Bald ist es wieder so weit: Der Equal Pay Day nähert sich, um auf geschlechterspezifische Gehaltsunterschiede in Deutschland aufmerksam zu machen – denn Frauen verdienen hierzulande deutlich weniger als Männer. Wie groß die Gender Pay Gap in den planenden Disziplinen ist, zeigt die neue Sonderauswertung der Bundesarchitektenkammer.
Weniger als ein Drittel Büroinhaberinnen
Am 10. März ist Equal Pay Day in Deutschland: Ein Tag, der symbolisiert, wie ungleich Arbeitgeber*innen Frauen und Männer in der Bundesrepublik für ihre Verdienste entlohnen. Denn bis zum 10. März, also insgesamt 47 Arbeitstage (je nach Bundesland sind es sogar 48) arbeiten Frauen in Deutschland, ohne dafür ein Gehalt zu kriegen – im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen. Die erhalten Ihren Lohn nämlich schon seit dem ersten Januar.
Das stimmt natürlich nur im übertragenen Sinne: Der Equal Pay Day, der übrigens jedes Jahr neu berechnet wird, ist eine Metapher – und als solche muss man ihn auch verstehen. Er will darauf aufmerksam machen, wie ungleich die Bezahlung zwischen den Geschlechtern auch im Jahr 2021 immer noch ist: Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 19 Prozent weniger als Männer. Umgerechnet in Arbeitstage bedeutet das eben, dass Frauen bis zum 10. März unbezahlte Arbeit leisten – dieses Datum markiert die ersten 19 Prozent des Jahres. Im europaweiten Vergleich liegt Deutschland damit hinten: Unsere Nachbarinnen in der Schweiz mussten bis zum 20. Februar unentgeltlich arbeiten, die Österreicherinnen bis zum 21. Februar.
Aber was ist die Gender Pay Gap genau, und wie berechnet man sie? Der Begriff löst bei vielen Menschen schon Schnappatmung aus, so viel lässt sich darüber diskutieren. Erst einmal: Es handelt sich um einen statistischen Wert, einen Durchschnittswert, der das große Ganze abbildet. Keineswegs bedeutet die Gender Pay Gap, dass Sie, werte*r Leser*in, entweder genau 19 Prozent mehr oder weniger verdienen, als ihre Arbeitskolleg*innen des anderen Geschlechts.
Aber die Gender Pay Gap zeigt Missstände auf – beispielsweise, dass Frauen oft in schlechter bezahlten Berufen (etwa als Krankenschwestern, Altenpflegerinnen, Erzieherinnen) arbeiten oder als Mütter nur in Teilzeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Aber warum sind diese Berufe schlechter bezahlt? Ist die Arbeit einer Krankenschwester weniger Wert als die eines Bankers? Und warum benachteiligt die Elternschaft Mütter finanziell nachhaltig, während Väter viel weniger negative Folgen spüren?
Gerade die Thematik der Elternschaft und deren Auswirkungen auf die Karriere ist in der Landschaftsarchitektur ein bekanntes Problem. Während die Mehrheit der Studienabgänger*innen weiblich sind, finden sich in den Chefetagen mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen: Nur rund 32 Prozent der Büroinhaber*innen sind weiblich.
Sonderbericht der Bundesarchitektenkammer
Dass das nicht nur daran liegen kann, dass Frauen gerne eine Familie gründen möchten, erklärte uns Tanja Mölders, Juniorprofessorin für Raum und Gender an der Leibniz Universität Hannover, im Februar 2020: „Es sind ja nicht nur Frauen, die Kinder wollen, sondern Paare. Wenn dann die Person, die sich entscheidet, sich um die Kinder zu kümmern und die Stunden zu reduzieren, damit ihre Karriere ruiniert, dann ist das eine Ungerechtigkeit. Gefühlt ist es ein individuelles Problem – die Paare können ja gemeinsam entscheiden, wie sie das handhaben wollen. Getroffen wird diese Entscheidung aber basierend auf strukturellen Faktoren. Da arbeitet beispielsweise der Mann weiterhin Vollzeit, weil sein Gehalt das höhere ist oder weil er in seinem Betrieb nicht auf seinen alten Posten zurückkehren könnte. So wird das strukturelle Problem individualisiert.“ Das gesamte Interview mit Tanja Mölders zum Thema Frauen in der Planung lesen Sie in der G+L 02/20.
