13.09.2021

Projekt

Klimagerechtes Quartier für Lerchenfeld, Freising

Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli und Laura Michanickl von der Fachhochschule Weihenstephan-Triesdorf entwarfen ein kommunikatives und nachhaltiges Quartier für das von Flächendruck geplagte Freising.
Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli und Laura Michanickl von der Fachhochschule Weihenstephan-Triesdorf entwarfen ein kommunikatives und nachhaltiges Quartier für das von Flächendruck geplagte Freising.

Im bayerischen Freising herrscht Flächendruck. Die Anzahl vorhandener Bauflächen ist überschaubar, der Wohnungsmarkt ist ausgeschöpft. Das stellt die Stadt, die als eine von acht Musterkommunen für das Pilotprojekt „Klimagerechter Städtebau“ ausgewählt wurde, vor Herausforderungen. Wo, mit welcher Dichte und unter welchen klimarelevanten Aspekten sollen neue Stadtquartiere entstehen? Für die Studierenden der Landschaftsarchitektur der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf wurde die erste Frage beantwortet – die anderen Lösungen mussten sie selbst finden. Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli und Laura Michanickl stellen ihren Entwurf für ein klimagerechte Quartier im Lerchenfeld, Freising, vor.


Lerchenfeld, Freising: Projektgebiet und Analyse

Es ist das vierte Semester des Studiengangs Landschaftsarchitektur der Hochschule Weihenstephan. Im Rahmen des Kurses „Planen und Entwerfen“ hat es sich die Projektgruppe, bestehend aus vier Studierenden (Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli, Laura Michanickl), zur Projektaufgabe gemacht, den freien Bereich Stadtteil Lerchenfeld in Freising, in unmittelbarer Nähe zum neuen Freibad „fresch“ sowie dem nicht weit entfernten Lerchenfelder Zentrum, in einen kommunikativen Wohnkomplex zu verwandeln. Wichtiger Eckpfeiler ist dabei die Berücksichtigung des klimagerechten Städtebaus. Ebenfalls von immenser Bedeutung für dieses Projekt sind Nachhaltigkeit und die modernen städtebaulichen Prinzipien.

Ein zeitgemäßer Wohnkomplex beinhaltet eine differenzierte Zielgruppe. Für ein gemeinschaftliches Zusammenleben empfindet es die Projektgruppe als essenziell, dass auch sogenannte „Kombinationsmöglichkeiten“ wie zum Beispiel Lebensmittelläden und gemeinschaftliche Einrichtungen in den Wohnkomplex integriert sind. Genauso wichtig ist der Projektgruppe auch ein bewusster Umgang mit der Zonierung der Öffentlichkeit sowie der Funktionalität bis hin zur Multifunktionalität. Bei der Erschließung der Räume zwischen den Häusern sollte auf ein Zusammenspiel mit dem kommunikativen Wohnkonzept geachtet werden.

Das Projektgebiet befindet sich in der Stadt Freising in Bayern und hat eine Fläche von rund 18 500 Quadratmetern. Zu den Anwohner*innen gehören Familien, Ehepaare und Rentner*innen. Südlich des Planungsgrundstücks sieht man die räumlich nächste Kirchturmspitze der katholischen Kirche St. Lantpert. Nach Nord-Westen hat man einen außergewöhnlichen Blick auf die Domtürme von St. Maria und St. Korbinian und das Freisinger Erlebnis Schwimmbad gleich um die Ecke. Zwar gibt es nur wenige kleine Grün- oder Parkflächen in der näheren Umgebung, dafür aber größere Freianlagen in guter Fahrraddistanz.

Der erste Schritt vor der Planungsphase ist die Analyse des Gebietes. Dies geschieht in verschiedenen Gruppen nach bestimmten Themen. Ziel dieser Analyse ist es, sich mit dem Gebiet vertraut zu machen, um vor der Planung wichtige Grundlagen zu sammeln.

