10.09.2023

Gesellschaft

Von Mobilitätszwang, Bewegungsfreiheit und der Wende auf dem Land

Move to Improve
Wie es aktuell um die Mobilität bestellt ist, wo es noch Baustellen gibt und wie die Zukunft aussehen kann – oder soll –, erfahren Sie in unserem Artikel rund um das Thema Mobilität der Zukunft. Foto: Mika Baumeister via Unsplash
Wie es aktuell um die Mobilität bestellt ist, wo es noch Baustellen gibt und wie die Zukunft aussehen kann – oder soll –, erfahren Sie in unserem Artikel rund um das Thema Mobilität der Zukunft. Foto: Mika Baumeister via Unsplash

Die Debatte um die Verkehrswende ist in aller Munde. Lärm, Luftverschmutzung und Flächenkonkurrenz sind gerade in den Städten nicht mehr wegzudiskutieren. Gleichzeitig hat die Pkw-Dichte in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren laut Statistischem Bundesamt kontinuierlich zugenommen.

Über ein Viertel der Haushalte in der Bundesrepublik besitzt gar zwei Autos. Gerade im ländlichen Raum gibt es außerdem kaum passable Alternativen. Wie kann ein Umdenken trotzdem gelingen und welche Trends sind für die Mobilität der Zukunft zu erwarten? Der Versuch einer Antwort.

„Gesellschaft basiert auf Mobilität.“ Dieses Statement machte die Mobilitätssoziologin und Professorin an der Universität Hamburg, Katharina Manderscheid, in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland Ende 2022. Sie unterstreicht damit die Relevanz von Mobilität unter sozialen Gesichtspunkten. Die heutige Gesellschaft ist differenziert, das einzelne Individuum wechselt mehrmals täglich seine sozialen Räume. Der Verkehr und die zurückgelegten Distanzen nehmen dabei seit Jahrzehnten kontinuierlich zu.

In ihrem Bericht „Energy Technology Perspectives“ von 2020 prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA) etwa eine Verdopplung des weltweiten Verkehrs – gemessen in Personenkilometern – bis 2070. Die Agentur geht weiter davon aus, dass die Zahl der Pkw-Besitzer*innen um 60 Prozent steigen und sich die Nachfrage nach Passagier- und Frachtflügen in diesem Zeitraum verdreifachen wird. Damit einher geht unweigerlich ein weiterer Anstieg jener Treibhausgasemissionen, die auf das Verkehrsaufkommen zurückzuführen sind.

Laut Umweltbundesamt stieß die Bundesrepublik Deutschlandim Jahr 2022 rund 746 Millionen Tonnen Treibhausgase aus. Allein der Verkehrssektor ist für Emissionen von rund 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verantwortlich. Die individuelle Mobilität und Freiheit nehmen zu. Die Umwelt jedoch leidet.

In ländlichen Gegenden ist der private Pkw oft noch immer die einzige Möglichkeit, sich unabhängig fortzubewegen. Foto: Malek Boukhris via Unsplash
In ländlichen Gegenden ist der private Pkw oft noch immer die einzige Möglichkeit, sich unabhängig fortzubewegen. Foto: Malek Boukhris via Unsplash

Mobilitätszwang statt -freiheit?

Das Umweltbundesamt benennt diesen Konflikt unter anderem in einer Handreichung mit dem Titel „Nachhaltiger Stadtverkehr 2050: Metaanalyse, Maßnahmen und Strategien“, die Anfang diesen Jahres erschien. Mobilität ist Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Diese Einschätzung belegt auch Katharina Manderscheid mit ihrer Forschung. Dabei spricht sie nicht mehr nur von Freiheit, sondern auch vom Zwang zur Mobilität in der heutigen Gesellschaft.

Als Beispiel nennt sie steigende Mieten in Großstädten. Betroffene, die sich die Preise nicht mehr leisten könnten, zögen in die Vororte oder ins Umland und pendelten fortan weitere Strecken zur Arbeit. Während in urbanen Zentren alternative Verkehrsmittel ausgebaut werden, belegen außerdem zahlreiche Studien die defizitäre Situation auf dem Land. Dort ist der private Pkw oft noch immer die einzige Möglichkeit zur unabhängigen Fortbewegung.


