08.07.2021

Projekt

Landesgartenschau Bad Iburg

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Die niedersächsische Landesgartenschau Bad Iburg war 2018 ein finanzieller Erfolg. Auch in der Gemeinde hat die Landesgartenschau Bad Iburg eine belebende Dynamik ausgelöst. Was bis heute davon geblieben ist – ein kritischer Zustandsbericht.

Die Landesgartenschau Bad Iburg am Teutoburger Wald fand unter schwierigen Bedingungen statt. Zu-, Ab- und wieder Zusagen seitens der Gemeinde hatten die Planungs- und Bauzeit erheblich zusammenschrumpfen lassen. Ränkeleinen in der Politik und eine daraus folgende Bürger*innenbefragung zur Landesgartenschau Bad Iburg waren dem Klima in der Stadt nicht gerade zuträglich. Und schließlich fand die Landesgartenschau Bad Iburg dann noch im ersten der drei zurückliegenden Dürrejahre statt. Dies bedeutete für das Erscheinungsbild einer solchen Veranstaltung eine besondere Herausforderung. Doch Iburg meisterte das alles recht beeindruckend. (Übrigens: Mehr zum Thema Gartenschauen finden Sie hier.)

Plan: A24 Landschaft

Landesgartenschau Bad Iburg: 800 000 Euro Plus

In der Region ansässige Landschaftsbauer bewgten in Rekordzeit Erde. Sie bauten Wege, pflanzten Bäume und entsorgten zwischendurch noch Altlasten. Eine quirlige Öffentlichkeitsarbeit hatte Bürger*innen und ansässige Wirtschaft auf die Segnungen der Schau eingeschworen. Dem Grün zugetane Vereine und Initiativen packten mit an. In Iburg schien für sechs Monate die Sonne – bis in die Herzen hinein. Und angesichts dessen, was an gärtnerischen und landschaftsarchitektonischen Highlights geboten beziehungsweise nicht geboten wurde, war es höchst erstaunlich. Hunderttausendfach kamen Menschen. Die Stadt ging mit einem Plus von 800 000 Euro aus der Veranstaltung heraus.

Gartenschau-Baumwipfelpfad in der Kritik

Noch heute nach der Landesgartenschau Bad Iburg profitiert die Stadt definitiv von den qualitativen Veränderungen der Raumsituation zwischen Kurpark und Schloss. Der Bereich um den Charlottensee unter dem darüber thronenden Schloss wurde saniert. Man geht auf und sitzt an breiten Wegen im aufgeräumten Park. Auf der neuen Fußgängerbrücke kommt man unbeschwert in den waldigen Kurpark, seinerzeit Teil des Gartenschaukonzeptes. Unter anderem galt es, ihn besser an die Stadt anzubinden. Die mächtigen Bäume dort können nichts dafür, dass sich langsam Katerstimmung in Iburg breitmacht, wenngleich sie paradoxerweise zu den Ursachen gehören. Denn ohne Bäume kein Baumwipfelpfad.

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Hier finden Sie ein Video zum Rundgang auf der Landesgartenschau Bad Iburg am Teutoburger Wald.

Acht Euro für den Baumwipfelpfad-Besuch

Auf diesem Pfad ruhte die Hoffnung von Iburgs Verwaltungsspitze und den Politiker*innen, die für die Landesgartenschau Bad Iburg waren. Aus Mangel an Attraktionen hatte man (außerhalb des Gartenschaubudgets) den Bau des 439 Meter langen Pfades durch die Baumkronen in Auftrag gegeben. Man sammelte dafür Fördergelder und nahm Kredite auf. Es dürfte zutreffen, dass sich ohne Baumwipfelpfad im Show-Jahr weniger Menschen auf den Weg ins Kurstädtchen gemacht hätten und damit der Gewinn schmaler ausgefallen wäre. Doch die Hoffnung, dass sich der durchaus beeindruckende Steg auch nach 2018 als Besucher*innenmagnet in der Region Osnabrück erweisen würde, hat sich nicht erfüllt. Während die Gartenschaufläche heute frei zugänglich ist, kostet der Spaziergang in luftiger Höhe stolze acht Euro. Wer das einmal gemacht hat, überlegt sich eine Wiederholung.

