11.02.2019

Gesellschaft

„Endlich ist Facebook mal zu was gut“

was die nächste Regierung hier anstößt

Als Journalist mit Sinn für mediale Wirkmechanismen hat unser Autor Mark Kammerbauer seinen Artikel über die Waldbrände in Kalifornien über seine sozialen Medienkanäle geteilt. Auf Facebook entspann sich darüber eine spannende Diskussion mit Mark Mückenheim, der als Architekt und Hochschullehrer selber in Kalifornien lebt. Wir wollen Ihnen diese Debatte nicht vorenthalten.

 

Mark Mückenheim: Guter Text, viele der Forderungen sind schon seit Längerem fest in der kalifornischen Bauordnung verankert (je nach Gegend muss man auch Wohnhäuser mit Sprinkleranlagen ausstatten, um die Auflagen des Brandschutzes zu erfüllen), die generell sehr innovationsfreudig ist und auf resilient construction ausgelegt ist. Problem ist die Nachrüstung, die meisten Häuser in älteren Siedlungen wie Paradise sind in den 50ern bis zu dem 80ern errichtet worden; in der Zeit gab es wenig Auflagen. So lange es nur wenige Anreize gibt, wird sich das leider nicht ändern. Waldbrände hat es hier schon immer gegeben, die globale Erwärmung befeuert diese noch. Durch das Wachstum von Ansiedlungen wird es leider noch häufiger zu solchen Tragödien kommen in den nächsten Jahren. Die Trockenheit in der Dürrezeit muss man erlebt haben, da kann man noch so viel Harken und einen 20 Fuß breiten Perimeter um sein Haus frei halten, ein Feuer findet leider viel zu leicht ein Überangebot des besten Brennstoffs.

Mark Kammerbauer: Mark danke fürs ausführliche Feedback! Ich habe in der Praxis viel mit residential renovations in NY/NJ zu tun gehabt, daher kann ich das gut nachvollziehen. Freunde von mir wohnen in Tarzana, da zittere ich auch immer mit, wenn es Nachrichten zu Waldbränden gibt. FEMA hat ja Programme, die Mitigation gegen allerlei Umweltgefährdungen unterstützen. Wie so oft hat das wiederum mit dem Zugang zu Ressourcen zu tun bzw. der Anpassungskapazität der (potentiell) Betroffenen. Mein Schwerpunkt ist zwar der Hochwasser/Planungs/Verwundbarkeits-Nexus, aber was mir bei der Recherche zu diesem Text gefallen hat, war die Konkretheit der bereits umgesetzten Maßnahmen, das ist durchaus baulich “griffig”. Cheers!

Mark Mückenheim: Ja die Amerikaner haben einen recht pragmatischen Umgang mit solchen Problemen und sind dann auf einmal sehr schnell das legislativ umzusetzen. Die Bürokratie eines Bauantrags hier ist wesentlich größer als in Deutschland, man muss sich neben Brandschutz, Statik und Nachhaltigkeit auch sehr ausführlich zu Gestaltungsfragen, Lichtemission, der vorgeschriebenen Nutzung Alternativer Energien (seit 2019 100 %), sowie der Anzahl und Durchlauf aller Wasserhähne im Haus (Thema Wassereinsparung) äußern. Kalifornien ist ja ein ziemlich weit entwickelter Bundesstaat und mit Ländern in Europa zu vergleichen. Die ganze Bürokratie ist aber sehr direkt und hemdsärmelig, ein bisschen wie im Wilden Westen inklusive der Besprechung des Bauantrags an der Theke der Bauaufsicht, die sich hier betont partnerschaftlich zum Architekten verhält.

Mark Mückenheim: Der Naturraum ist aber so gewaltig, dass die Verzahnung von Siedlungsentwicklung und Wald sich nicht wirklich effektiv regulieren lässt (und es gibt Regulierung). Wir haben uns zum Beispiel ein Baugrundstück gekauft und sind vom Fire Marshall des Feuerdistriktes dazu angehalten, das hohe Gras auf dem Grundstück regelmäßig in vorgeschriebenen Intervallen zu mähen, anderenfalls bekommen wir eine Verwarnung mit empfindlicher Geldstrafe. Es handelt sich halt nicht wie in Europa um eine vom Menschen gemachte Kulturlandschaft, sondern um Wildnis, die grade in Höhenlagen und im Norden des Bundesstaates aus knochentrockenen, nicht bewirtschafteten Wäldern besteht.

Mark Kammerbauer: Das mit der Bürokratie ist wohl wahr. Ich bin ja Amerikaner, und mir ging es oft so: „Ihr wollt bürokratischer als die Deutschen sein? Was ist mit Euch los?“ Was Regulierung betrifft – die Tendenz zur „Eigenverantwortung“ im Kontext von Risiken (wie auch der Planung mit dem Ziel, Risiken zu mindern) ist sowohl in USA als auch Europa klar erkennbar, mit allen dazugehörigen Konsequenzen, die eine risikomindernde (!) Regulierung behindern (eine effektive Governance regulierender Maßnahmen an dieser Stelle ausgenommen). Wenn man über Ressourcen verfügt, kann man ja Risiken eingehen, wenn man dazu bereit ist. Das ist nicht bei allen der Fall, und die Grundursachen sind klar (Ungleichheit, Marginalisierung, Verwundbarkeit). Das gilt für USA wie Deutschland (wenn auch in anderer Ausprägung). Zum Thema Wilderness und US-amerikanische Siedlungsentwicklung habe ich mich eh bereits in ähnlicher Weise positioniert, da muss ich nicht lang ergänzen: https://www.amazon.de/PLANNING-URBAN…/dp/3897397455

Mark Kammerbauer: Übrigens freu ich mich total über diese Diskussion gerade…endlich ist Facebook mal zu was gut.

Mark Mückenheim: Haha, ja. Es gibt manchmal einige gute Diskussionen hier. Die Vernetzung ist wesentlich leichter und informeller als zum Beispiel bei LinkedIn. Danke für den Link, ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema hier. Man kann die Deregulierung, die für Leute aus dem europäischen Raum oft nicht so gut zu verstehen ist, aus dem kulturellen Kontext sowie der Historie der USA gut nachvollziehen, auch wenn man weiß, dass das oft zu Problemen führt, die Baugesetze sind ja nur ein kleiner Teil des Problems hier. Mal sehen, was die nächste Regierung hier anstößt, Amerika muss sich bewegen, um weiter innovativ zu bleiben (ebenso wie Deutschland).

Mark Kammerbauer: Right on

Den diskutierten Text von Mark Kammerbauer finden Sie hier in der Februarausgabe 2019 der Garten + Landschaft.

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