30.04.2022

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Münchner Architekt will Nord Stream 2 Röhren zu Gebäude umfunktionieren

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Im Zuge des Ukrainekrieges wird die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 absehbar nicht in Betrieb genommen. Der Münchner Architekt Benedikt Hartl hat einen alternativen Vorschlag für die Nutzung der Röhren. Wie der aussieht, können Sie sich hier ansehen.

 

Disclaimer: Am 26. September 2022 kam es zu Explosionen an beiden Nord Stream Pipelines, bei der ein Rohr des Nord Stream 2 schwer beschädigt wurde. Der 250m lange zerstörte Abschnitt liegt in schwedischem Staatsgebiet, unweit der Insel Bornholm. Während in Sicherheitskreisen schon schnell die Rede von Sabotage war, bestätigte die schwedische Staatsanwaltschaft erst im November 2022 offiziell die Vermutung einer vorsätzlichen Beschädigung .

Im September 2021 ist die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 fertig geworden, aber sie wurde noch nicht in Betrieb genommen. Mit dem Krieg von Wladimir Putin in der Ukraine stoppte die deutsche Bundesregierung die Zertifizierung von Nord Stream 2, womit das Projekt weiterhin auf Eis liegt. Nun stellt sich die Frage, was mit der Pipeline passiert.


Nord Stream 3: Der Alternativvorschlag für Nord Stream 2

Der Münchner Architekt Benedikt Hartl hat einen kreativen Vorschlag für die Nutzung der auf dem Meeresgrund versenkten Rohre: Er möchte sie an die Oberfläche holen und aus ihnen ein Gebäude in der Ostsee errichten. Wie er der Ostsee-Zeitung sagte, solle es sich um einen „Akt der Völkerverständigung und ein Zeichen des Friedens“ handeln.

Dafür müssten die 400 Meter langen Pipeline-Rohre aus der Ostsee ausgegraben und in kleinere Segmente geschnitten werden. So würde ein Gebäude mit fünf Stockwerken und 194 Schlafkojen entstehen, die laut dem „Nord Stream 3“-Vorschlag von Benedikt Hartl jeden Monat per Zufallsgenerator an Menschen weltweit verlost würden. Dabei würde jeder Staat eine Schlafkoje belegen. Im Rahmen eines einmonatigen, kostenlosen Aufenthaltes in der Röhre könnten Menschen zusammentreffen, in den Austausch treten und Vorurteile abbauen.

Hartl hat bereits architektonische Entwürfe für das Projekt erstellt. Sehr realistisch ist die tatsächliche Umsetzung nicht, aber seine Idee stößt relevante Diskussionen an.


Andere Visionen von Benedikt Hartl

Dies ist nicht der erste radikale Vorschlag des Münchner Architekten: Benedikt Hartl, 35, hat sich bereits einen internationalen Ruf für seine unrealistischen Designs erworben. Dabei schwingt stets viel Bewunderung mit. Die Ideen des Architekten werden daher häufiger und lauter diskutiert als viele echte Gebäude seiner Kollegen.

Zum Beispiel schlug Hartl im April 2020 vor, dass der neue Berliner Flughafen in ein Super-Corona-Krankenhaus umgewandelt werden könnte. Und der Ansturm auf das US-amerikanische Capitol veranlasste ihn zu dem Vorschlag, das Gebäude in eine dunkle Festung umzuwandeln.

Benedikt Hartl ist ohne Frage ein Experte für utopische – und dystopische – Umwandlung von Gebäuden. Sein Architekturbüro heißt „Opposite Office“ und reagiert oft innerhalb weniger Tage auf aktuelle politische und sozio-ökonomische Entwicklungen.

Zu seiner „Nord Stream 3“-Idee sagte Hartl, er könne sich nicht vorstellen, dass die Pipeline in den nächsten Jahren genutzt werden wird. Daher möchte er die Gelegenheit nutzen, um die Abhängigkeit von Gas ganz aufzulösen – schließlich zeige die aktuelle Situation akut, wie abhängig Europa von Russland ist. Stattdessen ruft er, wie viele andere, zu einem Wandel hin zu mehr erneuerbaren Energien auf.


Die Zukunft von Nord Stream 2

Nord Stream 2 ist eine 1.230 Kilometer lange Doppelstrang-Pipeline, die vom westrussischen Wyborg zum mecklenburgischen Ort Lubmin bei Greifswald führt. Beide Stränge sind seit Dezember 2021 mit technischem Gas befüllt und können 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach Deutschland liefern. Dies würde die Menge an Gas, die Deutschland von Russland erhält, verdoppeln.

Der Bau von Nord Stream 2 begann im Jahr 2018. Die Baukosten belaufen sich bislang auf mehr als 10 Milliarden Euro. Die Pipeline sollte dazu beitragen, die Energiepreise in Europa zu senken. Die Zertifizierung durch Deutschland und die Europäische Union fehlte noch für die Inbetriebnahme, und seit Februar 2022 ist klar, dass vorerst keine Zertifizierung zu erwarten ist.

Russlands früherer Präsident und Vize-Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, Dmitry Medvedev, drohte, dass ohne Nord Stream 2 eine Verdopplung der Gaspreise in Europa zu erwarten sei. Putin hingegen versprach, dass Russland seine Gas-Versorgungslinien nicht unterbrechen wird. Im Kremlin dominiert die Hoffnung, dass die Verspätung von Nord Stream 2 nur temporär ist.

Deutschland bezieht etwa die Hälfte seiner Gasversorgung von Russland. Die neue Pipeline für natürliches Gas sollte die Energieversorgung in Deutschland und in Europa diversifizieren. Zugleich gab es schon seit Jahren die Befürchtung, dass Nord Stream 2 die Energieabhängigkeit von Russland intensivieren könnte.

Lesen Sie hier, was laut McKinsey nötig ist, um die Netto-Null beim Ausstoß von Treibhausgasen zu erreichen.

Ein Wandel in Deutschlands Außenpolitik

Laut Marcel Dirsus, Fellow am Institut für Sicherheitspolitik der Kieler Universität steht die Entscheidung, Nord Stream 2 weiterhin nicht zu zertifizieren, für einen großen Wandel in Deutschlands Außenpolitik. Diese Entscheidung wird sowohl die deutsche Energiesicherheit als auch Berlins Position gegenüber Moskau beeinflussen. Sie zeigt, dass Deutschland bereit ist, Russland zu sanktionieren.

Die internationale Reaktion auf die Ankündigung von Olaf Scholz war positiv. Sowohl die USA als auch die Ukraine lobten diese moralische, politische und praktische Führung als Schritt in die richtige Richtung in schwierigen Zeiten. Ursprünglich sollte Nord Stream 2 Mitte 2022 eröffnet werden, nachdem der russische Gas-Gigant Gazprom sich entsprechend als rechtliche Einheit in Deutschland etabliert haben würde. Aber dieser Prozess ist nun auf unbestimmte Zeit gestoppt.

Selbst ohne Nord Stream 2 ist die Gasversorgung in Deutschland gesichert. Die parallel verlaufende Pipeline Nord Stream 1 ist seit 2011 in Betrieb. Jedoch werden die Gaspreise nun voraussichtlich bald weiter ansteigen.

Visualisierungen: Opposite Office, Benedikt Hartl

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