31.07.2019

Projekt

Die Strasse als Galerie


Leerstand kreativ nutzen

Leer, leerer, Freiimfelde: Das Gründerzeitviertel in Halle zählt zu den Orten mit der höchsten Leerstandsrate deutschlandweit. Das Stadtplanungsbüro Freiraumgalerie spielt mit dieser Leereund verwendet dabei ausgerechnet Graffiti. Es ist eine Kombination aus ästhetischer Kunst und Bürgerbeteiligung. Sie erfindet den Freiraum Straße neu und kann Freiimfelde in ein buntes und selbstbestimmtes Quartier verwandeln.

Ein Gang durch die Landsberger Straße in Halle war bis vor einigen Jahren eher ungemütlich. Viele Häuser standen leer, kein Licht fiel abends durch die Fenster auf die Gehwege. Kein Schimmer der Hoffnung, nichts als Tristesse und Dreck. Seit der Wende kämpft der Stadtteil Freiimfelde mit Verfall; den Schlachthof, der damals Arbeit und Bewegung in das Viertel brachte, gibt es nicht mehr. Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik war die Landsberger Straße im Jahr 2010 jene mit dem höchsten Leerstand deutschlandweit. Es gab keinen Grund, durch diese Straße zu flanieren. Das ist heute anders. Heute lädt sie ein, den Schritt zu verlangsamen, stehen zu bleiben und sich umzublicken, zu staunen. Denn große, bunte Wandbilder zieren die Brandwände der Häuser, Street Art setzt Akzente an Schornsteinen und Fenstersimsen. Es tut sich was.

Dass hier etwas in Bewegung ist, sich etwas verändert, ist der Freiraumgalerie zuzuschreiben, einem Kollektiv für Raumentwicklung, 2012 gegründet. Eines der ersten Mitglieder im Kollektiv war der Stadtplaner Hendryk von Busse. Der 32-Jährige ist studierter Raumplaner und spezialisiert auf schrumpfende Regionen und Städte. In seiner Diplomarbeit verteidigte er die These, dass Graffiti, und damit Street Art, in leeren und schrumpfenden Städten positive Impulse setzen kann, um diese zu revitalisieren. Nach einigen Fallstudien stellte sich Freiimfelde als besonders geeignet dar, um in seiner Rolle als vernachlässigter und von der Stadtregierung vergessener Stadtteil als urbaner Spielplatz zu agieren.

Der hohe Leerstand ging mit entsprechenden sozialen und städtebaulichen Problemen einher: hohe Arbeitslosigkeit, Kinderarmut, Kriminalität, fehlende Entwicklungsperspektiven. „Die Situation war und ist auch der Lage von Freiimfelde geschuldet: Als einziges Wohnviertel östlich des Bahnhofs liegt es zwar zentral, ist jedoch durch die Gleiskorridore vom Rest der Stadt getrennt“, sagt Hendryk von Busse.

Eine verloren geglaubte Großstadtinsel, deren Exotik nun durch die Freiraumgalerie ins Viertel getragen wird: „Mit unserem ersten Urban Art Festival 2012 wollten wir aufzeigen, dass man diesen Leerstand nutzen könnte, um eine neue Stadtlebensqualität zu erzeugen“, so von Busse. Künstler und Bürger sollten diese ungenutzte Stadtsubstanz selbst bemalen. Teil des Festivals waren darüber hinaus Kultur-, Musik- und Sportveranstaltungen – der Freiraum auf und neben der Straße diente als Bühne vor einer bunten Kulisse. „So wurde die Stadt in und um die Landsberger Straße zu einer offenen Galerie haushoher Bilder, die sich ständig verändert und Leerstände als Mitgestaltungsraum aufzeigt – eine Freiraumgalerie“, sagt das Kollektivmitglied.

Den gesamten Artikel können Sie hier als PDF herunterladen.

Scroll to Top