20.04.2023

Projekt

Aufruhr um das Rathausforum Berlin

Der Plan für das Rathausforum in Berlin. Bildquelle: © RMP Stephan Lenzen
Der Plan für das Rathausforum in Berlin. Bildquelle: © RMP Stephan Lenzen

Eigentlich ist die Gestaltung des Berliner Rathausforums mit den Plänen des Büros RMP Stephan Lenzen schon fertig geplant. Nun hat die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt jedoch mit alternativen Plänen für Aufruhr gesorgt. Mehr über die Zukunft des Rathausforums lesen Sie hier.


Eine Grünfläche auf dem Rathausforum

Im Herzen Berlins zwischen Spree, Stadtbahn, Karl-Liebknecht-Straße und Rathausstraße befindet sich mit dem Rathausforum einer der letzten großen Freiräume der Innenstadt. Das Rathausforum ist derzeit ein versiegelter Platz mit Bäumen. Nach einem langjährigen und aufwendigen Planungs- und Entwicklungsprozess unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit wurde entschieden, die frühere historische Mitte Berlins weder neu zu bebauen, noch zu rekonstruieren. Stattdessen schlug das Büro RMP Stephan Lenzen eine Grünfläche zwischen Spree, Marienkirche und Rotem Rathaus vor.

Ab 2024 soll das Areal Rathausforum umgestaltet werden. Die neue Grünfläche soll öffentlich nutzbar und modern sein. Trotz Kritik von mehreren Seiten rückte die Senatsverwaltung bislang nicht davon ab. Denn letztlich hatten sich seit 2016 viele Bürger*innen in den Beteiligungsforen mehr Grün und weniger Verkehr in dem Bereich gewünscht. Die geplante Fläche soll Menschen die Möglichkeit zum Ausruhen, Entspannen und Sporttreiben geben.

Laut dem Büro RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten sollen neue Sichtachsen auf dem Gelände des einstigen Marx-Engels-Forums entstehen. So soll die aktuelle Freiraumgestaltung aus DDR-Zeiten einen Bogen schlagen und auf der anderen Seite der Fläche in eine Freitreppe zur Spree münden. 2021 gewann das Landschaftsarchitekturbüro den Freiraumwettbewerb. Noch im Oktober 2022 versicherte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen: „Sowohl die Bürgerleitlinien als auch die Entscheidung des Wettbewerbs gelten.“

Schon 2021 gewann das Büro RMPSL den Wettbewerb um das Rathausforum Berlin. Bildquelle: © RMP Stephan Lenzen
Schon 2021 gewann das Büro RMPSL den Wettbewerb um das Rathausforum Berlin. Bildquelle: © RMP Stephan Lenzen

Oder weitere Entwicklung der Historischen Mitte?

Jedoch scheint es nun, als hätte die Berliner Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt andere Pläne. Laut einem aktuellen Bericht der taz verfolgt sie eine Rekonstruktion auf dem Rathausforum. So brachte Kahlfeldt kürzlich im Berliner Abgeordnetenhaus einen Antrag auf Freigabe von 50 000 Euro ein. Diese sollen dazu dienen, „vorbereitende Untersuchungen zur weiteren Entwicklung der Historischen Mitte“ zu finanzieren. Dies wirft viele Fragen auf. Die erst nach dem Wettbewerb ins Amt gekommene Senatsbaudirektorin steht nun in der Kritik, da für die bereits entschiedene Gestaltung der Fläche eigentlich keine Untersuchungen mehr nötig sind.

Es scheint, als würde Kahlfeldt den durchgeführten Wettbewerb ignorieren wollen und stattdessen die historische Rekonstruktion der früheren Altstadt anstreben. Politiker*innen und Journalist*innen haben Kritik ausgedrückt. Diese basiert auch darauf, dass Kahlfeldt sich schon im Wettbewerb um den Molkenmarkt einmischte und sich gegen die Prämierung eines progressiven und nachhaltigen Entwurfs stellte. Gegen den Willen der Jury-Mehrheit wollte sie einen kleinteiligen, auf Rekonstruktion ausgerichteten Entwurf durchsetzen. Im Ergebnis gab es keinen Wettbewerbssieger.

