2013 war kein ausgesprochen sonnenverwöhntes Jahr. Innerhalb weniger Monate regnete es in Deutschland mehr als sonst zwischen Januar und Dezember. Ob das eine Folge des Klimawandels ist oder ein heftiges Wetterereignis, sei dahingestellt. Fakt ist, der Boden sog sich mit Wasser voll und konnte keine weiteren Niederschläge aufnehmen. Die Folge: Wieder ein Jahrhunderthochwasser. Nach nur elf Jahren wiederholt sich, was statistisch gesehen eigentlich erst nach mehreren Generationen geschehen sollte. Neben den durchgeweichten und kurz vor dem Bersten befindlichen Deichen versprechen Politiker im Bundestags-Wahlkampf sofortige Hilfen für die geschädigten Menschen. Die wirtschaftlichen Schäden werden in die Milliarden gehen. Auch werden Gelder für zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen angekündigt. Der Wille, den Menschen zu helfen und notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen in allen Ehren: Allein mit weiteren und höheren Deichen, mobilen Schutzmauern und Sandsäcken wird sich das Problem der künftigen Fluten nicht in den Griff kriegen lassen. Anstatt die Ursachen zu bekämpfen, die unausweichlich zum Hochwasser führen – nämlich zerstörte und bebaute natürliche Überschwemmungsgebiete wieder herzustellen – laborieren Gemeinden in ihrem begrenzten Wirkungskreis an Deichen und Schutzverbauungen. Dass das für die Gemeinden kein Schutz, sondern nur der Versuch ist, die Auswirkungen des Hochwassers abzumildern, sollte eigentlich einleuchten. In der Not tun sich die Menschen in den von Hochwasser betroffenen Gebieten zusammen.
Die Bundesingenieurkammer zweifelt in einer aktuellen Stellungnahme an, dass die kurz- und mittelfristige Wiederherstellung von natürlichen Retentionsräumen sowie die Renaturierung von Fließgewässern in einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik allein in der Lage wären, Flutkatastrophen zu verhindern. Zudem sei die „weitverbreitete Technikfeindlichkeit“ einer der Gründe für die schleppende und mangelhafte Umsetzung wichtiger technischer Hochwasserschutzprojekte. Ende vergangenen Jahres bereits veröffentlichte das Leipziger Helmholtz Zentrum für Umweltforschung die Studie „Ökosystemfunktionen von Flussauen. Analyse und Bewertung von Hochwasserretention, Nährstoffrückhalt, Kohlenstoffvorrat, Treibhausgasemissionen und Habitatfunktion“, die es mit dem Institut biota im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz erstellt hat. Darin ist zu lesen, dass von den ursprünglichen Überschwemmungsflächen an Deutschlands Flüssen durch den Bau von Deichen nur noch rund ein Drittel übrig geblieben sei (eine Zusammenfassung der Studie gibt es hier).
Bei Hochwasser schützten Auen als natürliche Rückhalteflächen Vermögenswerte entlang von Flüssen von über 300 Milliarden Euro. „Menschliche Eingriffe, die zur Verbesserung des lokalen Hochwasserschutzes gedacht waren, führten zur Vergrößerung des Hochwasserrisikos flussabwärts und zum Verlust wertvoller Ökosystemdienstleistungen. Umso größer ist die Bedeutung der verblieben Auenreste für die Artenvielfalt und die Volkswirtschaft“ sagt Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. Die Ursachen und Lösungsansätze, um Hochwasserereignissen entgegenzuwirken, sind schon seit der vergangenen „Jahrhundertflut“ bekannt. Garten + Landschaft griff das Thema „Wasser – Landschaft“ bereits im August 2002 auf. Nur die Umsetzung will nicht recht gelingen. Lokal ausgehandelte und gebaute Schutzmaßnahmen können langfristig nicht die Lösung sein. Die Politiker sind gefordert, anstatt von Dammbruch zu Dammbruch zu reisen, überregionale und länderübergreifende Konzepte anzugehen. Dass ein gebrochener Damm am Oberlauf zum Glücksfall für die Anwohner des Unterlaufs wird, ist ein unhaltbarer Zustand.
Besser als der gemeinsame Hochwasserschutz klappt die informelle Organisation der Menschen bei Medien wie Facebook, Twitter und Co., um sich zu gegenseitiger Hilfe oder zur Beseitigung der Schäden zu verabreden. Diese Medien funktionieren nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie das Wasser: Der Informationsaustausch kann bei Bedarf blitzartig hochschnellen, und ebbt danach genauso schnell wieder ab. Behörden und Organisationen können diese Art der Information nicht leisten, genauso wie Deiche und Schutzwände nicht die Wirkung von Auen entfalten können.