14.05.2019

Event

Verdichtung vs. Lebensqualität


Gute Ansätze, fehlendes Bewusstsein für die Relevanz

Fast überall das gleiche Lied: Die Städte werden dichter und Plätze für Frei- und Grünräume schwinden. So auch in Zürich. Im Architekturforum Zürich widmeten sich Experten aus Architektur, Stadtentwicklung, Gesundheit und Ökologie dem Thema. Diskussionsteilnehmer und Architekt Stefan Kurath berichtet hier davon.

Tageslicht und Grün wirken sich positiv auf die Gesundheit des Menschen aus. Sie wirken Depressionen und Müdigkeit entgegen und sorgen für einen ausgeglichenen Tages- und Nachtrhythmus. Gemäß der Tageslichtspezialistin und Neurologin Katharina Wulff und dem Siedlungsökologen Christoph Kueffer sind dabei die Aufenthaltsqualität des Freiraums und Berührungspunkte mit Flora und Fauna. Das Problem: Unsere Städte werden dichter und es bleibt immer weniger Platz für Frei- und Grünräume. Das trifft auch auf Zürich zu. Der Richtplan für die Stadt plant einen Zuwachs der Bevölkerung um 25 Prozent bis 2040 – von heute 400 000 auf dann über 500 000 Bewohner.

Was bedeuten diese Fakten für die Lebensqualität und Gesundheit der Zürcher? Darüber diskutierten im März diesen Jahres Experten aus Architektur, Stadtentwicklung, Gesundheit und Ökologie im Architekturforum Zürich: Anne Schindler, Direktorin Amt für Stadtentwicklung Zürich, Ines Tijera von Holzen, studentisches Netzwerk Sustainability Week Switzerland und die Architekturjournalistin Judit Solt und ich, Architekt. Wir sprachen über die Möglichkeiten, hochwertige Frei- und Naturräume in der Stadt zu realisieren.

Dabei stellte sich heraus, dass es in den Planungsämtern und ihren Richtplänen bereits gute Ansätze und Anreizmechanismen gibt, um auf die Klimakrise zu reagieren, Biodiversität in den Stadträumen zu fördern und den öffentlichen Raum zu stärken. Doch sind sich Investoren, Grundstückeigentümer und die Bevölkerung zu wenig bewusst, wie notwendig deren Umsetzung ist. Bei Abwägungsprozessen stehen nach wie vor individuelle Interessen, beispielsweise wenig Aufwand für den Unterhalt, geringe Kosten sowie der Fokus auf persönlichen Vorteilen im Vordergrund. Die größte Herausforderung im Städtebau wird es deshalb sein, diese Barriere zu überwinden. Zivilgesellschaftliche Dynamiken wie Klimastreiks können hier Druck auf die Gesellschaft ausüben.

Anpassung der Regelwerke nötig

In der Zwischenzeit müssen die Städte mit Hochdruck ihre Planwerke und Gesetze so anpassen, dass der öffentliche Raum gesichert, Maßnahmen zur Aufwertung für Mensch, Fauna und Flora auch im Nachhinein einfach umsetzbar und die Regelwerke auf eine Innenentwicklung ausgerichtet sind. Dazu braucht es dringend Experten, die gewillt und in der Lage sind, gemeinsam zu arbeiten mit dem Ziel, reichhaltigere und damit zukunftsfähige Stadtlandschaften zu entwickeln: öffentlich zugängliche und lebenswerte Stadträume mit hoher Aufenthaltsqualität, hohem Grünanteil und genügend Frischluft. So kann es gelingen, die Bewohner der Stadt in den Freiraum zu locken um Licht, Luft und Sonne zu tanken.

 

Stefan Kurath ist ein Schweizer Architekt und Urbanist. Er lebt und arbeitet in Zürich und Graubünden.

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