05.05.2019

Projekt

SLZ Berlin: Goldene Brücken bauen

Was passiert, wenn Landschaftsarchitekten und Architekten gemeinsam eine ehemalige DDR-Kaderschmiede neu erfinden? Club L94 und mvmarchitekt + starkearchitektur nahmen sich das Schul- und Leistungszentrum Berlin vor und installierten einen Farbkodex als Gelenk zwischen innen und außen. 

Der Weg zum Schul- und Leistungssportzentrum Berlin (SLZB) führt in eine eigene Welt. Wer die Hochhäuser und die sechsspurigen Straßen am nordwestlichen Stadtrand in Hohenschönhausen hinter sich lässt, findet sich in einem Areal voller Stille wieder. Zwischen abweisenden alten Hallenkomplexen bieten sich 1.200 talentierten Grund- bis Oberstufenschülern ideale Bedingungen, um sich auf eine Karriere im Leistungssport vorzubereiten: Zu Fuß erreichen sie die Sportstätten für die Olympiadisziplinen Fechten, Bogenschießen, Turnen, Eishockey oder Wasserspringen.

Zu DDR-Zeiten galt die Schule als Kaderschmiede – auf die Olympiasieger Franziska van Almsick oder den Leichtathleten Robert Harting sind sie hier sehr stolz. Neben dem Sport ist am SLZB auch die beruflich-schulische Ausbildung besonders wichtig: Die kleinen Klassen mit 15 bis 18 Schülern sind für eine Berliner Durchschnittsschule unerreichbar. Dafür gab es vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 2014 die Auszeichnung „Beste Eliteschule des Sports“. Gewürdigt wurden nicht nur neue pädagogische Wege, sondern auch das Herzblut, mit dem die Fusion zweier Schulstandorte über Jahre hinweg entwickelt wurde.

Ein innovatives Raumprogramm für innen und außen, entworfen von den Landschaftsarchitekten club L94 und mvmarchitekt + starkearchitektur, wird die Schule fortan begleiten. Das Team gewann 2008 den Wettbewerb für die dringend nötige Erweiterung des Schulbaus aus den 1960er Jahren. Eingeweiht wurde die Schule im vergangenen Sommer. Dass hier ein Team am Werk war, fällt sofort ins Auge: durch die Farbgebung wirken Gebäude und Außenraum wie eine unauflösliche Einheit.

Farbe verbindet

Auf Plätzen und Zugängen zieren breite goldgelbe Streifen – strapazierfähige Farbe aus der Verkehrsleitplanung – den grau versiegelten Asphalt. Vor der Turnhalle setzen sich die Streifen im leuchtenden Kunststoffbelag der Betonbänke fort, vor dem Haupteingang werden die Streifen immer dichter, bis sie zu einer Fläche verschmelzen und im einfarbig gelben Innenflur münden. „Über die goldgelbe Farbgebung schaffen wir es, die Dinge miteinander zu verweben. Die Verbindung der Leitsysteme von außen nach innen ist ganz wichtig“, erklärt Architekt Michael Viktor Müller.

Die Farbe Gold ist natürlich eine Reminiszenz an die Goldmedaille, die höchste Sportlerehre. Die räumliche Grundidee, so Landschaftsarchitekt und Architekt, ist getragen von dem grafischen Farbkonzept. Frank Flor, Mitbegründer von club L94, weiß, dass dieser Stil nicht alle überzeugt. „Wir arbeiten für manchen ein bisschen zu streng. Auch unsere Pflanzflächen sind monochrom und grafisch, wir pflanzen nicht wie früher Karl Foerster viele verschiedene Pflanzen auf kleinstem Raum als Komposition.“ Das habe auch etwas mit Wirtschaftlichkeit zu tun, denn Monokulturen seien einfacher zu pflegen.

