02.03.2020

Projekt

Luisenstädtischer Friedhof

Ein Friedhof  ist nicht nur ein Bestattungsort. Viele sind zugleich Räume für kontemplative Spaziergänge im Kontext kultureller Zeugnisse und einer spezifischen Naturszenerie mit hohem ökologischen Wert. Da viele Friedhöfe heute unter großem ökonomischen Druck stehen, stellt sich die Frage, ob das Potential dieser „sekundären“ Nutzungen und Qualitäten helfen kann, eine neue Attraktivität als Bestattungsort zu formulieren.

Das Konzept entwickelt den Luisenstädtischen Friedhof als besonderen Ort. (Foto: Stefan Müller)
Ergänzend zum historischen Wegesystem vermitteln Rasenwege neue Wahrnehmungen des Freiraums. (Foto: Stefan Müller)
Die historische Alleestruktur wurde durch Nachpflanzungen ergänzt. (Foto: Stefan Müller)
Die zusätzlichen Nutzungsangebote vermitteln individuelle Raumwahrnehmungen. (Foto: Stefan Müller)
Das Konzept schafft die Grundlage für sensible aber vielfältigere Nutzungen des Luisenstädtischen Friedhofs. (Foto: Stefan Müller)
Der Bestand der historischen Friedhofsanlage wird in seiner Vieldeutigkeit erlebbar gemacht. (Foto: Stefan Müller)
Das Erschließungs- und Nutzungskonzept verknüpft die soziale, kulturelle und ökologische Bedeutung der Friedhofsanlage. (Grafik: relais Landschaftsarchitekten)
Das Konzept stärkt die Nutzung und Wahrnehmung des Friedhofs als Park. (Grafik: relais Landschaftsarchitekten)

Pflegemanagement unterstützt artenreiche Wiesenflächen

Auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin-Kreuzberg sind auf einer Gesamtfläche von 2,6 Hektar derzeit nur noch wenige Grabstellen in Pflege. Eine Nachfrage für neue Beisetzungen war in den vergangenen Jahren überhaupt nicht mehr zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu steht der Friedhof im Fokus verschiedenster gesellschaftlicher Interessen. Er ist als Gartendenkmal zu erhalten und besitzt durch seinen Strukturreichtum eine große ökologische Bedeutung. Viele Anwohner schätzen den Friedhof als Freiraum mit besonderer Atmosphäre, die von Natur, Kultur, Ruhe und Vergänglichkeit geprägt ist.

Ziel des Konzeptes von relais Landschaftsarchitekten ist es, die städtische Bedeutung des Luisenstädtischen Friedhofs in kultureller, ökologischer und sozialer Hinsicht durch eine gestalterische Inwertsetzung auszuformulieren. Dazu präzisierte relais den Bestand motivisch und legte ein Pflegemanagement fest. Grabstellen ohne Denkmalschutz und ohne Grabnutzungsrecht wurden abgeräumt. Ein wesentliches Ziel bestand darin, die Vegetationsstruktur als Element der räumlichen Ordnung zu stärken. Gehölzaufwuchs wurde zur Freistellung markanter Alleestrukturen und Baumgruppen entfernt und die geschlossene Struktur der Alleepflanzungen wiederhergestellt. Ergänzend zur regelmäßigen Struktur der Hauptwege entstand ein an der Topographie ausgerichtetes System von Rasenwegen und gemähten Lichtungen, das die frühere informelle Durchwegung der Friedhofsquartiere aufgreift. Dieses differenzierte Pflegemanagement trägt zur Erhaltung und Entwicklung der artenreichen Wiesenflächen bei.

Friedhof als Freiraum stärken

Diese Wiesen definieren zugleich Aufenthaltsräume im Freien. Differenzierte Angebote dafür bietet eine freie Bestuhlung, die zur Erholung, für Trauerfeiern im Freien und Veranstaltungen genutzt werden kann. Zur atmosphärischen Verdichtung stellte relais in einem der Wiesenräume eine Regenwasserschale auf. Sie inszeniert Witterungsprozesse, bietet mit ihrer spiegelnden Fläche optisch reizvolle Perspektiven und wirkt sich günstig auf das Kleinklima aus. Diese gestalterischen Maßnahmen werden als Rahmen für verschiedene Formen neuer Bestattungsangebote aufgefasst.

Auf diese Weise wird das Profil des Friedhofs als Freiraum gestärkt. Dies kann zur Fortführung der Friedhofsnutzung beitragen oder Initiale für künftige Konversionsprozesse bieten.

Bauherr: Evangelischer Friedhofsverband Berlin Stadtmitte
Landschaftsarchitekt: relais Landschaftsarchitekten
Planung: Leistungsphase 1-9 nach § 39 HOAI
Fertigstellung: 2019
Fläche: 26 000 Quadratmeter

Lesen Sie mehr zur Konzeption von Friedhöfen in der G+L 03/2020.

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