Dachfarmen tauchen weltweit immer häufiger in Städten auf. Auch in dichten Agglomerationen palästinensischer Geflüchtetencamps im Nahen Osten sind sie zu finden. Denn Dachfarmen sind mehr als nur urbane Lebensmittelproduktion. Lokal gesehen tragen sie dazu bei, dass lokale Gemeinschaften autonomer handeln können. Im globalen Kontext reagieren sie auf den Klimawandel als weltweite Herausforderung. Zwei Beispiele aus Jordanien, zeigen welche Vorteile Dachfarmen haben – in Jordanien, aber auch mit internationaler Relevanz für dichte Städte.
Dachfarmen in Amman und Jerash
Die Straßen sind eng, die Baustruktur dicht und die Luft ist staubig und heiß. Es hat lange nicht geregnet und die Auswirkungen des Klimawandels sind besonders in trockenen Ländern wie Jordanien merkbar zu spüren. Im Schatten sitzt eine Gruppe Männer und trinkt Tee. Gegenüber von ihnen spielen ein paar Jugendliche Fußball, als würden ihnen die stechenden Sonnenstrahlen nichts anhaben. „Al-Husn“ ist eins von insgesamt dreizehn palästinensischen Geflüchtetencamps im Norden Jordaniens. Ursprünglich wurden die Camps errichtet um für eine begrenzte Zeit Geflüchtete unterzubringen. Heute bestehen manche seit siebzig Jahren und haben die Form einer extrem dichten informellen Stadt angenommen. Grünflächen gibt es kaum und die zwischen der Baustruktur ist nur Raum für enge Gassen. Ist man jedoch wachsam, kann man hin und wieder kleine Gärten auf den Dächern von „Al-Husn“ entdecken. Die lokale Organisation „Al-Karmel-Club“ hat in den letzten zwei Jahren insgesamt 43 private und institutionelle Dachfarmen geplant und realisiert. Auf etwa 15Quadratmeter wachsen hier das ganze Jahr über eine Vielzahl lokaler Obst- und Gemüsesorten in eigens angefertigten Gewächshäusern, um dann vor Ort verkocht zu werden.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die belgische Nichtregierungsorganisation „Greening the Camps“. Als Pilotprojekt realisierte das junge und interdisziplinäre Team die erste Dachfarm auf einem Kulturzentrum in Jordaniens Hauptstadt Amman. Ein weiteres Projekt entstand kürzlich auf einer Berufsschule in dem Geflüchtetencamp „Jerash“. Im Fokus steht nicht nur das Arbeiten mit der Camp-Gemeinschaft, sondern auch mit innovativen Techniken der urbanen Landwirtschaft zu experimentieren. Dazu gehören wassersparende Bewässerungssysteme, wie Hydrokulturen oder Tiefenbewässerung. Diese sind vor allem in trockenen Ländern wie Jordanien unverzichtbar. Wie auch in „Husn“-Camp wird vor allem mit recycelten Materialien, wie alten Wasser- oder Ölkanistern, gearbeitet.
Bewusster für gesunde Ernährung
Auch wenn die räumliche Umsetzung der zwei Projekte sehr unterschiedlich ist, schaffen beide eine erste Möglichkeit zur Selbstversorgung. Das schafft schließlich eine autonomere lokale Handlungsfähigkeit der lokalen Gemeinschaft. Im extrem dichten Kontext palästinensischer Geflüchtetencamps wird das Dach endlich als vorhandene räumliche Ressource wahrgenommen. So scheint es nur folgerichtig, diese wertvolle Ressource auch produktiv zu nutzen. Und nicht zuletzt schaffen urbane Dachfarmen ein Bewusstsein für gesunde Ernährung und lokale Lebensmittelproduktion – ein Bewusstsein, welches weltweit immer mehr abhanden zu kommen scheint.