Zufrieden auf dem Land

Zur Mobilität im ländlichen Raum führte der ADAC im Jahr 2018 eine repräsentative Umfrage durch. 3 400 Einwohner*innen aus zwölf Bundesländern wurden zu ihren täglichen Gewohnheiten und ihrer Verkehrsnutzung befragt. Dabei zeigte sich, dass der Großteil der Befragten mit der eigenen Mobilität zufrieden war. Eine zunächst überraschende Erkenntnis. Das positive Ergebnis entpuppt sich auf den zweiten Blick jedoch als undifferenziert. Denn die Zufriedenheit bezog sich allein auf die Mobilität mit dem eigenen PKW. Sieben von zehn Menschen gaben an, dass sie oft bis regelmäßig mit dem Auto unterwegs seien. Negativ fiel hingegen die Zufriedenheit im Hinblick auf den Öffentlichen Nahverkehr aus. Mehr als die Hälfte der Befragten nutzte Regionalbahn oder Busse so gut wie nie. Als Grund nannten die Befragten fehlende Direktverbindungen, große Lücken im Fahrplan und die zu lange Reisedauer. Dramatische Zahlen belegen diese Einschätzung. Seit 1990 ist beispielsweise ein Fünftel des Schienennetzes in Deutschland stillgelegt worden.

Wie Statistiken zeigen, parken private Autos in Deutschland durchschnittlich mehr als 23 Stunden pro Tag. Foto: Gunnar Ridderström via Unsplash
Wie Statistiken zeigen, parken private Autos in Deutschland durchschnittlich mehr als 23 Stunden pro Tag. Foto: Gunnar Ridderström via Unsplash

Wie Umwelt und Gesundheit leiden

Die Studie zeigt, wie die Lebensqualität einiger Personengruppen stark an die Möglichkeit zur freien und individuellen Mobilität gekoppelt ist. Gleichzeitig minimiert ein hohes Verkehrsaufkommen jedoch die Lebensqualität anderer Individuen. Luftverschmutzung und Lärm resultieren beispielsweise unweigerlich aus der zunehmenden Mobilität. Und die bringen gesundheitliche Schäden für die Anwohner*innen mit sich. So führt eine permanente Feinstaubbelastung durch Straßenverkehr beispielsweise zu einem erhöhten Allergie- und Asthmarisiko. Auch der Autolärm hat Auswirkungen auf die Gesundheit. Der Arbeitsring Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik benennt den Straßenverkehrslärm gar als „bedeutendste Lärmquelle in der Bundesrepublik Deutschland“. Die Folge können Kreislauferkrankungen, Schlaganfälle und Herzinfarkte sein.

Neben den Emissionen stellt der Flächenverbrauch das größte Problem des mobilen Individualverkehrs dar. Nicht nur mehrspurige Straßen für den Autoverkehr durchschneiden vielerorts den Stadtgrundriss. Vor allem stehende Pkw beanspruchen Raum, der in der dichten Stadt nicht ausreichend vorhanden ist. Statistiken zeigen, dass ein privates Auto in Deutschland durchschnittlich mehr als 23 Stunden parkt. Auch andere Verkehrsalternativen beanspruchen Raum, jedoch in geringerem Ausmaß. Während ein abgestelltes Rad gerade einmal 1,2 Quadratmeter benötigt, nimmt ein geparktes Automobil 13,5 Quadratmeter ein. Im ländlichen Raum ist diese Problematik weniger wahrnehmbar, städtische Agglomerationen belastet sie jedoch erheblich.


Zeit für eine Wende – nur welche?

Um zukünftig sowohl Bewegungsfreiheit als auch eine lebenswerte Umwelt für alle zu garantieren, sind neue Lösungen notwendig. Die Mobilitätssoziologin Katharina Manderscheid unterscheidet zwischen Verkehrswende, Antriebswende und Mobilitätswende. In der öffentlichen Debatte würden derzeit große Hoffnungen auf eine Antriebswende gesetzt. Diese bezeichnet die Aufrechterhaltung der individuellen Autonutzung wie sie heute Status quo ist. Nur der jeweilige Antrieb wird ausgetauscht, etwa durch einen E-Motor. Diese Lösung blende jedoch viele Probleme aus, sagt Manderscheid. Beispielsweise ist die Umweltbilanz von Elektromobilität umstritten. Der Abbau von Lithium ist vor Ort oft kaum als umweltverträglich und verantwortungsvoll zu deklarieren.