Daraufhin sagte etwa Julian Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, gegenüber der taz: „Am Molkenmarkt hat Kahlfeldt gezeigt, dass es ihr darum geht, die Linien im Städtebau zu verschieben. (…) Ihr geht es darum, von oben herab zu entscheiden, und zwar nach ihrem Gusto.“

Übrigens: Mehr zum Molkenmarkt Berlin, nach dem Entwurf von Vogt Landschaftsarchitekten, lesen Sie hier.


Stiftung Neue Mitte Berlin

Es scheint so, als würde Petra Kahlfeldt die Entwicklung des Rathausforums noch einmal neu angehen wollen. Damit unterstützt sie die Bestrebungen der kürzlich gegründeten „Stiftung Neue Mitte Berlin“. Diese Stiftung setzt sich für eine dicht bebaute und belebte Innenstadt auf dem Gebiet der früheren Berliner Altstadt ein. Entsprechend sollen viele Straßen und Plätze wiederaufgebaut werden und dabei die Struktur und Form der 1920er Jahre widerspiegeln. Gegründet wurde die Stiftung von der Unternehmerin und Autorin Marie-Luise Schwarz-Schilling.

Jedoch ist es fraglich, ob sich Petra Kahlfeldt über die getroffene Entscheidung zur Gestaltung des Rathausforums hinwegsetzen kann. Der Haushaltsausschuss lehnte ihren Antrag auf 50 000 Euro vorerst ab und verwies auf den abgeschlossenen Gestaltungswettbewerb. Derzeit ist es noch offen, ob Kahlfeldt das Thema ruhen lassen wird.


Zukunft oder Rekonstruktion?

Petra Kahlfeldt, geboren 1960 in Kaiserslautern, ist studierte Architektin. Bis zu ihrer Ernennung als Senatsbaudirektorin arbeitete sie mit ihrem Mann Paul Kahlfeldt in einem Büro. Ihre Ernennung als Senatsbaudirektorin wurde teils von scharfer Kritik begleitet. Dies liegt daran, dass sich Kahlfeldt sowohl in Berlin als auch in Potsdam an der kritischen Rekonstruktion von historischen Strukturen beteiligt. So sitzt sie etwa in Potsdam in einer Kommission zum Wiederaufbau des Alten Markts in der Nähe des Stadtschlosses, wo sich heute der Brandenburger Landtag befindet.

Interviews mit Zeitungen scheint Petra Kahlfeldt zu vermeiden, weshalb die taz letztendlich über sie und nicht mit ihr berichtete. Kritik aus dem Berliner Abgeordnetenhaus deutet auf eine eher negative Bilanz der Amtszeit der Senatsbaudirektorin hin. Schon am Molkenmarkt hat sie wenig Respekt für Wettbewerbsergebnisse gezeigt, was ihr viel Ärger bei den Grünen und den Linken bescherte. Auch Theresa Keilhacker, Präsidentin der Berliner Architektenkammer, äußerte Kritik und sprach gegenüber der taz sogar von einem „Scherbenhaufen“ nach dem Eklat am Molkenmarkt.

Zuletzt gab es derartige Diskussionen in Berlin in den 1990er-Jahren. Hans Stimmann, der Vorvorgänger von Petra Kahlfeldt, sorgte damals für Schlagzeilen im Architekturstreit über die Rückgewinnung des Stadtgrundrisses aus dem 19. Jahrhundert. Laut Keilhacker geht es heutzutage um andere Herausforderungen und eine Entwicklung nach vorne statt um die Rekonstruktion.

Übrigens: Auch zur autofreien Friedrichstraße in Berlin gibt es viel Hin und Her.

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