03.12.2020

Projekt

„Die IBA Basel ist die IBA der Zukunft“

Jean Rapp ist seit August 2017 Generaldirektor der Agence Départementale d’Aménagement et d’Urbanisme du Haut-Rhin (Foto: ADAUHR).

Als IBA im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz ist die IBA Basel 2020 die erste grenzüberschreitende und somit InternationaleBauausstellung. Mit ihrer Hilfe sind auf politischer, institutioneller, raumplanerischer und kultureller Ebene neue, grenzüberschreitende Verbindungen entstanden, die den Metropolitanraum Basel noch näher zusammengebracht haben. Ihr Weg war nicht immer einfach, ein Abenteuer für alle Beteiligten. Warum hat es sich dennoch gelohnt? Das haben wir in vier Gesprächen langjährige IBA-Wegbegleiter gefragt. Darunter auch Jean Rapp, Generaldirektor der Agence Départementale d’Aménagement et d’Urbanisme du Haut-Rhin (Adauhr).

Jean Rapp ist seit August 2017 Generaldirektor der Agence Départementale d’Aménagement et d’Urbanisme du Haut-Rhin (Foto: ADAUHR).

“Wir brauchen ein neues Stadtmodell”

 

Jean Rapp, welche Hoffnungen und Erwartungen hatte die französische Seite an die IBA Basel?

Der französische Teil der Agglomeration galt lange Zeit als das Stiefkind der Region. Vor allem die wirtschaftliche Dynamik Basels und die Wirtschaftskraft Deutschlands lassen wenig Entwicklungsraum für weitere Gemeinden. Diese werden oft nur als Wohngebiete betrachtet. Als man die IBA Basel ausrief, war klar, dass die Agglomeration nicht mehr im Rahmen von drei verschiedenen Organisationen und Paradigmen funktioniert, die für jede Kultur, jede Nation spezifisch sind. Vielmehr ging es darum zu wagen, anders zu denken, zum Wohle aller, ohne dem anderen die Butter vom Brot zu nehmen. „Allein geht man schneller. Zusammen geht man weiter“, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Der Satz veranschaulicht den Ausgangspunkt und die Philosophie der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Dreiländergebiet.

Würden Sie die IBA Basel als Abenteuer für die Projektbeteiligten bezeichnen?

Auch wenn die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Agglomeration nicht neu ist, war die IBA Basel –das Zusammenbringen der drei Länder, drei Kulturen und verschiedenen Sprachen – ein großes Abenteuer. Offiziell sind es ja zwei Sprachen, aber in der Realität ist die Agglomeration mehrsprachig und selbst das Hochdeutsche des Bundes ist anders als Alemannisch, Schwiizerdütsch oder gar Baseldütsch.

Die Planungsprozesse sowie die Stadtplanung, die Architektur, die Verwaltung öffentlicher Räume, insbesondere der öffentliche Verkehr der drei Länder, sind sehr unterschiedlich und müssen weiter noch vereinheitlicht werden. Es ist auch notwendig, unterschiedliche kulturelle und landschaftliche Gegebenheiten zu berücksichtigen. Diese erfordern die Erfindung eines neuen Stadtmodells, das innovativ ist und von allen akzeptiert wird. Die Veränderungen müssen auf Dauer angelegt werden, und die Bevölkerung soll in diese Prozesse einbezogen werden. Wir müssen Top-down-Ansätze vermeiden und grenzüberschreitende Instrumente für die Zusammenarbeit finden.

“Die IBA Basel ist auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet”

Was zeichnet Ihrer Meinung nach die IBA Basel aus?

Einerseits natürlich, dass es die erste IBA ist, die in drei Ländern aktiv ist. Es sind drei verschiedene Kulturen mit dem sehr großen Ehrgeiz, ein gemeinsames Schicksal für ein Gebiet zu schaffen, das seit mehreren Jahrhunderten durch die Geschichte geteilt wird. Die IBA Basel ist meiner Meinung nach ebenso die erste IBA, die keine IBA der Rückeroberung oder des Wiederaufbaus ist. In dieser Region scheint es oberflächlich so, als wäre alles in Ordnung. Diese IBA ist viel subtiler als andere Projekte, die mit sehr großen Budgets – vor allem von den Ländern und vom Bund – unterstützt wurden. Ziel unserer IBA ist es, eine gemeinsame Identität aufzubauen und der Bevölkerung sowie den Vertreter*innen zu zeigen, dass die Zukunft und Lebensqualität dieser Region nicht auf Kosten eines Landes, eines Bezirks oder seiner Bewohner*innen erreicht werden kann.

Der IBA Basel wird immer wieder vorgeworfen, nicht mit den deutschen IBAs mithalten zu können. Ihr werden zu wenig Bauaktivitäten vorgeworfen. Wie stehen Sie zu der Kritik?