Städtebauliches Konzept für Lerchenfeld, Freising

Um den städtebaulichen Prinzipen zu entsprechen, hat die Projektgruppe den modernen Wohnkomplex aus einer seitlichen Parallelen des Angerbachs entwickelt. Entstanden sind dabei zwölf Gebäude, die sich in ihren Nutzungen, Höhen sowie Formen unterscheiden. Die unterschiedlichen Gebäudeformen ergeben eine abwechslungsreiche und moderne Struktur des Wohngebietes. Durch die sorgfältige Analyse der Umgebung ergeben sich verschiedene Gebäudehöhen, durch die sich das Projekt wie eine Hügelkette in das Gebiet einpasst.

Zur wohnlichen Nutzung bestehen acht Gebäude, die zum Teil auch wirtschaftlich genutzt werden können, etwa für einen Unverpackt- oder Fahrradladen. Die Dächer sind alle multifunktional geplant, beispielsweise als Dachgarten, Ruhezone oder zur grünen Energiegewinnung.

Das Projektgebiet hat eine Fläche von 18 500 Quadratmetern und soll bis zu 282 Menschen Wohnraum bieten. Das Quartier ist autofrei geplant. (c) Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli und Laura Michanickl

Wohnungsangebot, Erschließung und ruhender Verkehr

Eine Kita, ein Café, eine Bar und eine Mosterei unterstützen den Quartier-Charakter. Das Café mit der Rooftop-Bar ist das nördliche Eingangstor zum Wohnviertel. Von hier hat man einen wunderbaren Ausblick in das Quartier, auf den Anger und auf die grünen Freiräume. Der östliche Eingang ist von einer Streuobstwiese geprägt, deren Früchte die quartiereigene Mosterei zu schmackhaftem Saft oder Kompott verarbeitet.

In den acht Wohngebäuden entstehen unterschiedliche Wohnungen auf zwei bis vier Stockwerken, die auf die Zielgruppen angepasst sind. Dabei wurde beachtet, dass alle Wohnungen barrierefrei mit einem Lift erreichbar sind. Es entstehen dabei 74 Wohnungen mit Flächen zwischen 60 und 140 Quadratmetern. Maximal 282 Bewohner*innen finden im Quartier Platz.

Das gesamte Gebiet ist autofrei, wobei Zubringer*innen und Rettungsdiensten die Durchfahrt ermöglicht wird. Die Gebäude und Freiräume sind über ein einfach erreichbares Wegenetz fußläufig erschlossen. Das neu geplante Wegenetz verbindet die beiden Ost- und Nordseiten Lerchenfelds stärker miteinander. Im Norden entsteht ein Autohotel mit 20 Stellplätzen für die Anwohner*innen und 200 Quadratmetern Stellfläche für Fahrräder, Behinderten- und Car-Sharing-Parkplätzen. Auch im Osten kann ein Parkfeld realisiert werden, das 17 weitere Stellplätze bietet. Somit gibt es im Quartier einen halben Stellplatz pro Wohnung. Dazu kommen zwischen den einzelnen Wohngebäuden kleine, einstöckige Schuppen, die als Stellflächen für Fahrräder, Gartengeräte oder Mülltonnen dienen.


Freiraum und Ökologie, Nachhaltigkeit

Der Anger zwischen den Gebäuden ist mit Bäumen gesäumt. Die Retentionsflächen fungieren zugleich als Liegewiesen. Entlang der öffentlichen Wege laden zahlreiche Angebote zu Spiel und Erholung ein. Der Angerbach ist für alle zugänglich und bietet beispielsweise einen Wasserspielplatz für Kinder. Jedes Wohngebäude besitzt seinen eigenen Gemeinschaftsgarten sowie jeweils einen Dachgarten. Somit besteht unter anderem genügend Rückzugsraum für alle Bewohner*innen. Die neuen Gebäude sind nach höchstem ökologischem Standard geplant. Dies beinhaltet sowohl den Einsatz nachhaltiger Baustoffe wie auch ein Energiekonzept.