Foto: Detlef Fries

„Chill & Cook“ für Baumwipfelpfad

Baumwipfelfreunde aus dem Ruhrgebiet und dem Münsterland, die man damit langfristig anlocken wollte, kamen bei weitem nicht in der prognostizierten Zahl. Übrig bleiben nun die Schulden für die Investition plus laufende Kosten für Pflege und Unterhaltung. Seit Einweihung des Pfades bemängelten seine Befürworter*innen, dass keine Gastronomie im oder am Turm, in dem der Aufzug untergebracht ist, angesiedelt worden ist. Nun soll das „Jagdschlösschen“, nicht weit davon entfernt, unter dem Motto „Chill & Cook“ gastronomisch wiederbelebt werden. Betreiberin ist die Stadt, geplante Öffnungszeiten der „Försterei am Baumwipfelpfad“ mit Biergarten: 10-18 Uhr, die angebotenen Speisen werden vorgekocht und auf Bestellung aufgewärmt. Ob daraus eine Win-Win-Situation für Gastronomie und Baumwipfelpfad wird, kann angezweifelt werden. Vielmehr scheint die nächste Pleite vorprogrammiert. In Iburg macht man sich schon lustig über den Koch, der ab 18 Uhr chillen kann.

Pflegemangel auf Landesgartenschauareal?

Der Weg durch die Baumkronen ist vermutlich der einzige, auf dem sich dem Besucher*innen des ehemaligen Geländes der Landesgartenschau Bad Iburg keine Mängel im Nachnutzungskonzept offenbaren. 800 000 Euro Gewinn lassen auf den ersten Blick vermuten, dass viele Jahre lang ausreichend Geld für Pflege und Unterhaltung der neuen Freiflächen vorhanden sind. Doch Spurrillen und Auswaschungen in den wassergebundenen Wegen, in die von außen Rasen wächst und in denen sich Kräuter ansiedeln, deuten ebenso auf Pflegemangel hin wie Lücken oder Unkraut in den verbliebenen Beeten.

Foto: Stefan Leppert
Foto: Stefan Leppert
Foto: Stefan Leppert
Foto: Stefan Leppert

Landesgartenschau Bad Iburg: bröckelndes Engagement

 

Pflegedefizite können auf einem Mangel an Geld beruhen, auch auf fehlender Sensibilität. Doch scheint Punkt 1 zuzutreffen, so rätselhaft das auch sein mag, denn hier und da stechen rosa Schilder mit der Zeile „Hätten Sie es gewusst?“ ins Auge. Sie weisen darauf hin, dass Ehrenamtliche die Pflege der betreffenden Pflanzfläche übernommen haben. Die enorme Polarisierung während der Auseinandersetzung für oder gegen die Landesgartenschau Bad Iburg hat eine Schar tatkräftiger Helfer*innen hervorgebracht, die heute in lobenswerter Weise das Schlimmste verhindern. Doch würde mittlerweile das Engagement bröckeln, ließ ein gut informierter Iburger Rentner hören, der im Park seinen Hund ausführte.

Fehlende Perspektive für Gartenschaugelände

Die Idee, engagierte Bürger*innen für die Grünflächenpflege zu begeistern und damit die gestiegene Lebensqualität durch mehr Grün dauerhaft zu sichern, hat etwas Charmantes. Doch bleibt ehrenamtliches Engagement erfahrungsgemäß nur am Leben, wenn seine Arbeit erkennbar bleibt und die Mängel nicht allzu deutlich werden. Diese Mängel sind jetzt nicht zu übersehen, was keinesfalls den Ehrenamtlichen anzulasten ist. So sind Pflegedefizite das Eine, fehlende Perspektiven für die Folgenutzung das Andere.

