Die Berliner Friedrichstraße soll eine autofreie Straße werden. Aber dort dürfen seit November 2022 erstmals wieder Autos fahren, bis dann voraussichtlich Ende 2023 alle Kraftfahrzeuge verbannt werden. Der Wettbewerb zum Gesamtkonzept ist in der Vorbereitung. Doch das finden nicht alle gut. Aber warum eigentlich? Was die Stadt vorhat und warum es so viel Konflikt gibt, lesen Sie hier.
Die autofreie Friedrichstraße ist vorerst wieder befahrbar
Laut einer Pressemeldung vom 7. November 2022 ist die Berliner Friedrichstraße zum ersten Mal seit 2020 wieder befahrbar. Damit wird ein Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts umgesetzt. Dieser sieht vor, dass Kraftfahrzeuge ab dem 23. November 2022 wieder auf dem davor gesperrten Teilabschnitten fahren dürfen. Dennoch soll die Umwidmung in eine dauerhafte Fußgängerzone laut Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (SENUMVK) bis Ende des Jahres erfolgen.
Die Senatsverwaltung konzentriert sich laut eigener Angaben nun auf die Umsetzung des Gesamtkonzeptes und verzichtet auf eine Beschwerde gegen die Eilentscheidung. Zwischen Französischer und Leipziger Straße ist die Friedrichstraße derzeit wieder befahrbar. Um den Radverkehr weiterhin sicher verlaufen zu lassen, entsteht eine Fahrradstraße in der Charlottenstraße. Außerdem arbeitet der Bezirk Mitte an einer dauerhaften Umwidmung des Teilabschnittes.
Senatorin Bettina Jarasch sagte dazu: „Wir konzentrieren uns auf sorgfältige Planungen zur Neuregelung des Verkehrs in diesem Teil der Stadt. Ich möchte, dass sich die Friedrichstraße zu einem lebendigen, modernen Stadtraum entwickelt – zu einem Ort, an den man gerne geht und wo man gerne bleibt. Wir arbeiten daher weiterhin, unabhängig von dem Eilbeschluss, an der autofreien Flaniermeile, eingebunden in eine Verkehrslösung auch für die Umgebung. Sobald dies umgesetzt ist, können wir uns an die dauerhafte Ausgestaltung der Fußgängerzone als Teil eines Gesamtkonzepts für die historische Mitte machen.“
Der Streit um die autofreie Friedrichstraße
Das Projekt einer verkehrsberuhigten Friedrichstraße startete bereits im Jahr 2020. Zwischen August 2020 und Oktober 2021 gab es einen Verkehrsversuch mit einer Länge von 600 Metern. Begleitend gab es Untersuchungen zur Verkehrsberuhigung und Neugestaltung des öffentlichen Raumes. So sollten die verkehrlichen, wirtschaftlichen und Umwelteffekte erfasst werden.
Die Stimmung war schnell erhitzt, denn es gab viele leidenschaftliche Meinungen rund um das Thema autofreie Friedrichstraße in Berlin. Schlagzeilen machte unter anderem die Ladenbesitzerin Anja Schröder, die aufgrund wirtschaftlicher Verluste für die Friedrichstraße und Nebenstraße gegen die Sperrung für den Autoverkehr klagte. Dies begründete sie unter anderem mit der schlechten Aufenthaltsqualität auf den Außenterrassen der Nebenstraßen, die mit dem ausweichenden Verkehr belastet seien.
Vorerst hat Anja Schröder diesen Prozess gewonnen. Die „Flaniermeile Friedrichstraße“ gehört zur Zeit wieder den Autos. Laut Verwaltungsgericht hätte der Kfz-Verkehr nach dem Verkehrsversuch auf der Friedrichstraße nur bei einer konkreten Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs ausgeschlossen werden dürfen. Zur Steigerung der Aufenthaltsqualität sei die Sperrung nicht rechtskonform gewesen.
Innerhalb von zwei Wochen mussten Sitzgelegenheiten, Bepflanzungen und Stadtmöbel entfernt werden, die dem Autoverkehr entgegenstehen. Auch der doppelte Fahrradstreifen musste weichen.
Der Abschlussbericht der SENUMVK spricht dennoch von überwiegend positiven Erfahrungen mit dem Nahbereichskonzept. Zudem bezieht sich die Behörde auf das Berliner Mobilitätsgesetz, das eine dauerhafte Verkehrsberuhigung rechtfertigt.
Die dauerhafte Umwidmung der Friedrichstraße
Derzeit entsteht in der parallel zur Friedrichstraße verlaufenden Charlottenstraße eine Fahrradstraße. Der Kfz-Durchgangsverkehr ist hier nun nicht mehr möglich, wie die gegenläufige Einbahnstraße garantiert. Anlieger- und Lieferverkehr sowie der Zugang zu Parkhäusern bleiben nach wie vor möglich.
Mittelfristig arbeitet der Bezirk Mitte gemeinsam mit der SENUMVK nun an der dauerhaften Umwidmung der Friedrichstraße in eine autofreie Fußgängerzone. Dazu soll eine angepasste Lieferverkehrsregelung gehören. Bis zum Jahresende 2023 soll die Umwidmung vollzogen sein. Daraufhin soll kein Kfz-Verkehr auf der Friedrichstraße mehr möglich sein.
Ein Gestaltungswettbewerb für das neue Areal der Friedrichstraße, um den Stadtraum neu zu gestalten, ist in Vorbereitung. Dafür ist ein partizipatives Gestaltungsverfahren geplant. In der Zwischenzeit soll es begrünte Stadtmöbel und weitere Aufenthaltsangebote geben. Das Ziel der Senatsverwaltung besteht darin, die Berliner Mobilitätswende konkret erfahrbar zu machen. Zugleich möchte sie die Friedrichstraße als traditionsreiche Einkaufs- und Geschäftsstraße stärken.
Eine unsichere Zukunft
Noch ist nicht sicher, ob die Friedrichstraße in Berlin tatsächlich autofrei wird. Denn gegen die Umwidmung lässt sich Widerspruch einlegen. Händler*innen entlang der Friedrichstraße haben bereits signalisiert, dass sie dies tun werden. Zudem ist noch nicht klar, wie das Verwaltungsverfahren zur Umwidmung ausgehen wird. Es ist derzeit noch ungewiss, wann die Entscheidung dazu kommt. Bis dahin gilt das Straßenverkehrsrecht an der Friedrichstraße.
Überhaupt hat die Hauptstadt ein sehr gespaltenes Verhältnis zu autofreien Straßen. Selbst temporäre Spielstraßen führen immer wieder zu Konflikten, ebenso wie das gescheiterte Parklet-Projekt in der Bergmannstraße. Zuletzt gab es am 22. September 2022 Hoffnung, denn dieser autofreie Tag zeigte auf 37 Straßen, wie die autofreie Stadt aussehen könnte. Auch läuft ein Volksbegehren namens „Berlin autofrei“, das einen Volksentscheid erreichen möchte.
Mehr zu Mobilität: Eine neue Studie der TU München zeigt, dass insbesondere das Auto viele sogenannte externe Kosten im Verkehr verursacht. Hier mehr zu externen Kosten von Verkehr.