Der stringente Farbkodex, goldgelbe Reitgras-Horste auf mit Basaltschotter abgestreuten Flächen, erschien Schulvertretern wie Schulbehörde anfangs sehr herbstlich. Inzwischen haben sich auch Skeptiker in die Farbwelt eingelebt. Lehrer und Rektor sind zufrieden mit dem familiären Charakter, der sich auch über das architektonische Konzept transportiert. Viviana, 14-jährige Volleyballerin, ist froh, dass sie ihre alte, düstere, Graffiti-verschmutzte Schule hinter sich gelassen hat. Sie mochte das Grafische, das Moderne hier sofort. „Architektur und Landschaftsarchitektur wurden zusammen entwickelt, daraus ergibt sich eine Symbiose. Am Ende kann man nicht mehr sagen, wer was geplant hat“, analysiert Frank Flor. Wie beide Professionen sich ergänzen, das klingt in den Worten der Landschaftsarchitekten nahezu nach entstandener Freundschaft und allenfalls eine Spur nüchterner, wenn die Architekten das Teamwork beschreiben. […]

Warum club L94 sich seit Start des Büros direkt an Architekten wandten und welche Schulprojekte derzeit noch in Berlin für Aufsehen sorgen, lesen Sie in GARTEN+LANDSCHAFT 04/2016 – Ort und Einfluss.

Sport- und Leistungszentrum Berlin
Auftraggeber: Senatsverwaltung Berlin
Landschaftsarchitektur: club L94 Landschaftsarchitekten, Köln
Architektur: mvmarchitekt + starkearchitektur, Köln
Fläche: 30.000 Quadratmeter
Zeitraum: 2008 bis 2015

 

Frank Flor von club L94 im Interview

GARTEN+LANDSCHAFT: Nach 15 Jahren und eindrucksvoller Projekt-Bilanz; wie war Ihr Selbstverständnis damals, wie ist es heute?

Frank Flor: Wir sind zu Viert gestartet, frisch mit dem Studium fertig, den Schritt gewagt. Wir sind fast ein wenig blauäugig, mit einer gehörigen Portion Gelassenheit als Greenhorns angetreten. Damals haben wir sehr viel mehr als heute versucht, Dinge in der Planung zu verändern, die eigentlich schon festgelegt waren. Im Laufe der Zeit sind wir immer konkreter auf Wettbewerbe wie Aufgaben eingegangen und wurden erfolgreicher.

G+L: Landschaftsarchitekten sind Weltverbesserer, ist das auch Ihre Motivation?

Flor: Da sind wir fokussiert auf unseren Bereich! Was wir an Bäumen gepflanzt haben, würde ich behaupten, da kommt eine Million zusammen, rein planerisch, wenn natürlich auch nicht alle umgesetzt. Wenn man das ökologisch betrachtet, tun wir als Profession sehr viel für die Umwelt.

G+L: So ökologisch wirken Ihre Projekte aber nicht, Sie versiegeln gern flächig, Plätze sind durchgehend gepflastert, wenige Pflanzen auf den ersten Blick.

Flor: Der Eindruck des ersten Blicks täuscht nicht, das muss ich zugeben. Da treffen unsere Haltung, die Funktionen und die Ansprüche der Kommunen zusammen. Im Vergleich zu früheren romantischeren Bildern wie zum Beispiel bei Lenné nehmen wir eine strengere Haltung ein. Für stark benutzte Flächen gilt per se: Sie sind von uns steinern gedacht. Zudem fordern Kommunen immer stärker, nichtmals in der Herstellung, aber in der Pflege zu sparen, was zu weniger grünen, pflegleichteren Projekten führt. Dies muß aber nicht zwingend unökologisch sein.

G+L: Die Welt dreht sich weiter; was waren wichtige Aufgaben vor zehn Jahren, was ist heute nachgefragt?

Flor: Es hat sich gar nicht so viel verändert. Ein Park ist immer noch ein Park, ein Platz ist ein Platz. Die Aufgaben früher waren nicht anders definiert. Allerdings ist in Städten und Gemeinden im Umgang mit Kosten, Nachhaltigkeit und Pflege der Druck extremer.

G+L: Ist es heute schwieriger für Sie, Auftraggeber für gute Ideen zu gewinnen?

Flor: In Wettbewerbsprojekten kommen wir im Prozess besser weiter, weil es eine Grundlage gibt, auf die man sich immer wieder berufen kann. Bei Direktbeauftragungen wurde es zuletzt schwieriger, für Qualität zu werben. Da entsteht oft ein Kampf um das ganz simple Detail, um die 08/15 Bank aus dem Portfolio der Stadt zu vermeiden.

