„Ankunftsstädte“, oder „Arrival City“, sind Siedlungen oder „Dörfer in städtischer Umgebung“ mit sozialen Verbindungen zur Herkunftsgemeinde ihrer Bewohner*innen. Diese lassen sich in den „dauerhaften Ansammlungen“ nicht lebenslang nieder, sondern befinden sich in einem wiederkehrenden Rhythmus von Ankommen und Weiterziehen in die Stadt. Die meist als Elendsviertel wahrgenommenen Orte sozialer Ausgrenzung sind als „Durchlauferhitzer“ des sozialen Aufstiegs in die Mittelschicht oft erfolgreich. Selbst geschaffene, aus der Gemeinschaft hervorgehende Organisation generiert eine substanzielle Entwicklungskraft. Die Untersuchung der Entwicklungen von Ankunftsstädten ist relevant, um deren Erfolg oder ihr Scheitern dennoch zu lenken. In diesem Spannungsfeld von Selbstständigkeit und notwendiger Unterstützung, Ankunft und Abreise, Dorf und Stadt spielen Stadtplaner*innen eine wichtige Rolle. In zehn Kapiteln, auf 541 Seiten, beschreibt Saunders Beispiele von Ankunftsstädten und menschlichen Einzelschicksalen. Er vergleicht seine Beobachtungen auf Grundlage bereits erforschter Theorien in Ankunftsstädten der ganzen Welt.
Arrival City: Empfehlenswert?
Saunders’ Buch, original in Englisch verfasst, ist eher journalistisch als wissenschaftlich geschrieben. Zwar liegen ihm einige Quellen zugrunde, jedoch werden viele subjektive Behauptungen aufgestellt, deren Tragfähigkeit unbewiesen scheinen. Die gewählten Einzelschicksale sind spannend beschrieben und lassen Leser*innen in das Leben des jeweiligen Ortes eintauchen. Die Verallgemeinerung dieser Schicksale und der Vergleich mit anderen Ankunftsstädten, ohne Rücksicht auf kontextuelle Unterschiede, lassen Themenfremde jedoch an der Glaubwürdigkeit der Argumente zweifeln. Zahlreiche interessante Fakten sind für Leser:innen, die die dahinterstehenden Phänomene nicht kennen, nicht zusammenhängend genug geschildert. Durch die Verallgemeinerung und unklare Struktur der Kapitel fällt es schwer, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen. Die auf Reisen gesammelten Erfahrungen des Autors sind zwar Hauptbestandteil der Argumentation, jedoch könnten wichtige Erkenntnisse sachlich wirkungsvoller vermittelt werden. Fotos und Pläne würden helfen, die Orte besser zu verstehen.
Das Buch ist eine längst überfällige Manifestation schon erforschter Phänomene und bietet eine Reise durch die Welt, die eher chaotisch als nach Plan verläuft. Nichtsdestotrotz verändert Saunders den Blickwinkel auf vorschnell negativ bewertete Räume, schafft somit ein besseres Verständnis von Ankunftsstädten und bietet viel Inspiration für Planer*innen und Politiker*innen.
Hintergrund dieses Artikels: In einem Seminar von Professor Udo Weilacher, Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und Transformation (LAT) an der TU München konnten Studierende im Sommersemester 2021 in das Feld des Fachjournalismus hineinschnuppern. Dabei schrieben Masterstudent*innen der Landschaftsarchitektur der Technischen Universität München in einer „Schreibwerkstatt” Buchrezensionen zu selbst ausgewählter Fachliteratur. Wir stellen auf unserer Seite ausgewählte Rezensionen vor.
Eine Übersicht zu weiteren Buchrezensionen aus dem Seminar finden Sie hier.
Auch interessant: Hier geht es zu der Rezension von Aimee Neff zum Buch „Unbestimmte Räume in Städten: Der Wert des Restraums“.