07.11.2019

Event

Heilsame Abschiede

Matthias Horx
Matthias Horx

Neue Konzepte um Friedhöfe zu retten, sind notwendig. Dabei wichtig: Raum, der Trauer ermöglicht. Der Kölner Zukunftskongress „Heilsame Abschiede“ am 25. Oktober 2019 versammelte avantgardistische Referenten aus Soziologie, Psychologie, Philosophie, Theologie – und Landschaftsarchitektur. Die Landschaftsarchitekten Constanze Petrow und Bart Brands stellten Lösungsansätze, Leuchtturmprojekte und Erkenntnisse vor.

Wagten einen ganzheitlich-perspektivischen Blick auf die Räume der Trauer und die absolute Bedeutung des Ortes: (v.l.) David Czasny, Matthias Horx, Prof. Dr. Dr. Michael Lehofer, Dr. Thomas Schnelzer, Birgit Aurelia Janetzky und Prof. Dr. Constanze Petrow bei der abschließenden Gesprächsrunde (Foto: Thomas Schlorke / Blaurock Markenkommunikation)
Debattierten über die Trends der Anonymisierung, der Individualisierung und der Säkularisierung: (v.l.) Matthias Horx, Dr. Dirk Pörschmann, Marc Templin, Prof. Dr. Birgit Wagner, Dr. Thorsten Benkel und David Roth (Foto: Michael Spohr)

Friedhof noch nicht neu erfunden

In einer erzkatholischen Location, dem Tagungszentrum des Erzbistums Köln ging es unter der Moderation des Zukunftsforschers Matthias Horx eher säkular zu bei der Aufarbeitung des Themas „Vom Wandel der Trauerkultur im Zeitalter der Individualität“. Horx, dessen Zukunftsinstitut den Kongress „Heilsame Abschiede“ am 25. Oktober 2019 – der unter ideeller Trägerschaft der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. stand – kuratiert hatte, diskutierte mit einem illustren Kreis avantgardistischer Referenten aus Soziologie, Psychologie, Philosophie, Theologie und eben auch Landschaftsarchitektur. Es ging um die Realitäten von Trauern, Friedhof und Abschied nehmen sowie über „die neue Trauer in ihren Aspekten“.

Mit dabei – als Vertreter des Themas aus landschaftsarchitektonischer Sicht: die Landschaftsarchitektin Constanze Petrow und der holländische Landschaftsarchitekt Bart Brands. Die beiden stellten Lösungsansätze, Leuchtturmprojekte und Erkenntnisse aus der Arbeit mit ihren Studenten sowie Ideen für künftige Planungen und Vorgehensweisen vor.

Dass Friedhöfe sich öffnen müssen für neue Konzepte, darüber waren sich alle Teilnehmer einig. Constanze Petrow etwa forderte den gerade auch kulturhistorisch so wertvollen Friedhof zu retten. „Es ist unsere Aufgabe“ so die Professorin für Freiraumplanung an der Hochschule Geisenheim, „hier Neues zu wagen und auszuprobieren. Noch haben wir ihn nicht neu erfunden.“
Wie dies beispielsweise aussehen kann, zeigte Bart Brands mit seiner Revitalisierung des Amsterdamer Friedhofes „De Nieuwe Ooster“, den er wie Barcode-Streifen in Parzellen mit unterschiedlichen Regeln unterteilt hat. Sein Credo lautet: „Alles muss möglich sein, aber nicht alles überall“. Constanze Petrow präsentierte darüber hinaus aktuelle studentische Strategien zur Weiterentwicklung des Friedhofs. Und sie stellte den soeben gestarteten Wettbewerb „Raum für Trauer – Ideen für den Friedhof der Zukunft“ für Nachwuchsplaner vor, im Rahmen dessen geeignete Orte auch als räumliche Situationen auf dem weltgrößten Parkfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf gestaltet werden sollen, die individuelle oder gemeinschaftliche Rituale und Handlungen des Abschiednehmens ermöglichen.

Begegnung respektvoll ermöglichen

Petrow hatte in einem Forschungsprojekt herausgefunden, dass sich im Spannungsfeld des Friedhofes zwischen privatem Raum am Grab und dem öffentlichen Raum eine lose Gemeinschaft an formellen und informell genutzten Begegnungsräumen wie etwa den Wasserstellen bildet, die bis heute überhaupt nicht bedient werde. Diese räumlich ungelöste Situation gilt es ihrer Meinung nach zu überwinden um soziales Miteinander zu fördern, beispielsweise mit begegnungsfähig angeordneten Sitzgelegenheiten. Wichtig sei dabei allerdings, die unterschiedlichen emotionalen Zustände der Friedhofsbesucher zu respektieren und in der architektonischen Umsetzung zu berücksichtigen.

Offene Themen

Obgleich der Zukunftskongress bereits thematisch überfrachtet von einem Themenfeld zum nächsten schwappte, fehlten doch wichtige Facetten wie etwa die Sichtweisen der verschiedenen auf dem Friedhof beschäftigten Gewerke sowie der Blick auf die massiv zunehmenden Begräbnisse von Menschen aus anderen Kulturräumen, insbesondere des islamischen Glaubens. Ließen diese – ebenso wie die aus Ost- und Südosteuropa stammenden Christen – ihre Toten früher zu etwa 70 Prozent in der ehemaligen Heimat und nur zu 30 Prozent in Deutschland bestatten, so hat sich dieses Verhältnis mittlerweile umgekehrt.

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