Nördlich des ehemaligen Flughafen Berlin Tegel ist Baden erlaubt. Und das schon seit den 1970er-Jahren. Der Kiesabbau hat dort den Flughafensee Tegel hinterlassen. In letzter Zeit ist der Baggersee besonders beliebt. Lärm, Müll und parkende Autos sind das Resultat. Ein Entwicklungskonzept soll nun helfen, die Konflikte und Herausforderungen rund um den See zu lösen.
Quadratur des Kreises
Alle Fotos: gruppe F
Der Flughafensee Tegel ist nicht alleine. Viele Erholungsgebiete an den Rändern von Städten erfreuen sich großer Beliebtheit. Naherholungsgebiete machen ihrem Namen alle Ehre. Durch die Corona-Pandemie konnten viele Menschen nicht verreisen. Stattdessen suchten sie Erholung in der Nähe ihres Wohnorts. Infolgedessen sind viele Badeseen, Strände und kühle Wälder neu entdeckt und genutzt worden. Auch der Flughafensee Tegel ist ein solcher Ort. Nicht immer zur Freude der Bewohner*innen der angrenzenden Quartiere.
An heißen Tagen ist es am Flughafensee Tegel schon heute zu voll. Zukünftig wird sich im Umfeld des Baggersees einiges verändern. Das Gelände des alten Flughafen Berlin Tegel wird umgebaut. Wo früher Flugzeuge starteten und landeten, entsteht viel Neues. In einem Wohnquartier im Osten des Geländes sollen 10 000 Menschen einziehen. Rund um das markante Flughafenterminal wächst die Urban Tech Republic. Im Osten des Flugfeldes wird der Naturraum Tegeler Stadtheide wachsen. Damit bekommt der Flughafensee viele neue Nachbar*innen. In Folge wird das jetzt schon überlaufene Gelände noch intensiver genutzt. Gleichzeitig ist geplant, das sensible Vogelschutzgebiet am Südufer des Sees zu stärken. Und die Bewohner*innen der an den See grenzenden Siedlung Waldidyll und der Cité Guyneme sind schon jetzt genervt. Lärm, Müll und zugeparkte Straßen ärgern sie insbesondere im Sommer.
Entwicklungskonzept Flughafensee Tegel
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Mit der Schließung des Flughafen Tegel können die Planungen für die Umnutzung des Geländes weiter gehen. Auch seine Einbettung und Anbindung an die Umgebung ist wichtig. Dazu gehört eben auch der Flughafensee Tegel. Er liegt nur wenige Meter nördlich der ehemaligen Start- und Landebahnen. Damit ist er ein Schwerpunktbereich im Fördergebiet Umfeld TXL. Ausserdem spielt der See bei der Verknüpfung der bestehenden Wohnsiedlungen mit den geplanten Entwicklungen auf dem Flughafengelände eine große Rolle. Lösungen für diese Planungen und Herausforderungen soll das Entwicklungskonzept für den Flughafensee Tegel bringen.
gruppe F
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Das Landschaftsarchitekturbüro gruppe F – Freiraum für alle arbeitet seit Anfang des Jahres 2021 am Entwicklungskonzept für den Flughafensee Tegel. Zunächst befragten sie Menschen aus der Nachbarschaft aus Vereinen und Expert*innen aus Zivilgesellschaft und Verwaltung. Am See und im Umkreis von zwei Kilometern verteilen sie Fragebögen. Ausserdem riefen sie stadtweit zur Teilnahme an einer Online-Befragung auf. Auf diese Weise fing gruppe F Meinungen und Hinweise von insgesamt 866 Menschen ein. Im Mai 2021 luden die Berliner Landschaftsarchitek*innen der gruppe F zu einer Werkstattveranstaltung ein. Aufgrund der Pandemie wurde digital konferiert. Unter den 80 Teilnehmenden war auch der lokale Bezirksbürgermeister sowie Vertreter*innen des örtlichen Bezirksamtes, der Senatsverwaltung, von Grün Berlin, vom NABU, der Polizei und dem Landeskriminalamt. Unter dem Strich kamen durch Befragungen und die digitale Werkstatt viele Anregungen zusammen.
Natur und Erholung
Mit dem Flughafensee Tegel assoziieren viele Berliner*innen vor allem Natur und Naturschutz. Gleichermaßen von Bedeutung sind Möglichkeiten zum Baden- und Spazierengehen. Der See und sein Umfeld sind ein wichtiger Erholungsort für die Menschen. Dessen ungeachtet assoziieren viele aber auch Lärm und Vermüllung mit dem See. Probleme häufen sich vor allem im Sommer. So ärgern sich viele Menschen, dass der Naturschutz vor Ort missachtet wird. Andere beklagen das Fehlen von Sanitäranlagen. Ausserdem beobachten Beteiligte rücksichtsloses Verhalten. Sie wünschen sich weniger Partys, weniger Grillfeuer, weniger Alkoholkonsum. Vor allem abends oder nachts stört der Lärm. In den angrenzenden Quartieren kommt es zu Belästigungen und Überlastungen durch parkende Autos. Darüber hinaus erregen Kriminalität sowie aggressives Verhalten Unmut.
Kontroverse Diskussion
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Auf der Suche nach Lösungen kommen kontroverse Sichtweisen zusammen. So wünschen sich einige Leinenzwang für Hunde, während andere einen ausgewiesenen Hundestrand bevorzugen. Andere sehen in der Bewirtschaftung der Badestelle eine Lösung. Anderen ist der kostenfreie Zugang wichtig. Darüber hinaus wünschen einige einen Kiosk. Skeptiker*innen hingegen wollen nicht noch mehr Menschen anlocken. Ebenso kontrovers ist der Blick auf das Südufer des Flughafensee Tegel. Die eine Gruppe wünscht Zugänge und Badestellen am südlichen Ufer. Gegner*innen halten dort den Schutz der Natur für wichtiger. Einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Derzeit wertet die gruppe F die Ergebnisse der Online-Werkstatt aus. Auf Basis der vielen Anregungen erarbeiten sie einen Maßnahmenkatalog. Dieser wird schließlich in einer Bürgerwerkstatt diskutiert. Entweder vor Ort oder pandemiebedingt wieder online. Im Herbst legen die Lanschaftsarchitekt*innen das Entwicklungskonzept schließlich dem Senat vor. Auf dessen Grundlage werden dann Fördermittel zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen akquiriert.
Beispiel sein
Das schrittweise Verfahren dient dazu, die vielfältigen Ansprüche am Flughafensee Tegel in Einklang zu bringen und Lösungen für Konflikte zu finden. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der Gesamtentwicklung auf dem ehemaligen Fluggelände wichtig. Denn die neuen ökologischen Stadtquartiere und die Nachnutzung der Flughafengebäude als Technologie- und Ausbildungsstandort sollen beispielhaft werden. Was in der nächsten Dekade rund um den ehemaligen Flughafen Tegel entsteht, soll Vorbild für das ganze Land sein. Den Abschluss der Online-Veranstaltung bildete ein Dank. Der Gastgeber, der Leiter des Fachbereichs Stadtplanung und Denkmalschutz im Bezirksamt Reinickendorf bedankte sich für die hervorragende Organisation. Darüber hinaus hob er die Vorteile einer Online-Veranstaltung hervor. So viele Bürger*innen wären in einem Veranstaltungssaal nicht zu Wort gekommen. Auch dahingehend sind die Entwicklungen am Flughafensee Tegel vorbildlich.
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