03.12.2019

Gesellschaft

Der Flug des Nomadengärtners

Es ist ein Menschheitstraum, aller Erdenschwere entrückt wie ein Vogel über die Welt schweben zu können. Landschaftsarchitekt Kamel Louafi und Filmemacher Jan Trottnow nehmen uns in ihrem Film “Flug des Nomadengärtners” mit in diesen schwerelos-mühelosen Zustand.

Fast ausschließlich aus der Luft betrachtet – dank Drohnenkamera – zieht das Lebenswerk von Louafi an uns vorbei: kunstvolle Hecken- und Bronzeskulpturen am Platz der Fünf Kontinente im luxemburgischen Esch-Sur-Alzette, ätherische Broderie-Pflaster vor dem Rathaus in Hannover, die Freiräume der Weltausstellung EXPO 2000 wie auch Gärten der Sheikh Zayed Moschee in Abu Dhabi. Louafi selbst ist dieser Nomadengärtner aus dem Filmtitel, geboren in Algerien, seit 1980 in Berlin. Gleich zu Beginn des Films sitzt der Meister der Parks im abgedunkelten Raum wie in einer Wunderkammer, skizziert am guten alten Zeichentisch seine Prinzipien und plaudert in bester orientalischer Erzählkunst. Über Erfolg und Misserfolg oder seine Arbeitsphilosophie, die nichts anderes bedeute, als das Imaginäre zu artikulieren. Schließlich stellt er sich beim Entwerfen vor, wie seine Gestaltung im Frühjahr oder im Winter wirkt, gar in hundert Jahren, wenn er selbst schon längst zu Staub zerfallen sei. Gartenkunst für die Ewigkeit? Durchaus!

Zum Interview gesellen sich Texte von Louafi, von seiner langjährigen Mitarbeiterin Dörte Eggert-Heerdegen und weiteren Autoren, aus dem Off gesprochen vom Filmemacher. Sie eröffnen eine Meta-Ebene über Parks und Gärten als „Visitenkarte von Kulturen“, über ihre „positive Utopie“. Louafis Printpublikationen erscheinen in schöner Regelmäßigkeit. Nun ist es ihm gelungen, einen kleinen Etat zu stemmen für den lang geplanten Film. Zwar würde der Zuschauer gern noch dichter heran an all diese Parkwunder, sich lösen aus der Drohnenperspektive. Doch auch wenn diese Dreharbeiten jenseits der Luftaufnahmen nicht finanzierbar waren, gelungen ist ein sehenswertes Manifest über selbstbewusste Landschaftsarchitektur und das Porträt eines Künstlerarchitekten.

Dieser Beitrag ist in G+L 10/2019 erschienen.

Im letzten Satz der gedruckten Ausgabe hat sich ein Fehler eingeschlichen. Hier lesen Sie die korrigierte Version.

 

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