Von dieser gefühlt wilden Landschaft, in der die Besucher lockere Gespräche führten, Entspannung und Atmosphäre italienischer Baukultur fanden, ging es im Inneren des Teatro Sociale, dem imposanten Bau mit Holzgeländer und Deckenbalken, über zu den Inhalten. In einer Talkshow diskutierten der niederländische Landschaftsgärtner Piet Oudolf, der US-amerikanische Gartenarchitekt und Autor Thomas Rainer sowie Nigel Dunnett, Professor für Pflanzendesign und Urbaner Gartenbau an der Sheffield University, unter anderem über ihr Verständnis eines Landschaftsdesigners. Dunnett ist Pionier eines neuen ökologischen Ansatzes bei der Anlage von Gärten und öffentlichen Räumen. Im Mittelpunkt von Nigel Dunnetts Arbeit steht die Integration von Ökologie und Gartenbau, um eine dynamische und vielfältige abgestimmte Landschaft mit geringem Aufwand und hohen Belastungen zu erreichen. Auch wenn die erhoffte feurige Diskussionen und spannende Gegenpositionen ausblieben, bildete die Talkshow eine inhaltsstarke Grundlage .
Während Louis Benech – ein Superstar unter Frankreichs Landschaftsarchitekten, der erste, der ein Stück des weltberühmten Versailles neu gestalten durfte – und Filippo Pizzoni, ein italienischer Landschaftsarchitekt, ihre Arbeitsethos und ihre bisher realisierten Gärten thematisierten, fokussierten sich Kristina Knauf, Stadtplanerin bei MVRDV, und Sandra Piesik, britische Architekten, auf eine weitgefasstere, grüne Stadtentwicklung in Zeiten des Klimawandels. Die Männer kümmerten sich um konkrete Beispiele, während die Frauen das Große und Ganze in den Blick nahmen.
Als Leiterin verschiedener Projekte erklärte Knauf, dass es dem Büro darum gehe, genügend Grün in ihren Plänen und Realisierungen bereitzustellen. „Es ist äußerst dringend, auf die Klimaanpassung einzugehen“, sagt Knauf. In einem aktuellen Projekt soll der Stadtkern Eindhovens in ein grünes Verbindungsstück zwischen drei Grünflächen verwandelt werden. Dafür sollen Wände und Dächer als Grünflächen ausgestaltet werden. „Es soll am Ende so aussehen, als hätten wir die Stadt einmal umgedreht und in einen grünen Farbtopf gedippt.“ Wichtig sei es aber, produktives Grün zu schaffen, zu überlegen, an welcher Stelle es sinnvoll ist.
Die Architektin Sandra Piesik ist Autorin von HABITAT: Vernacular Architecture for a Changing Planet. Ihre Publikation bringt ein internationales Team von mehr als hundert führenden Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammen. Die Autoren untersuchen die vernakuläre Architektur im Kontext von Klimazonen, Ökosystemen, erneuerbaren Ressourcen und Stadtentwicklungen. Ihr Buch unternimmt einen Streifzug durch achtzig Länder und die fünf Klimazonen der Erde. Entstanden ist das Werk im Umfeld der UN-Klimarahmenkonvention.
Symbiose von Architektur und Landschaft
Ein Beispiel für das mögliche Gelingen einer Symbiose von Architektur und Landschaft ist der Projektentwurf des dänischen Architekturbüros BIG. Im vergangenen Jahr gewann die Bjarke Ingels Group den Wettbewerb zur Erweiterung der Fabrikanlage in San Pellegrino Terme. Dieses Werk befindet sich seit 1899 in San Pellegrino und ist umgeben von malerischer Natur, Flusswasser und Bergen. Die Marke San Pellegrino ist auch Teil der italienischen Wirtschaft und Kultur.
Es ist offensichtlich, dass Architekten bei der Realisierung von Projekten den kulturellen und sozialen Kontext respektieren müssen. Natürlich können neue Perspektiven einfließen, aber der Ort und sein Erscheinungsbild sollten nicht verdeckt werden. Die Bjarke Ingels Group verspricht, genau das mit dem Design der neuen Flagship Factory San Pellegrino zu tun. Das neue Design überlagert die Fabrik nicht mit fremden Elementen: Der Entwurf kombiniert die modulare Architektur der Fabrik mit repetitiven Elementen des italienischen Klassizismus und Rationalismus. Der Raum variiert durch die Erweiterung und Reduzierung der Spannweite der Bögen. Demnach bewegt und fließt die Architektur in gleicher Weise wie der Fluss vor Ort. Alles scheint eine fließende Struktur zu haben.
A dopo, Bergamo
Während Mailand Mode und Venedig Kunst und Architektur zu bieten haben, verschreibt sich Bergamo der Landschaftsarchitektur und Gartenkunst. Die Veranstaltung dient dem Austausch unterschiedlicher Disziplinen, die sich jedoch alle in irgendeiner Form der Landschaft verschrieben haben. In der diesjährigen Ausgabe war vor allem die Verschränkung zwischen Architektur und Landschaft sowie der Blick auf die Rolle von Pflanzen im Rahmen von Städtezuwachs, Nachverdichtung und Klimaanpassung impulsgebend.
Mehr zum Thema finden Sie in der Novemberausgabe 2018 der Garten+Landschaft.