12.04.2024

Event Gesellschaft

Burning Man – Festival, Design, Lebenskonzept?

Burning Man, 2015. Neues Design für den 15 Meter hohen Burning Man: Holz mit Neon. Foto: via Wiki Commons
Burning Man, 2015. Neues Design für den 15 Meter hohen Burning Man: Holz mit Neon. Foto: via Wiki Commons

Burning Man ist heute ein weltbekanntes Festival in der Wüste von Nevada für alternative Lebensformen, temporären Städtebau und Architektur, Kunst, Extreme Clothing und generationsübergreifende Partys. Zum Burning Man Design gehört mittlerweile eine urbane Infrastruktur mit eigenem Flughafen, Krankenhaus und einem Verkehrssystem mit kollektiven Art Cars und Fahrrädern für den Individualverkehr. Autos müssen dem Festival fernbleiben und können nur zur Anreise genutzt werden.


Vom Lagerfeuer am Strand zum Super-Festival

Zu den Mitbegründern des Burning Man Festival gehörte der Künstler Larry Harvey (1948 – 2018). Das Burning Man Design war zur Zeit der Gründung im Jahr 1986 einfach: Harvey zog – wohl aus Liebeskummer heißt es – mit rund 20 Freunden an den Baker Beach am Ufer des Pazifischen Ozeans im Nordwesten von San Francisco. Damit Larry Harvey seinen Kummer vergessen konnte feierten sie Party. Danach verbrannte die Clique eine über zwei Meter hohe Holzfigur und begrub mit der Asche auch den Kummer von Larry Harvey. Heute ist Burning Man ein professionell organisiertes Festival, das über 70.000 Besucher aus der ganzen Welt nach Nevada in den USA zieht. Das Kartenkontingent ist begrenzt. Preis pro Ticket? US$ 575 plus Vergnügungssteuer.

Illuminiertes Art Car mit den „Burnern“ in der Nacht, Burning Man, 2014. Foto: via Wiki Commons
Illuminiertes Art Car mit den „Burnern“ in der Nacht, Burning Man, 2014. Foto: via Wiki Commons
Burning Man, 2014. Die 32 Meter hohe Holzskulptur brennt als Höhepunkt des Festivals. Foto via Wiki Commons
Burning Man, 2014. Die 32 Meter hohe Holzskulptur brennt als Höhepunkt des Festivals. Foto via Wiki Commons

Vom Strand in die Wüste

Terminlich fällt Burning Man in das Ende von August und den Beginn von September. Neun Tage dauert das Festival und endet am US-amerikanischen Labor Day, dem Gedenktag der Arbeiterbewegung. Der ist immer am ersten Montag im September. Bis 1990 blieb das Burning Man Festival am Baker Beach. Danach musste es umziehen. Die Besucherzahl war stetig gewachsen: Von zwanzig Teilnehmern im Jahr 1986 war sie bis 1989 auf über dreihundert gestiegen. Die Holzpuppe, die ursprünglich schon überlebensgroße 240 cm hoch war, wuchs auf 12 Meter. Das Festival und das Verbrennen der Holzfigur am stadtnahen Strand waren mittlerweile unerwünscht. 1990 bauten die Festivalbetreiber zwar wieder eine 12 Meter hohe Holzfigur am Baker Beach auf, jedoch wurde sie nicht mehr in Brand gesetzt. Für Burning Man hatte man eine neue Location gefunden. Dort würde sich niemand durch Partys, Installationen und ein großes Feuer gestört fühlen: Im Black Rock Desert. Diese Wüste liegt im Nordwesten Nevadas auf dem Seebett des prähistorischen Lake Lahontan und hat eine Fläche von 30.044 km² – Platz genug also, um in Zukunft weiter zu wachsen.

Radiale Stadtstruktur des Burning Man. Foto via Wiki Commons: Steve Jurvetson from Menlo Park, USA, Burning Man 2012 festival from the air
Radiale Stadtstruktur des Burning Man. Foto via Wiki Commons: Steve Jurvetson from Menlo Park, USA, Burning Man 2012 festival from the air,

Von der Wüste zur Stadt

Das Burning Man Festival und Design musste sich in der Wüste erst einmal etablieren. Von 1991 bis zum Jahr 2000 stieg die Teilnehmerzahl von anfangs mageren 250 auf über 25.000 im Jahr 2000. Die Skulptur, die zum Ende des Festivals traditionell zu einem gigantischen Lagerfeuer umfunktioniert wird, blieb in dieser Zeit konstant 12 Meter hoch. 1995 bekam die temporäre, einmal im Jahr erlebbare Ansiedlung inmitten der Wüste den Namen „Black Rock City“. Mit einer Grundfläche von 18 Quadratkilometern ist sie für neun Tage die viertgrößte Stadt in Nevada. 1998 führten die Veranstalter Managementstrukturen ein und es entstanden geordnete Bahnen. Autos und Waffen in der „Black Rock City“ wurden verboten, seit 2002 hat die urbanisierte Wüste einen Flughafen. 2003 erließ das Management ein Hundeverbot. Viele „Burner“, die Teilnehmer des Festivals, sind kaum bekleidet und betreten Pavillons und Installationen barfuß. Wer will so schon in Hundehaufen treten?

