Das erscheint umso wichtiger, als dass die Fläche der Gärten in Deutschland im Vergleich zu anderen Flächen fast verschwindet gering erscheint. Auf etwa 2 Prozent der bundesweit zur Verfügung stehenden 357 581 Quadratkilometer wird die Fläche der Gärten inklusive der Kleingärten geschätzt. Demgegenüber stehen über 50 Prozent, die landwirtschaftliche Flächen ausmachen, sowie mehr als 30 Prozent Wälder, die zum größten Teil forstwirtschaftlich genutzt werden. Diese über 80 Prozent der deutschen Fläche ist aus Sicht der Biodiversität relativ verarmt und bietet nur noch angepassten Kulturfolger*innen eine Lebensgrundlage. Und das scheint seit etwa dreißig Jahren ein immer größeres Problem für die Insekten in Deutschland zu werden.
Der Entomologische Verein Krefeld hat 2017 mit einer weltweit aufsehenerregenden Studie den dramatischen Rückgang von Fluginsekten in Zahlen gegossen und somit greifbar gemacht. Falls Sie sich nicht mehr ganz daran erinnern können, hier nochmal das Ergebnis in Kurzfassung: Zwischen 1989 und 2016 ist die Biomasse an Fluginsekten in 63 deutschen Naturschutzgebieten um mehr als 75 Prozent zurück gegangen. Lassen Sie sich das einmal für einen Moment auf der Zunge zergehen: Offenbar hat es der Mensch also hingekriegt, in nicht einmal 30 Jahren drei Viertel aller fliegenden Insekten, also Bienen, Wespen, Käfer, Fliegen, Mücken, Schmetterlinge und andere, auszumerzen.
Zwar weisen die Autor*innen der “Krefelder Studie” selbst darauf hin, dass die zugrundeliegenden Methoden in Ihrer Aussagekraft begrenzt sind, zwischenzeitlich herausgekommene Übersichtsstudien (zum Beispiel die von Francisco Sánchez-Bayo, 2019) zeigen aber einen klaren Trend für die Anzahl der Insekten auf der Erde. Und der geht steil nach unten. Dieses stille Massensterben der Insekten hat nicht nur Auswirkungen auf die Bestäubung unserer Agrar- und Kulturpflanzen. Ganze Ökosysteme mit Wirbeltieren an der Spitze bauen auf das Vorhandensein von Insekten als Nahrungsquelle auf.
Der zeitgemäße Garten
Der zeitgemäße Garten leistet hiergegen einen Beitrag zur Biodiversität. Der Garten von heute kann und muss mithelfen, Gegenpole zur Monokultur zu schaffen und so das Artensterben zu verlangsamen. Idealerweise vereint er die Eigenschaften als Erholungs-, Natur- und Nutzraum gleichermaßen und lässt unnötigen Schnickschnack weg. Durch Naturnähe gewinnt er gleichzeitig an Attraktivität sowie an Erholungswert. Durch das Aufzeigen komplexer Zusammenhänge biologischen Gleichgewichts kann er außerdem als Lehrgarten dienen. Er bietet unter anderem magere Bereiche, die sich weitestgehend unkontrolliert entwickeln können und lässt der Natur großzügige Bereiche zur freien Entfaltung.
Pflanzen, die sowohl Pollen und Nektar als auch Früchte liefern, verleihen ihm einen weiteren Mehrfachnutzen. Dabei ist die Wahl der einheimischen Pflanzen so beschaffen, dass eine möglichst große Vielfalt entsteht und über die gesamte Saison Blüten im Garten zur Verfügung stehen. Die Bepflanzung mit Neophyten wird in ihm vermieden. Zeitgemäße Gärtner*innen lassen auch sogenannten Schädlingen wie Blattläusen Raum, denn sie wissen, dass sich ohne sie auch keine Population von Nützlingen einstellen kann. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist im zeitgemäßen Garten minimal und erfolgt, nur wenn unbedingt nötig, auf biologischer Basis. Insektenhotels und stehengelassene Stängel bieten den Nützlingen im modernen Garten zahlreiche Nistgelegenheiten, während Smart Gardening helfen kann, Arbeit einzusparen und den Verbrauch von Wasser und Düngemitteln zu optimieren.
Obst nur noch für Reiche
„Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr.“ Dieses, oft fälschlicherweise Albert Einstein zugeschriebene, Zitat ist vielleicht nicht ganz richtig. Wenn es mit dem Untergang der Biodiversität aber so weitergeht wie bisher, werden die Folgen vermutlich dennoch drastisch werden. Obst und Gemüse gibt es dann vielleicht nur noch für Reiche, während manche Expert*innen Hungersnöte befürchten.
Es hat sich gezeigt, dass ein Teil der Artenvielfalt mittlerweile auf Grünräume wie Gärten angewiesen ist und dort einen der letzten Rückzugsräume findet. Es liegt an uns, wie weit wir einer vielfältigen Natur in der Gestaltung unserer Gärten entgegenkommen wollen. In unserem besten Interesse läge es jedenfalls.
Die Landesgartenschau Neuenburg 2022 möchte die Verbindung zwischen der Stadt um dem Fluss Rhein stärken. Mit welchem Konzept das gelingt lesen Sie bei uns.