Neben der fraglichen Ökobilanz löst ein Mehr an Elektroautos auf den Straßen außerdem nicht das Flächenproblem. Eine tatsächliche Verkehrswende könnte Abhilfe schaffen. Dahinter verbirgt sich die Verlagerung des Verkehrs vom Automobil auf andere Verkehrsmittel. Sie geht Hand in Hand mit einer Mobilitätswende in den Köpfen. Mobilität sollte neu organisiert und das Unterwegsseins attraktiver werden. Gleichsam gilt es, den Status quo und die existierenden Mobilitätszwänge zu hinterfragen. Daran müssen Städte und Kommunen, staatliche Verwaltungen und private Unternehmen bis hin zu Einzelpersonen mitwirken. Die Handlungsfelder und Herangehensweisen sind divers.

Zu den Maßnahmen, um Deutschlands Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, zählt auch der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Foto: Alexa via Pixabay
Zu den Maßnahmen, um Deutschlands Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, zählt auch der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Foto: Alexa via Pixabay

Maßnahmen für die Stadt von Morgen

Das Umweltbundesamt veröffentliche dazu bereits 2017 eine Publikation mit dem Titel „Die Stadt für Morgen“. Darin benennt die Abteilung für Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung Herausforderungen, aber auch Maßnahmen, um die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele Deutschlands und der Europäischen Union zu erfüllen. Dabei haben sich acht übergeordnete Themenbereiche herauskristallisiert. Diese sind in verschiedenen Themenkomplexen zusammengefasst.

Die Handlungsfelder „Gesellschaftliche Rahmenbedingungen“ und „Soziodemografische Entwicklungen“ haben dabei beispielsweise einen wesentlichen Einfluss auf die Mobilität, sind jedoch gleichsam schwerer zu steuern und werden untergeordnet behandelt. Demgegenüber stehen Aufgabenfelder, die durch Maßnahmen aktiv positiv beeinflusst werden können. Der Baustein „Politische und rechtliche Rahmenbedingungen“ schlägt etwa die Ausweisung von Geschwindigkeits- und Zufahrtsbegrenzungen vor. Unter dem Aspekt „Technologische Entwicklungen“ wird der Einsatz elektrischer beziehungsweise emissionsarmer Fahrzeugflotten angeregt. Der Themenbereich „Ökonomische Rahmenbedingungen und Instrumente“ fordert finanzielle Anreize oder Abschreckungen wie etwa die Erhebung von Infrastrukturnutzungsbeiträgen.

Unter dem Schlagwort „Verkehrsinfrastruktur und -angebot“ ist die Planung, Bereitstellung und Integration nachhaltiger Verkehrsangebote und Infrastrukturen in der Stadt vorgesehen. Der Ausbau der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur und des Öffentlichen Nahverkehrs, die Schaffung von Carsharing-Angeboten oder die Entwicklung multimodaler Mobilitätsplattformen soll laut Umweltbundesamt Abhilfe schaffen. Das Handlungsfeld „Siedlungsstruktur und -entwicklung sowie Stadt- und Regionalplanung“ zeigt schließlich Spielräume auf regionaler und städtischer Ebene auf. Die grundlegende Entwicklung autoarmer und -freier Wohnquartiere, die Integration von Umweltplanung und die Schaffung nachhaltiger, interkommunaler Gewerbegebiete sind beispielhafte Maßnahmen.


Zuckerbrot und Peitsche

Generell spricht sich das Umweltbundesamt außerdem für die vermehrte Förderung innovativer Modellprojekte und Technologien aus. In den einzelnen Themenkomplexen wird zwischen sogenannten Push- und Pull-Maßnahmen unterschieden. Während Push-Maßnahmen wie zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen die Attraktivität von weniger nachhaltigen Verkehrsmitteln senken, steigern Pull-Maßnahmen, wie beispielsweise eine bedarfsgerechte Radinfrastruktur die Attraktivität nachhaltiger Alternativen. Diese Kombination aus Zuckerbrot und Peitsche wird von den Verfasser*innen als besonders wirkungsvoll im Hinblick auf eine gelingende Verkehrswende eingeschätzt.