Die Kritik, die vor allem von deutschen Intellektuellen und Forscher*innen kommt, ist durchaus berechtigt. Diese IBA ist anders und meiner Meinung nach wahrscheinlich die IBA der Zukunft. Sie ist eine IBA, die mehr auf kollektive Intelligenz, Synergien und Bevölkerungsdynamik setzt als auf reichlich finanzielle Mittel. Die IBA Basel ist auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet, in dem Sinn, dass sie ein soziales Projekt für die Bevölkerung ist und kein beeindruckendes Projekt, das auf einer Vermögensstrategie basiert. Ein anspruchsvoller und komplexer Prozess – insbesondere, wenn man ihn auf grenzüberschreitender Ebene betrachtet.

 “Wir brauchen Projekte um weiter voranzukommen”

Welches IBA Basel Projekt steht Ihrer Meinung nach für die Ziele der IBA Basel 2020 und wieso?

Für mich ist es ein kleines Projekt, das ich besonders repräsentativ finde: Die Neugestaltung der Domaine Haas in Sierentz. Mit der Mediathek und den kulturellen und landschaftlichen Elementen zeigen die IBA Projektträger, dass es möglich ist, lokale Projekte umzusetzen und gleichzeitig über ihre Auswirkungen auf die gesamte Agglomeration nachzudenken. Das Erholungsgebiet, das französische, deutsche und angelsächsische Kultur verbindet, vermittelt das Bild einer offenen, verbundenen und einladenden Region.

Welchen Herausforderungen muss sich die Region nun im Zuge der Verstetigung stellen? Wie gelingt dies?

Meiner Meinung nach müssen wir ein Thema finden, das es gewählten Vertreter*innen sowie der Bevölkerung ermöglicht, weiterhin gemeinsam zu denken. Oft glauben wir nur das, was wir sehen. Wenn wir wollen, dass diese IBA ein wirklicher, dauerhafter Erfolg wird, müssen wir aus diesen zehnjährigen Überlegungen lernen und sie in einem starken, symbolischen Projekt umsetzen. Im Zuge der IBA gilt es, die Zweifler*innen zu überzeugen und gleichzeitig möglichst vielen Menschen zu zeigen, dass in der Region Basel zusammengearbeitet werden muss. Ich glaube nicht an ein Datum oder eine Institution, sondern eher an einen Geisteszustand. Aber um weiter voranzukommen, brauchen wir Projekte, Austausch und konkrete Aktionen.

“Es geht um die Welt, in der wir leben”

In der Corona-Krise preschten viele europäische Länder mit Einzelmaßnahmen vor. Die IBA Basel steht für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Wie lief das Krisenmanagement in der trinationalen Metropolregion ab? Sind Ergebnisse des Formats in der Krise spürbar?

Ich arbeite in Colmar (F) und wohne in Huningue (F). Während der Ausgangssperre in Frankreich musste ich in Huningue bleiben, das am Rhein und nah zum Novartis-Campus in Basel liegt. Es war eine sehr merkwürdige und frustrierende Situation – insbesondere für jemanden, der in den Straßen von Basel Fahrrad fahren gelernt hat und oft an den Hängen des Hochblauen wandert.

Es war eine einmalige Situation. Aber ich werde nicht die Großzügigkeit Deutschlands und der Schweiz vergessen, die durch die Aufnahme französischer Patient*innen Leben gerettet haben. Also ja, wenn man mitten in einer internationalen Agglomeration lebt, ist der Unterschied deutlich zu spüren, wenn die Grenzen plötzlich geschlossen sind. Es geht natürlich nicht nur um die IBA, sondern um die Welt, in der wir leben. Das Ziel für das nächste Jahrzehnt sollte darin bestehen, weiterhin konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um voranzukommen und ein echtes, für die Einwohner*innen konzipiertes territoriales Projekt zu verwirklichen.

“Pragmatismus muss fortgesetzt werden”

Zum Abschluss: Hat sich das Abenteuer „IBA“ gelohnt?

Ich betone noch einmal, dass Abenteuer und Erfahrungen unverzichtbar sind, schon allein deshalb, weil sie uns neue Wege eröffnen, denen wir folgen können. Sie erinnern uns auch daran, dass die Menschen konkrete Aktionen brauchen, um ein anspruchsvolles Projekt in Angriff zu nehmen.

Die Zukunft der Agglomeration und der Aufbau eines neuen Stadtmodells erfordern gemeinsame Prozesse und Versuche. Ihre Zukunft hängt von konkreten Fortschritten ab, die für alle sichtbar sein müssen. Insofern muss der Pragmatismus, der den Deutschen, Schweizer*innen und Elsässer*innen am Herzen liegt, fortgesetzt werden.

Jean Rapp ist seit August 2017 Generaldirektor der Agence Départementale d’Aménagement et d’Urbanisme du Haut-Rhin (Adauhr).

Warum wir eine IBA-Basel-Serie gestartet haben? Das lesen Sie hier.

Sämtliche Beiträge zur IBA Basel 2020 finden Sie hier.

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