Horst Seehofer hält hingegen im offiziellen Statement an der Struktur des Katastrophenschutzes fest, wie er bei seinem Besuch der Steinbachtalsperre in Euskirchen mitteilte. Und auch die Bundesregierung definiert die Kritik laut einer Sprecherin als verfrüht. Man kümmere sich zunächst weiterhin um die Rettung von Menschen.
Ebenso wies auch Armin Schuster, Leiter des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die Kritik zurück. Dem ZDF sagte Schuster die Warninfrastruktur habe funktioniert und der Deutsche Wetterdienst mit 150 Warnmeldungen relativ gut gewarnt. Mehr zu den unterschiedlichen Stimmen lesen Sie hier.
Stadtplanung: Andrea Gebhard sieht Kommunen und Länder nun in der Pflicht
In ihrem Interview beim Deutschlandfunk forderte die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker eine andere Stadtplanung. Sie nahm dabei konkret Bezug auf die Modelle der wassersensiblen Stadt und der Schwammstadt. Das Überschusswasser dürfe die Kanalisation nicht überfordern. Dementsprechend müsse es schnell abgeführt werden, so Messari-Becker. Für den Wiederaufbau müsse man zudem große Grünflächen einplanen, Rückbauten wären dabei unabdingbar. Die Kanalisation müsse angepasst und Rückhaltebecken eingeplant werden. Man müsse lernen mit der Natur zu bauen – nicht gegen sie, so die Bauingenieurin.
„Landschaftspläne müssen einen anderen Stellenwert erhalten“
Ähnlich sieht das auch die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer Andrea Gebhard. Die Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin übernahm im Mai 2021 die BAK-Präsidentschaft. Im Gespräch mit der G+L zu der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sagte die oberste Repräsentatin der deutschen Architekt*innenschaft: „Wir müssen mit unseren Flächen anders umgehen. Wir brauchen Retentionsräume, müssen den Flusslauf von Anfang bis Ende analysieren und uns die Siedlungsräume genauer anschauen. Wie in anderen Ländern auch, wird in Deutschland in Räumen gesiedelt, die aus Sicht des Hochwasserschutzes eigentlich nicht besiedelbar sind. Der Umbau einer Stadt sollte immer Hochwasser- und Klimaschutz ebenso wie die Erholungsvorsorge und die Biodiversität beinhalten. Dahingehend ist es unerlässlich, viel mehr in die konzeptionelle Arbeit einzusteigen, aber auch in die formale Arbeit. Zum Beispiel müssen Landschaftspläne einen ganz anderen Stellenwert erhalten, weil gerade sie die Gesamtflächennutzung betrachten.“
„Wir als Gesellschaft müssen handeln“
Allem voran seien laut Andrea Gebhard die Behörden nun in der Pflicht die Chance zu nutzen – und auch Flächennutzungspläne, Landschaftspläne, Bebauungspläne und Grünordnungspläne genauso wie integrierte Stadtentwicklungskonzepte, auf die Herausforderungen anzupassen. „Ich praktiziere Stadtplanung und Landschaftsarchitektur seit über 30 Jahren. Wir haben die Themen immer wieder diskutiert, die Gefahren und Chancen benannt, aber ihre Relevanz wurde teilweise nicht anerkannt. Nun trifft uns diese Relevanz mit voller Kraft. Wir als Gesellschaft müssen handeln“, so Andrea Gebhard.
„ACT NOW“ – dass wir im Zuge des Klimawandels dringend handeln müssen, das ist auch Thema der Juliausgabe 2021 der G+L. In der gastkuratierten Ausgabe ruft das Planungskollektiv bauchplan ).( dazu auf, sich jetzt aktiv für das Schaffen einer klimagerechten Zukunft einzusetzen. Mehr zu der G+L-Ausgabe ACT NOW lesen Sie hier.