G+L: Also letztendlich doch immer das Geld, das begrenzt. Behindert das Ihre Kreativität?

Flor: Es ist wichtig, die Gesamtkosten zu kennen, um Spielräume innerhalb des Projektes selbst zu bestimmen. Wenn wir am Anfang ein Budget mit Spielmasse haben, dann ist es für uns möglich, mit jeder Summe noch am Ende ein Highlight zu generieren. Fast immer! Das betone ich bewusst, denn wenn jemand für 50 Euro pro Quadratmeter fordert, eine neue Welt zu erfinden, das lehnen wir ab, das ist unmöglich. Das Berliner SLZB ist ein gutes Beispiel: Am Ende sind es „nur“ Asphaltflächen mit ein bisschen Farbe drauf, aber genau das macht das Besondere aus, mehr hätten wir uns hier gar nicht leisten können.

G+L: Warum finden Sie, es habe sich wenig verändert? Es zieht Menschen heute magnetisch raus, sie bewegen sich anders, konsumieren mehr, Partizipation ist intensiver gefragt, Außenanlagen unterliegen der Nachhaltigkeit.

Flor: Der Nachhaltigkeitsanspruch ist mehr ins Bewusstsein gerückt. Es gab voreiniger Zeit ein Gutachten eines Berliner Büros, das einen Nachhaltigkeitsleitpfaden entwickelt hat, das hat aber noch nicht wirklich Einzug gehalten in einzelne Projekte. Uns begegnet es eher am Rand oder wenn Projekte eine Zertifizierung erhalten sollen. Das müssten wir selber vielleicht noch verinnerlichen. Im Drängen in den Freiraum sehe ich nicht unbedingt ein Zeitphänomen, sondern eher ein lokales Phänomen. Und der Wunsch aus der Enge herauszukommen gilt besonders für Städte.

G+L: Club L94 entwirft für Wohnumfeld, Park, Innenstadt, Kleinstadt. Metropole, Schulen, entwickelt strategische Planungen, bei welchen Aufgaben geht Ihnen das Herz auf?

Flor: Wir fühlen uns im städtischen und urbanen Raum sehr wohl. Wir können nur Plätze, wir können keine Parks. Das hatte zutreffend, nur genau andersrum, einmal unser Berufskollege Leonhard Grosch von Atelier Loidl so formuliert. Der Schwerpunkt unserer Aufgaben, die wir zur Zufriedenheit von Jurys lösen, liegt im öffentlichen städtischen urbanen Raum, mittlerweile haben wir aber auch Parks gelernt.

G+L: Beschreiben Sie zwei charakteristische Projekte, was ist dort gelungen?

Flor: Memmingen spiegelt sehr gut unsere Haltung, reduziert und minimalistisch vorzugehen. Dort entstand ein fließender Raum, teils Fußgängerzone, teils Platz, zu berücksichtigen war historische Bausubstanz. Dort kam uns entgegen, dass wir generell wenige Mittel bevorzugen. Wir platzieren Wasserspiel und Sonnenbänke an der richtigen Stelle, wählen einen schönen Bodenbelag, das reicht für eine tolle Aufenthaltsqualität. Anders der Marktplatz in Lebach, der weiterhin beparkbar sein sollte. Wir haben sehr viel mehr Bäume und Vegetation eingesetzt und ein modernes grafisches Bild entwickelt.

G+L: Für die Modebranche eine zentrale Frage, was kommt, was geht, was bleibt. Was erwarten Sie für die Landschaftsarchitektur?

Flor: Was kommt… ich hoffe es zumindest, es ist jetzt ja schon ein gewisser Stimmungswandel zu spüren. Das wir für Qualität im Grünen doch wieder eine bewusstere Betrachtung erfahren zugunsten der Freiräume. Ich hoffe, dass dann Kommunen stärker im Laufe einer Planung einen Anspruch durchhalten, der über Wettbewerbe generiert werden soll und dann doch mehr zulassen im Freiraum. Was weitergeht, was schon seit Jahren passiert, ist tatsächlich der Wandel der Städte weg von der autogerechten Stadt hin zu einer mehr durch Aufenthaltsqualitäten betonten Stadt. Dieser Trend hält an, das ist nichts Rückläufiges. 

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