Neue Erkenntnisse zur Gender Pay Gap in der Planung liefert die Sonderauswertung der Bundesarchitektenkammer. Sie untersucht geschlechterspezifische Gehaltsunterschiede bei angestellten Kammermitgliedern, wobei sie die Daten aus der Strukturbefragung der Architektenkammern der Länder im Jahr 2020 nutzt. Sie bezieht sich also auf Innen-, Landschafts- und Architekt*innen sowie Stadtplaner*innen, die sich 2019 in einem Anstellungsverhältnis befanden. Insgesamt 9 355 Personen äußerten sich zu ihrem Gehalt.
Gender Pay Gap: Architektinnen auch mal im Vorteil
Soviel zum Datensatz. Aber was hat der Vergleich ergeben? Die Gender Pay Gap in der Planung liegt deutlich über dem deutschen Durchschnitt – der auch schon beachtlich ist: Rund 26 Prozent weniger verdienen Architektinnen und Stadtplanerinnen im Vergleich zu ihren Kollegen.
Der Bericht schlüsselt den Gehaltsunterschied weiter auf. Wenn man aufgrund der Teilzeittätigkeit, die unter den Frauen weiter verbreitet ist, das Gehalt auf Stundenlohnbasis berechnet, beträgt der Unterschied aber immer noch 17 Prozent. Weitere Faktoren, die die Sonderauswertung betrachtet, sind die Art des Arbeitgebers (Planungsbüro vs. gewerbliche Wirtschaft), die Dauer der Berufserfahrung, die Größe des Büros und die Position im Unternehmen.
Besonders interessant: Wenn man alle Faktoren einberechnet, ergibt sich, dass junge Frauen in leitender Tätigkeit in mittleren Büros durchschnittlich etwa zwei Prozent mehr als ihre männlichen Kollegen in der gleichen Situation verdienen. Das ist aber die einzige Kombination der Faktoren, in denen die männlichen Kollegen sich im Nachteil befinden.
Unternehmen in Island zahlen Strafe für Lohnungleichheit
Die Tatsache, dass Frauen deutlich seltener Führungspositionen innehaben, kommentiert der Sonderbericht wie folgt: „Dieses Ergebnis ist weder mit dem höheren Anteil der Teilzeittätigen unter den Frauen, noch mit der im Schnitt geringeren Berufserfahrung weiblicher Angestellter, noch mit der Tatsache zu erklären, dass Frauen häufiger in kleineren Büros tätig sind als Männer. Auch bei Herausrechnung dieser Effekte zeigt sich, dass Frauen überdurchschnittlich häufig in weisungsgebundenen Positionen tätig sind, während Männer überproportional häufig leitende Tätigkeiten ausüben. Da leitende Positionen besser bezahlt werden als weisungsgebundene Tätigkeiten, trägt dieser Zusammenhang zur Gehaltlücke zwischen Männern und Frauen bei.“
Die Bundesarchitektenkammer schließt deshalb, dass „insbesondere das Ergebnis, dass Männer häufiger als Frauen leitende Positionen besetzen, daraufhin überprüft werden [sollte], ob Frauen diese Positionen seltener anstreben oder ob sie seltener an Bewerberinnen vergeben werden.“
Übrigens: Dass es auch anders geht, zeigen die Isländer*innen – der Inselstaat will die Lohnungleichheit bis 2022 komplett eliminiert haben. Dafür hat die Regierung 2018 ein Gesetz eingeführt: Unternehmen müssen nachweisen, dass sie Männer und Frauen gleich bezahlen. Wenn sie das nicht schaffen, zahlen sie dafür Strafen – pro Person und Tag etwa 360 Euro.
Warum sich Frauen in der Planung zu sehr in Sicherheit wiegen, lesen Sie hier.
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