Foto: Stefan Leppert
Foto: Stefan Leppert

Schotterplatz statt Gartenschauzelt

 

Ein Teil der Landschaftsbauer, die den Bau ihrer Themengärten größtenteils selbst bezahlt hatten, haben ihre Gärten längst wieder abgebaut. Andere wiederum spendeten sie der Stadt, in der Annahme, sie würden gepflegt und als Visitenkarte dienen. Hier zeigt sich ein Vorteil, dass die Mehrzahl dieser Gärten „pflegeleicht“ gebaut worden war. Aufgrund der durch die „geflüchteten“ Landschaftsbauer entstandenen Lücken liegt dieser Geländebereich nun seltsam verwaist da. Dürre Zweige stehen aus den Zypressen hervor. Algen drängeln sich im Wasserbecken. Unkundige könnten den Eindruck gewinnen, dass die Landschaftsbauer, deren Schilder an den noch vorhandenen Gärten stecken, sich nicht darum kümmern. Dort, wo ein Gartenschauzelt gestanden hat, ist ein Schotterparkplatz entstanden. Hier scheint es an Willen und Geld zu fehlen, die Lücken mit Qualität zu schließen und damit wieder Aufenthaltsqualität herzustellen.

Bürgermeisterin bereit Weggang vor

Das Thema Geld erhält berechtigterweise viel Aufmerksamkeit. Die grüne Bürgermeisterin, eiserne Kämpferin für die Landesgartenschau Bad Iburg, bereitet mittels der Kommunalwahl im Herbst 2021 ihren Wechsel ins Rathaus von Osnabrück vor. Sie wäre nicht die Erste der Hauptverantwortlichen, die seinerzeit die Schau durchgefochten hatten und dann die Gemeinde verlässt.

Verloren gegangene Tourist-Information

Eine Stärkung der sehenswerten historischen Innenstadt ist nicht zu erkennen. Nutznießer*innen seien vor allem „die Kebapbude, die Eisdiele und die Pommesschmiede“, so der kundige Rentner mit Hund. „Die eingesessenen Geschäfte spüren nicht viel davon, außerdem kein Geld mehr da für die Sanierung der Grundschulen oder das neue Feuerwehrhaus. Noch nicht mal Geld für Kotbeutel für den Hund. 1 000 Stück kosten 50 Euro. Katastrophe!“ Ein bezeichnendes Beispiel dafür, dass das Superevent Gartenschau die Gemeinde mittelfristig eher entkräftet als befeuert, ist ein Banner mit einem undeutlichen Wegweiser zur Tourist-Information. Die war vor der Schau in der Innenstadt angesiedelt, mit der Landesgartenschau Bad Iburg auf das LGS-Gelände umgezogen und ist bis heute aus der historischen Kernstadt verschwunden.

Kampfgeist von 2018 jetzt gefragt

Bad Iburg scheint knapp bei Kasse, was bestimmt nicht der Landesgartenschau Bad Iburg anzulasten ist. Doch um ihre Errungenschaften zu erhalten und auf Dauer zu retten, sind neue Pläne gefragt und ein gemeinsames Engagement aus der Bürgerschaft. Durch den Abgang der Bürgermeisterin könnten sich neue Kräfte entfalten und Chancen auftun. Es ist durchaus denkbar, dass viele Iburger*innen wie schon 2018 Kampfgeist beweisen und in die Hände spucken. Es braucht Visionen für die heimische Wirtschaft, das soziale Miteinander, für die Grundschule und das Feuerwehrhaus, für die Stärkung des Ehrenamtes – und für das Gelände der Landesgartenschau Bad Iburg. Die Themen drängen sich auf.

In der Juliausgabe 2018 der Garten+Landschaft stellen wir alle Gartenschauen von 2018 vor.

Auch interessant: In Niedersachsen arbeitet man gerade an der nächsten Landesgartenschau – in Bad Bevensen.

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