“Entwürfe von Bahnhofsarealen sind alle gleich: schön, funktional, clean.”
Bahnhöfe: Sie sind der zentrale Dreh- und Angelpunkt einer Stadt, ihr Mobilitätszulieferer und -verteiler. Gleichzeitig steht sein Umfeld, das Bahnhofsviertel, in der Regel im Verruf. Es gilt als sozialer Brennpunkt. In der Februarausgabe der Garten+Landschaft diskutieren wir das Phänomen Bahnhofsquartier. G+L Redakteurin Theresa Ramisch darüber, warum wir das Heft gemacht haben, seine Inhalte und Projekte.
Wie heißt es so schön? „Es ist der erste Eindruck, der zählt.“ Wenn das auf unsere Städte zutrifft, könnten eigentlich viele Zugreisende auf dem Absatz kehrtmachen, sobald sie aus der Bahnhofshalle in Richtung Stadt treten. Der ambivalente Charme eines Bahnhofsviertels ist nicht jedermanns Sache. Und auch den Städten sind ihre Bahnhofsareale oftmals ein Dorn im Auge. Frankfurt, München, Stuttgart – die hohe Anzahl von Bahnhofsprojekten bestätigen dies.
Das interessante an den Projekten ist, dass trotz aller Unterschiede die Städte in der Regel die selben Ziele verfolgen: Sie wünschen sich identifikationsstiftende Areale, die als „Visitenkarte der Stadt“ fungieren. Für mich ist das Dampfplauderei. Denn die Entwürfe sind letztlich stets alle gleich: schön, funktional, clean. Von identifikationsstiftenden Maßnahmen keine Spur. Was nutzt uns der schönste Stadteingang, wenn er mit den Menschen, die sich dort tagtäglich aufhalten, die dort leben, nicht harmoniert?
Wir Planer und unser latenter Drang zur ästhetischen Kontrolle. Alles soll geordnet sein, ineinandergreifen und gut aussehen. Dabei lebt doch gerade das Bahnhofsviertel von seiner Vielfalt, von seinem Chaos. Zugegeben, diese Vielfalt ist nicht immer leicht zu ertragen. Verkehr, Spielcasinos und Hotels, Junkies, Obdachlose und Prostituierte – schnell fühlt man sich unsicher, vielleicht sogar überfordert, weil die eigene Realität auf eine unbekannte prallt. Aber es ist diese Vielfalt, die das Bahnhofsviertel zur festen Institution im städtischen Gefüge macht. Als Knotenpunkt, Treffpunkt und Zufluchtsort. Auch für Menschen, die in unserer Realität sonst keinen Platz finden.
“Sie ist nicht leicht zu ertragen, die Vielfalt von Bahnhofsquartieren.”
Aber dies ist kein Abgesang auf die Planung. Es geht vielmehr darum, die bestehenden Strukturen zu schützen, indem man Platz für alle zulässt – für Anwohner, Stadtbewohner und Reisende. Wie das gelingen kann, stellen wir Ihnen im diesem Heft anhand zweier Projekte vor: Das von Townshend Landscape Architects in London gestaltete Bahnhofsquartier von King’s Cross und St Pancras sowie das Bahnhofsareal im niederländischen Arnheim stehen exemplarisch dafür, wie man in Bahnhofsnähe Räume für Menschen schafft, die Aufenthalt und alternative Entwicklungen ermöglichen. Sie sind Beispiele, von denen sich die gerade (an)laufenden Projekte in Augsburg, Dortmund oder Hamburg (ebenfalls im Heft) etwas abschauen können.
Spielt man diesen human-zentrierten Ansatz bis zum Ende durch, entwickelt sich im besten Fall im Bahnhofsquartier eine eigenständige, durch die Menschen vor Ort getragene Identität, die dann wiederum den jeweiligen Bahnhof und sein Umfeld zum USP der Stadt macht. Ergo: Der Planer hat seine Visitenkarte, die Menschen ihre Räume – und alle sind glücklich. Oder?
Interessiert? Hier können Sie die G+L Ausgabe zum Thema “Bahnhofsviertel” bestellen.
Coming up:
In der Märzausgabe der G+L dreht es um das Thema Naturstein und Beton: Bodenbeläge sind das wesentliche Gestaltungsmittel eines Freiraums. Die Textur des gewählten Materials entscheidet über Wirkung und Nutzung eines Ortes. Wir zeigen an Projekten aus dem In- und Ausland wie wirkungsvoll die Materialentscheidung sein kann und was es Neues gibt zum Thema Naturstein und Beton. Das Heft erscheint am 5. März 2019.
Copyright Coverbild vom Dortmunder Hauptbahnhof: Geramond Verlag / Gerhard Launer