Der Sustainability Report dient aber eben auch dazu, die Treibhausgasemissionen von Amazon zu messen und darüber zu berichten. Und dieses Bild sieht etwas anders aus als dasjenige, das Amazons Erfolge und Ziele zeichnet. So hat das Unternehmen seine Kohlendioxidemissionen im Jahr 2020 nicht gesenkt. Im Gegenteil – sie sind um 19 Prozent gestiegen.
Amazon erklärt dies mit dem gesteigerten Umsatz während der Pandemie. Im Sustainability Report verweist die Firma darauf, dass sie als wachsendes Unternehmen nicht auf absolute Emissionen achtet, sondern auf die Kohlenstoffintensität. Das heißt, auf die Menge an Kohlenstoffemissionen pro Einheit einer weiteren Variablen. Im Falle von Amazon bedeutet diese Variable: pro US-Dollar Brutto-Warenumsatz. Amazon argumentiert also wie folgt: Sie haben ihren Umsatz im letzten Jahr so stark gesteigert, dass die CO2-Emissionen zwar gestiegen, aber im Verhältnis zum Umsatz eigentlich gesunken sind. Nämlich um 16 Prozent.
Greenpeace kritisiert Amazon
Wenn man Amazon fragt, befindet sich das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit also auf der Überholspur. Die Umweltorganisation Greenpeace sieht das allerdings etwas anders. Noch im Jahr 2017 fällt Amazon in Greenpeace Green Electronics Guide (der sich auf Amazons eigene Elektronikgeräte bezieht) durch. Dies unter anderem aufgrund von mangelnder Transparenz was Lieferkette und Chemikalien am Arbeitsplatz angeht sowie die Nutzung von nicht erneuerbarer Energie.
Greenpeace schreibt im Bericht: „Amazon bleibt in Bezug auf seine Umweltleistung eines der am wenigsten transparenten Unternehmen der Welt, da es sich immer noch weigert, den Treibhausgas-Fußabdruck seiner eigenen Aktivitäten zu veröffentlichen.“ Heute, vier Jahre später, hat Amazon seine Transparenzstrategie umgekrempelt und legt seine Emissionen offen.
Amazon verdient viel Geld mit fossilen Brennstoffen
Trotzdem fällt Amazon im Vergleich zu anderen Tech-Giganten wie Google und Microsoft in Sachen Transparenz weiterhin ab. Greenpeace kritisiert, dass Amazon vieles nicht offenlege. So etwa die Art und Weise, wie das Unternehmen vorhabe die erneuerbare Energie zu beschaffen oder die Strategie, mit der es seinen CO2-Fußabdruck von 44,4 Millionen Tonnen CO2 jährlich auf Null zu senken gedenke. Amazon liefere außerdem nicht einmal grundlegende Informationen zu seinem Energiebedarf, was es Greenpeace verunmögliche, die Wirkung von Amazons erneuerbaren Energieprojekten realistisch einzuschätzen.
Was laut Greenpeace erschwerend dazu kommt: Amazons Bemühungen, zu 100 Prozent auf erneuerbare Energie zu setzen, beschränkt sich auf den eigenen Betrieb. Die Lieferkette, die immerhin über 75 Prozent von Amazons CO2-Fußabdrucks ausmacht, bleibt außen vor. Des weiteren schreibt sich Amazon Nachhaltigkeit auf die Fahnen, während es Ölunternehmen wie BP und Shell mit KI-Technologien versorgt. Damit bohren diese effizienter nach Öl, um fossile Brennstoffe herzustellen. Besonders konsequent ist das nicht.
Kritik kommt aber nicht nur vonseiten Greenpeace. Auch ITV – der britische Fernsehsender, der ebenfalls The Climate Pledge unterzeichnet hat – veröffentlichte im Juni diesen Jahres verstörende Bilder. Eine Untersuchung des News-Teams zeigte, dass Amazon in Großbritannien jährlich Millionen an Gegenständen zerstört – darunter Elektrogeräte wie ungeöffnete Apple-Produkte, Bücher und Schmuck. Bis zu 130 000 Gegenstände mussten Amazon-Mitarbeitende in Großbritanniens größtem Lagerhaus wöchentlich zerstören, die meisten davon in tadellosem Zustand.
The Climate Pledge ist Win-Win-Situation für Amazon
Das alles macht das Nachhaltigkeitsversprechen von Amazon deutlich unglaubwürdiger. Der Verdacht drängt sich auf, dass das Unternehmen noch weitere Beweggründe als Umweltschutz hat, sich so öffentlichkeitswirksam für Nachhaltigkeit einzusetzen. Neben dem Aufpolieren des eigenen Image steht dahinter bestimmt auch ein wirtschaftliches Interesse. Denn, so formuliert es der SWR-Reporter Julian Gräfle in der Sendung Marktcheck, Maßnahmen, die ein Unternehmen nachhaltiger aufstellen, bringen erst einmal hohe Investments mit sich. Auf Dauer lasse sich damit aber auch viel Geld einsparen – und wenn Amazon eines kann, dann ist das Sparen. Wenn sich die Einsparungen mit Klimaschutz verbinden lassen, und dabei das Unternehmen in ein positiveres Licht rückt, ist das eine Win-Win-Situation.
Sollte man The Climate Pledge entsprechend kritisch betrachten? Vielleicht. Es ist durchaus eine positive Entwicklung, dass sich Firmen öffentlich dazu bekennen, mehr für die Umwelt zu tun und ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Und dies mit mehr Transparenz und klar vorgegebenen Zielen. Es lohnt sich aber, genau hinzuschauen, und nicht jede Erfolgsmeldung direkt für bare Münze zu nehmen.
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