Fahrräder sind ein wichtiges Verkehrsmittel in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen, wo bereits früh in die Fahrradinfrastruktur investiert wurde. Bekannt ist etwa auch die Cykelslangen des Büros Dissing+Weitiling, eine Brücke über das Hafenbecken nur für Radfahrer*innen. Foto: Steinar Engeland via Unsplash
Fahrräder sind ein wichtiges Verkehrsmittel in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen, wo bereits früh in die Fahrradinfrastruktur investiert wurde. Bekannt ist etwa auch die Cykelslangen des Büros Dissing+Weitiling, eine Brücke über das Hafenbecken nur für Radfahrer*innen. Foto: Steinar Engeland via Unsplash

Barcelona und Kopenhagen als Vorreiterinnen

In vielen Städten sind Modelle dieser Art mittlerweile zu beobachten. Als berühmtes Beispiel gilt Barcelona. In Kataloniens Hauptstadt herrscht innerhalb ausgewiesener Superblocks Autoverbot. Gleichzeitig entwickelt die Stadt dort attraktive, begrünte Räume für die Nachbar*innenschaft. Neben dem Verbot erfährt die Bevölkerung so im Alltag eine deutliche Aufwertung ihres Lebensraumes. Als Folge reagiert die Bevölkerung auf die Superblocks nicht nur mit Kritik, sondern auch mit Verständnis, das aus positiven Erfahrungen im öffentlichen Raum erwächst.

Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen ist eine weitere bekannte Vorzeigestadt, wenn es um nachhaltige Mobilität geht. Dort wurde bereits seit den 70er-Jahren intensiv in die Fahrradinfrastruktur investiert. Auf allen Hauptverkehrsstraßen in Kopenhagen gibt es breite Radwege. Außerdem führen von den Vorstädten aus Radschnellwege in die Innenstadt, auf denen die Radfahrer*innen nur selten an roten Ampeln halten müssen. Demgegenüber stehen stellenweise einspurige Autostraßen und wenige, dafür teure Parkplätze. Die Push- und Pull-Maßnahmen greifen dort sinnvoll ineinander. Und sie zeigen, wie der Wandel von der autozentrierten Stadt hin zu einer nachhaltigeren und lebenswerteren Metropole gelingen kann.


Die Zukunft liegt im Teilen

Das Zukunftstinstitut aus Frankfurt sieht im Zugeständnis von Raum an alternative Verkehrsmittel einen wichtigen Schritt. Es prognostiziert für die Zukunft die Ausbreitung von Shared Streets, in denen die Trennung von Pkws, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen aufgehoben wird. Statt separierter Straßen könnten öffentliche Räume entstehen, die Fortbewegung und soziale Aktivitäten vereinten und so ein gemeinsames und lebendiges Straßenbild kreierten.

Nicht nur Shared Streets, auch Sharing-Angebote sind vielerorts vermehrt auf dem Vormarsch. Von Autos über Lastenräder und Mopeds bis hin zu Rollern gibt es vor allem in urbanen Zentren kaum mehr Verkehrsmittel, die nicht auch über Leih- und Teilsysteme genutzt werden können. Bewegt man sich am Stadtrand oder in ländlichen Regionen nimmt diese Verfügbarkeit jedoch beispielsweise drastisch ab.

Eine weitläufige, grüne Wiese, im Hintergrund ein Wald, rechts fährt ein Zug vor dem Wald vorbei, im Hintergrund links steht ein Gebäude mir mehreren Schornsteinen, aus denen Dampf emposrsteigt. Um auch in ländlichen Gebieten für gute Mobilität zu sorgen, spricht sich der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen etwa für ein flächendeckendes Bahn-Bus-Gesamtsystem mindestens im Stundentakt aus. Foto: Robert Wiedemann via Unsplash
Eine weitläufige, grüne Wiese, im Hintergrund ein Wald, rechts fährt ein Zug vor dem Wald vorbei, im Hintergrund links steht ein Gebäude mir mehreren Schornsteinen, aus denen Dampf emposrsteigt. Um auch in ländlichen Gebieten für gute Mobilität zu sorgen, spricht sich der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen etwa für ein flächendeckendes Bahn-Bus-Gesamtsystem mindestens im Stundentakt aus. Foto: Robert Wiedemann via Unsplash

