Nord Stream 2 ist eine 1.230 Kilometer lange Doppelstrang-Pipeline, die vom westrussischen Wyborg zum mecklenburgischen Ort Lubmin bei Greifswald führt. Beide Stränge sind seit Dezember 2021 mit technischem Gas befüllt und können 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach Deutschland liefern. Dies würde die Menge an Gas, die Deutschland von Russland erhält, verdoppeln.
Der Bau von Nord Stream 2 begann im Jahr 2018. Die Baukosten belaufen sich bislang auf mehr als 10 Milliarden Euro. Die Pipeline sollte dazu beitragen, die Energiepreise in Europa zu senken. Die Zertifizierung durch Deutschland und die Europäische Union fehlte noch für die Inbetriebnahme, und seit Februar 2022 ist klar, dass vorerst keine Zertifizierung zu erwarten ist.
Russlands früherer Präsident und Vize-Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, Dmitry Medvedev, drohte, dass ohne Nord Stream 2 eine Verdopplung der Gaspreise in Europa zu erwarten sei. Putin hingegen versprach, dass Russland seine Gas-Versorgungslinien nicht unterbrechen wird. Im Kremlin dominiert die Hoffnung, dass die Verspätung von Nord Stream 2 nur temporär ist.
Deutschland bezieht etwa die Hälfte seiner Gasversorgung von Russland. Die neue Pipeline für natürliches Gas sollte die Energieversorgung in Deutschland und in Europa diversifizieren. Zugleich gab es schon seit Jahren die Befürchtung, dass Nord Stream 2 die Energieabhängigkeit von Russland intensivieren könnte.
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Ein Wandel in Deutschlands Außenpolitik
Laut Marcel Dirsus, Fellow am Institut für Sicherheitspolitik der Kieler Universität steht die Entscheidung, Nord Stream 2 weiterhin nicht zu zertifizieren, für einen großen Wandel in Deutschlands Außenpolitik. Diese Entscheidung wird sowohl die deutsche Energiesicherheit als auch Berlins Position gegenüber Moskau beeinflussen. Sie zeigt, dass Deutschland bereit ist, Russland zu sanktionieren.
Die internationale Reaktion auf die Ankündigung von Olaf Scholz war positiv. Sowohl die USA als auch die Ukraine lobten diese moralische, politische und praktische Führung als Schritt in die richtige Richtung in schwierigen Zeiten. Ursprünglich sollte Nord Stream 2 Mitte 2022 eröffnet werden, nachdem der russische Gas-Gigant Gazprom sich entsprechend als rechtliche Einheit in Deutschland etabliert haben würde. Aber dieser Prozess ist nun auf unbestimmte Zeit gestoppt.
Selbst ohne Nord Stream 2 ist die Gasversorgung in Deutschland gesichert. Die parallel verlaufende Pipeline Nord Stream 1 ist seit 2011 in Betrieb. Jedoch werden die Gaspreise nun voraussichtlich bald weiter ansteigen.
Visualisierungen: Opposite Office, Benedikt Hartl