Der Grünzug im Lerchenfeld, Freising, bietet nicht nur Sichtbeziehungen zu den städtischen Kirchtürmen, sondern eine Liegewiese, Retentionsfläche und eine Streuobstwiese, die die quartiereigene Mosterei beliefert. (c) Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli und Laura Michanickl

Streuobstwiese in Lerchenfeld, Freising, stärkt Artenvielfalt und kontrastiert City

Denn einer der wichtigsten Aspekte bei der Planung des Projekts ist die Nachhaltigkeit. Schon während des Planungsprozesses hat die Projektgruppe immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, nachhaltige Elemente einfließen zu lassen, ohne von dem ursprünglichen Konzept abzuweichen. Die Gebäude sind so platziert, dass sie eine Durchlüftung des Angers begünstigen. Damit ist gewährleistet, dass die Luft in Nord-Süd und Ost-West Richtung ohne große Widerstände hindurchwehen kann.

Die Gebäudematerialien bestehen aus nachhaltigen Ressourcen. Die Grundlage aller Gebäude ist eine Holzständerbauweise mit Hanf-Kalk-Ziegeln. Dadurch erübrigt sich eine zusätzliche thermische und akustische Isolierung. Ein positiver Effekt dieser Ziegel besteht darin, dass sie sich, ähnlich wie Lehm, positiv auf die Luftreinheit und Feuchtigkeit auswirken. Zusätzlich fällt bei dieser Bauweise besonders wenig nicht recyclebarer Abfall an.

Alle nicht direkt vom Menschen genutzten Flächen stellen wichtige Faktoren im Klimaschutz dar. Die nicht intensiv oder extensiv genutzten Flächen auf den Dächern der Hauptgebäude und der Schuppen sind als Photovoltaikstandorte gestaltet. An den Außenwänden, die zum Garten ausgerichtet sind, hilft Fassadenbegrünung das Gebäudeklima mit natürlichen Mitteln zu regulieren und die Umgebungstemperatur zu senken.

Der Plan zeigt die verschiedenen Gebäudeformen mit wohnlicher und wirtschaftlicher Nutzung sowie das Autohotel, die Gemeinschaftsgärten und Spielräume. (c) Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli und Laura Michanickl

Durch das sehr präsente Wasser-Management wird aufgezeigt wie fließendes, eingestautes und versickerndes Wasser Teil einer Stadtnatur, die nah an natürlichen Systemen gebaut wurde, sein kann. Die Grünflächen des Angers dienen als Retentionsflächen und damit der Hitze- sowie Versickerungsregulation. Sie können das Wasser lokal aufnehmen und speichern, wodurch das neue Wohngebiet als Element der Schwammstadt fungiert und besser an den Klimawandel angepasst ist.

Eine Streuobstwiese am westlichen Ausgang des Angers stärkt die Artenvielfalt, lässt einen zusätzlichen Kohlenstoffspeicher entstehen und stellt einen angenehmen Kontrast zur Stadt her.

Für uns Studierende war das Projekt eine großartige Gelegenheit, nachhaltige, gemeinschaftliche und moderne Elemente zu vereinen. Wir lernten dabei viel neues über Städtebau, Nachhaltiges Bauen und die Verbindung zwischen Architektur und Landschaftsarchitektur.

Simon Benz, Jakob Berger, Jacqueline Bucheli und Laura Michanickl studieren an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Landschaftsarchitektur. In ihrem vierten Semester, dem Sommersemester 2021, besuchten sie den Kurs „Planen und Entwerfen“ unter der Leitung von Prof. Sonja Hörster und Prof. Christoph Jensen. Dabei entstand der Entwurf „Wohnen am Anger(bach)“ unter dem Aspekt „Kommunikatives Wohnen“.

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