Zukunft der Mobilität auf dem Land

Nicht nur Sharing-Angebote stehen dort vor Schwierigkeiten. Generell ist die Mobilitätswende auf dem Land mit anderen Problemen konfrontiert als in der Stadt. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat dazu ein Positionspapier mit dem Titel „Gute Mobilität in ländlichen Räumen“ veröffentlicht. Darin werden sechs Leitplanken für gemeinwohlorientierte Verkehrsangebote festgehalten.

Der Verbund spricht sich beispielsweise für ein flächendeckendes Bahn-Bus-Gesamtsystem mindestens im Stundentakt aus. Das Verkehrsnetz könnte durch On-Deman-Angebote ergänzt werden. Die Fahrzeuge sollten dabei ausreichende Sitzplätze und beispielsweise Lademöglichkeiten für Smartphones bieten. Außerdem müsse die Nutzung des ÖPNV-Angebots so einfach wie möglich sein. So gelte es, die einzelnen Verkehrsmittel aufeinander abzustimmen und über Kreisgrenzen hinaus einheitliche Tarifsysteme zu entwickeln. Der Autoverkehr abseits der Metropolen zeichnet sich heute durch weniger Stau, kaum Restriktionen und kostenfreie Parkplätze in ausreichender Anzahl aus. Um die Menschen zu einem Umstieg zu bewegen, braucht es deshalb deutlich mehr Anreize – und andere Tarifstrategien – als in Ballungsräumen.


Von Menschen und Technik

Einen Lösungsansatz sieht das Zukunftsinstitut außerdem in der Digitalisierung und Automatisierung. Die sogenannte letzte Meile könnte durch autonom fahrende Taxis bedient werden. Generell liege in der „Autonomous City“ noch einiges Potenzial. So zeichnet das Institut die Vision einer parkplatzlosen Stadt, in der autonome Fahrzeuge ständig im Einsatz sind und maximal zum Aufladen der Batterien anhalten müssten.

Neben den technischen Möglichkeiten hängt die Verkehrswende jedoch auch von der sozialen Akzeptanz der Nutzer*innen ab. Parastoo Jabbari und Don MacKenzie, zwei Wissenschaftler der Universität Washington, untersuchten im Jahr 2020 die Bereitschaft von US-Amerikaner*innen, sich Fahrten mit ihnen fremden Menschen zu teilen. Sie wollten darin feststellen, inwiefern sich die Einstellung der Personen durch die Covid-19-Pandemie verändert hatte. Das Ergebnis zeigte jedoch, dass die Befragten sowohl vor als auch nach der Pandemie bevorzugt Transportmöglichkeiten nutzten, in denen der Kontakt zu anderen Menschen vermieden wird. Wenn sich durch die geteilte Fahrt Geld sparen ließe, war vor Covid eine Bereitschaft zum Sharing vorhanden. Nach der Pandemie sprachen sich die Befragten grundlegend dagegen aus.


Mit allen Sinnen

Die Studie mag nur eine lokale und zeitlich besondere Situation abbilden, trotzdem stützt sie, was auch andere Wissenschaftler*innen betonen. Der Umstieg auf andere Verkehrsmittel kann nur nachhaltig gelingen, wenn die Menschen dauerhaft einen persönlichen Mehrwert darin sehen. Ein monetärer Vorteil allein oder eine Einschränkung für den Klimaschutz scheint nicht ausreichend.

Deshalb müssen Strategien für die Zukunft der Mobilität auf allen Ebenen gedacht und für alle Sinne ansprechen gestaltet werden. Und schließlich gilt es, den Status quo als Gesellschaft zu hinterfragen. Die Professorin und Mobilitätssoziologin Katharina Manderscheid hat dazu einen denkwürdigen Anstoß: „Geht es um höher – schneller – weiter oder sind wir nicht an einem Punkt, an dem wir anders über die Frage eines guten Lebens nachdenken wollen? […] Es ist auch eine Form von Freiheit, sich nicht bewegen zu müssen.“

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