Art Installation „Love“ mit freaky „Burnern“, 2014. Foto: via Wiki Commons
Art Installation „Love“ mit freaky „Burnern“, 2014. Foto: via Wiki Commons

Black Rock City: Die Wüste lebt

Die City des Burning Man besteht nur ein paar Tage. Aber in diesen kann man in ihr alles machen und bekommen, was man zum Leben und vor allem zum Chillen braucht. In 2019, dem Jahr vor dem Ausbruch von Covid-19, zählten die Veranstalter über 78.000 Teilnehmer. Black Rock City ist damit für rund zehn Tage eine Ansiedlung, die einwohnermäßig etwas größer als Paderborn und etwas kleiner als Wolfsburg ist. Sie ist aber eher ein Camp und nichts, außer Kunstwerke und begehbare skulpturale Architekturen, wird in die Höhe gebaut. Das Burning Man Design hat einen radial um ein Zentrum angeordneten Städtebau wie die Gartenstadt von Ebenezer Howard – nur standortbedingt ist sie ohne Grün.

Innenraum des “Temple of Whollyness“ (Tempel der Ganzheit) auf dem Burning Man Festival 2013. Die Tempel auf dem Burning Man Festival sind spirituelle Orte der Trauer für die „Burner“. Ein Gedenkort für alle, die einen geliebten Menschen verloren haben. Foto: via Wiki Commons
Holz-Tempel „Galaxia“ des französischen Architekten Arthour Mamou-Mani mit Spezialgebiet digital gefertigter Pop-up-Architektur. Auf dem Burning Man Festival 2018. Foto: via Wiki Commons
Holz-Tempel „Galaxia“ des französischen Architekten Arthour Mamou-Mani mit Spezialgebiet digital gefertigter Pop-up-Architektur. Auf dem Burning Man Festival 2018. Foto: via Wiki Commons
Innenraum des “Temple of Whollyness“ (Tempel der Ganzheit) auf dem Burning Man Festival 2013. Die Tempel auf dem Burning Man Festival sind spirituelle Orte der Trauer für die „Burner“. Ein Gedenkort für alle, die einen geliebten Menschen verloren haben. Foto: via Wiki Commons

Für Alle: Partizipative Stadtstruktur

Die Bewohner der temporären Metropole, die „Burner“, stehen für Individualität, einen friedvollen, leicht hedonistischen Lebensstil mit Hang zum Neo-Hippie-Style oder phantasievoller Kostümierung im Space Age- oder Queer-Look. Spaß und liberaler Fun für Alle sind auch ein Sinn und Zweck des Festivals. Die Teilnehmer leben wie Camper und verpflegen sich selbst. Sie übernehmen auch ihre Müllentsorgung. An den kunstvoll gestalteten Bars wird getrunken, Sanitäreinrichtungen dienen der kompletten Riesengemeinschaft, für die medizinische Versorgung ist ein Krankenhaus errichtet. Burning Man hat einen partizipativen und diversen Charakter: Die Altersgruppen, Ethnien und sozialen Gruppen sind total gemischt. Die negativen Begleiterscheinungen vieler Festivals und Großveranstaltungen, Gewalt, Müll und Umweltverschmutzung gibt es nicht. Mit Art Cars, den sogenannten „Mutant Vehicles“, bewegen sich die „Burner“ durch die Black Rock City. Das fördert die Gemeinschaft, die Kommunikation und ist umweltfreundlicher als Individualverkehr. Den gibt es nur für Fahrradfahrer oder Fußgänger.

Art Car für Burning Man 2013. Kollektives Transportmittel, Bar und Social Island als Kunstwerk. Foto: via Wiki Commons
Art Car für Burning Man 2013. Kollektives Transportmittel, Bar und Social Island als Kunstwerk. Foto: via Wiki Commons

Ohne Spuren: Das Verschwinden der Black Rock City

In der Wüste gibt nach neun Tagen „Black Rock City“ keinerlei Spuren vom Burning Man. Die Stadt wird komplett abgebaut und jeder „Burner“ ist verpflichtet, alles, was ihm gehört, wieder mitzunehmen. Wegen seiner friedvollen und liberalen Stimmung war das Burning Man-Modell schon Gegenstand ethnografischer Studien und kulturwissenschaftlicher Forschung. Es wir als utopistisches Role Model verstanden. Vorbildhaft sind die Gemeinschafts- und Identitätsbildung als Gegenentwurf zur Gesellschaft „draußen“. In der „Black Rock City“ sind Menschen neun Tage lang aktiv, kommunikativ und neugierig, phantasievoll und sehr tolerant. Sie tragen dann dieses Lebensgefühl in die Welt.

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