams des Deutschen Architekturmuseums. Wir befragten ihn zum Playground Project.
Herr Malzahn, sind es vor allem Künstlerinnen und Künstler, die den Mut aufbringen, neue, kreative Spielplätze zu gestalten?
Es sind Personen unterschiedlichster Hintergründe und Professionen, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen dem Spielplatz und dem Spielen widmen. Ein interessantes Beispiel ist Joseph Brown: ein Profi-Boxer, der ursprünglich als Trainer an die Princeton University berufen wurde. Dort erlernte er die Bildhauerei – und lehrte sie später auch. Ende der 1930er Jahre entwickelte er dann – angestoßen durch Spielgeräteentwürfe seiner Studenten, die ihm nicht zusagten – eigene Geräte. Er gestaltete Spielskulpturen aus Metall und Seilen zum Balancieren und Klettern, inspiriert von seinen eigenen Kindheitserlebnissen und, vermutlich, vom Boxen und dem Ring.
“Nicht einsehbare Orte werden als Gefahrenorte stigmatisiert”
Wie müssen Spielplätze aussehen, um die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern zu fördern?
Jedes Kind hat eine Persönlichkeit, eigene Interessen und Vorlieben und ein individuelles Spielverhalten. Ein Spielplatz muss das reflektieren. Das ist durch eine große Varianz an Spielgeräten möglich – aber auch durch das Gegenteil: dass der Ort und seine Angebote möglichst offen und universell sind. Nicht umsonst ist der gute alte Sandkasten immer noch ein Hit auf jedem Spielplatz. Kinder können ihr Spiel darin selbst gestalten, von Burgenbau bis Schlammschlacht. Er ist altersübergreifend und für alle zugänglich.
Es sollte den Kindern aber auch möglich sein, sich zurückzuziehen, ihr eigenes Ding zu machen. Vorsichtige Eltern und sicherheitsbedachte Auftraggeber unterbinden zunehmend, dass es auf Spielplätzen Bereiche gibt, wo man sich verstecken und unbeobachtet sein kann. Nicht einsehbare Orte werden als Gefahrenorte stigmatisiert und ihre positiven Eigenschaften, die wohl jeder aus der eigenen Kindheit kennt, gehen vergessen. Dazu habe ich eine Empfehlung aus der Ausstellung: Der Lozziwurm, eine modulare Spielskulptur entwickelt in der Schweiz vom Künstler Yvan Pestalozzi. Man kann durchkriechen und ihn erklimmen; darin verschwinden, an anderer Stelle wieder auftauchen oder so lange im Verborgenen bleiben, bis die Eltern zum Aufbruch rufen.
“Ideal wäre die bespielbare Stadt mit etwas Platz für anarchische Momente”
Wenn man den Werdegang der Spielplatzkultur vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute betrachtet: Welche Richtung werden die Spielplätze der Zukunft einschlagen?
Es ist zu hoffen, dass Spielplätzen eine wichtigere Rolle bei der Planung urbaner Entwicklungen zugestanden wird und ihren Planer und Gestalterinnen ermöglicht wird, freier, ortsspezifischer und experimenteller vorzugehen. Moderne Fertigungstechniken und Verfahren sollten doch eigentlich die Möglichkeiten erweitern und nicht zu Monotonie auf dem Spielplatz führen.
Im Rahmenprogramm der Ausstellung findet im DAM eine Reihe von drei Symposien statt, die sich den unterschiedlichen Feldern widmen, die Einfluss auf die Entwicklung des Spielplatzes haben. Zu Wort kommen Architektinnen, Landschaftsarchitekten, Pädagoginnen, Kulturwissenschaftler, Aktivistinnen und Sozialarbeiter. Wir hoffen, von ihnen mehr über die zukünftige Gestaltung von Spielplätzen zu erfahren. Immerhin ist das „Recht auf Spiel“ in Art. 31 der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben und sollte möglichst in der Stadtentwicklung und Raumplanung verankert werden – ideal wäre die bespielbare Stadt mit etwas Platz für anarchische Momente.
Veranstaltungen zur Ausstellung
27. März, 11-18 Uhr
Symposium
Spielplätze: Rückzugraum. Gegenraum. Möglichkeitsraum.
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26. April, 11-15 Uhr
Radtour zu Spielplätzen in Frankfurter Stadtquartieren und Parks
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15. Mai, 13-19 Uhr
Symposium
Spiel und Plätze: Zwischenraum. Erlebnisraum. Experimentierraum.
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17. Mai, 11-13.30 Uhr
Urban Gaming Tour durch die Stadt
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6. Und 7. Juni 11-17 Uhr
Workshop
Camera Obscura: Spielplätze fotografieren mit einer alten Fototechnik
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14. Juni, 11-15 Uhr
Radtour zu Frankfurter Wasserspielplätzen
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Die Publikation zur Ausstellung
Begleitend zur Ausstellung ist eine Anthologie erschienen.
The Playground Project. An Anthology on Play.
Gabriela Burkhalter (Hrsg.)
jrp|edition, Zürich
Juni 2018
ISBN: 978-3-03764-539-0
Softcover, 203 x 262 mm, 288 pages