Ein Gerüst schafft Platz
Diesmal nicht blau-gelb, riesig, monofunktional und in Stadtrandlage präsentiert sich das neue Ikea-Kaufhaus in Wien. Sondern luftig, mit begrünter Fassade, gemischter Nutzung sowie freundlich zum urbanen Umfeld. Mag sein, dass Querkraft Architekten ein Prototyp für das Großkaufhaus des 21. Jahrhunderts gelungen ist. Hier stellen wir Ihnen das Projekt vor.
Als der schwedische Möbelriese vor etlichen Jahren das Ansinnen hatte, neben den bereits bestehenden Möbelhäusern im Süden und Norden der Stadt ein weiteres im Westen zu errichten, gab die Stadt Wien, deren Planungsressort damals die Grünen innehatten, neue Spielregeln vor: ja zu einem neuen Ikea in Wien, aber nur zu einem Gebäude, das keinerlei zusätzlichen Autoverkehr induziert.
Ein Standort fand sich direkt neben dem Westbahnhof; dort musste das wegen seiner Fassadenfarbe sogenannte „Blaue Haus“ weichen, das zu Zeiten der Monarchie Ende des 19. Jahrhunderts als Verwaltungsbau der Staatseisenbahndirektion errichtet, später für Wohnzwecke adaptiert und bei einer Sanierung in den 1950er-Jahren seines Fassadenschmucks entledigt wurde. Der Abbruch der zwar nicht mehr sehr ansehnlichen, aber alles andere als baufälligen Substanz stieß auf Proteste. Er bot schließlich aber auch die Chance für die Aktivierung einer vernachlässigten Ecke am Anfang des äußeren, jenseits der Gürtelstraße um die innerstädtischen Bezirke gelegenen Teils der Mariahilfer Straße. Aus einem mehrstufigen geladenen Wettbewerbsverfahren ging das Projekt der für pragmatische Gebäude mit Esprit bekannten Querkraft Architekten hervor.
„We want to be a good neighbour“ war das Briefing für den Wettbewerb. Die Wiener Architekt*innen legten ihr Konzept so an, dass später auch andere Nutzer*innen gute Nachbar*innen sein könnten. Denn neben Ikea gab es auch vier Geschäfte, die bereits im Vorgängerbau in der Erdgeschosszone angesiedelt waren. Dazu kam dann in den Obergeschossen ein Jo & Joe-Hostel des Accor-Konzerns. Mit einem Stützenraster von zehn mal zehn Metern und ausschließlich entlang der Außenwände angeordneten Versorgungschächten bleiben die Geschossebenen frei disponierbar. Rundum erhielt das Gebäude eine – wie die Architekt*innen es nennen – „Aura“ in Form eines Gerüsts aus weißen Stahlträgern. Partiell nimmt diese 4,3 Meter tiefe Schicht Treppen Aufzüge und Sanitärblöcke auf.
Ansonsten bespielten Querkraft Architekten sie wie ein riesiges Regal. Manche Fächer wurden zu Balkonen, Loggien oder Schaufenstern, manche blieben frei oder wurden mit Bäumen und Sträuchern in riesigen Töpfen bestückt – sie bilden das signifikanteste Erkennungsmerkmal des Gebäudes. Die Stadtplanung forderte die Errichtung einer Arkade mit vier Metern Höhe und ebenso viel Tiefe entlang der Mariahilfer Straße, um die bislang beengte Situation im Wartebereich der Straßenbahnhaltestelle zu verbessern. Mit dem Regalkonzept erhielt sie viel mehr: Durch das Zurücksetzen des geschlossenen Gebäudevolumens von der Baufluchtlinie entstand mehr Distanz zu den Nachbar*innen und zugleich mehr öffentlicher Raum, der im Gegensatz zu einer Arkade durch das offene Gerüst nach oben nicht begrenzt ist.