13.07.2022

Event

World Urban Forum 11: Klima, Krise und Covid-19

Beim World Urban Forum 11 in Katowice wurde die Öffentlichkeit einbezogen.
Beim World Urban Forum 11 in Katowice wurde die Öffentlichkeit einbezogen. Foto: Laura Puttkamer

Vom 26. bis 30. Juni 2022 fand das 11. World Urban Forum (WUF) in Katowice, Polen, statt. Es handelt sich um die wichtigste globale Konferenz zum Thema nachhaltige Urbanisierung.  Wir waren vor Ort und verraten Ihnen alles, was Sie über den Inhalt und die Ergebnisse der Konferenz wissen müssen.

Alle zwei Jahre beruft UN Habitat das World Urban Forum ein. Hier treffen sich Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Bürgermeister*innen und alle anderen, die an der Stadt arbeiten, um sich über neue Ideen für nachhaltige Stadtentwicklung auszutauschen. Die Konferenz ist zudem ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg bis zum Jahr 2030 – der „Deadline“ für die Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele und der New Urban Agenda.

Im Juni 2022 fand die 11. Edition des World Urban Forum in der polnischen Stadt Katowice statt. Über 16 000 Teilnehmende kamen vor Ort und online zusammen, um über fünf Tage das Thema „Transforming our cities for a better urban future“ zu diskutieren.

 

Die drei mit C: Climate, Conflict, Covid

Laut Maimunah Mohd Sharif, Exekutivdirektorin von UN Habitat, stand die Konferenz dieses Jahr im Zeichen der drei Cs „Climate, Conflict and Covid-19“. Angesichts der Situation in der Ukraine gab es einen Special Crisis Track mit spontan organisierten Veranstaltungen rund um den Krieg in Polens Nachbarland. Schon jetzt denken Architekt*innen in der Ukraine daran, wie sich die Städte möglichst schnell wieder aufbauen lassen und was dabei besser gemacht werden kann, um für mehr Nachhaltigkeit und Resilienz zu sorgen.

Der Klimawandel dominierte fast jede Sitzung beim World Urban Forum. Kein Wunder, denn Städte sind für etwa 70 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Zugleich werden im Jahr 2050 mindestens 70 Prozent aller Menschen in Städten wohnen. Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, betonte während einer Veranstaltung zum Thema „Lebenswerte Stadt der Zukunft“ im deutschen Pavillon die Wichtigkeit der nationalen Stadtentwicklungspolitiken. Zudem ginge es darum, voneinander zu lernen und Länder wie die Ukraine zu unterstützen. Dabei soll unter anderem die U7-Gruppe beitragen. Diese Initiative läuft parallel zu G7 und soll die Stimmen von lokalen Politiker*innen sowie die Integration verschiedener politischer Ebenen in den Vordergrund stellen.

Auch der Post-Covid-Alltag in Städten war ein wichtiges Thema. Ideen rund um den neuen Stadtalltag – von neuen Jobs im Bereich öffentlicher Verkehr bis hin zu virtuellen Partizipationsmethoden – wurden diskutiert und auf der Urban Expo präsentiert.

 

Der World Cities Report

UN Habitat veröffentlichte während des World Urban Forums einen neuen Flaggschiff-Bericht, den World Cities Report 2022. Auf fast 400 Seiten finden sich politische Empfehlungen, die sich sowohl an Bürgermeister*innen als auch an andere Politiker*innen richten. In dem Bericht finden sich drei Szenarien für die Zukunft der Städte, vom „worst-case scenario“ über „business as usual“ bis hin zum „optimistic scenario“.

Um das optimistische Szenario zu erreichen, ist eine koordinierte, kohäsive Stadtplanung nötig. Die Expert*innen unterstreichen im Bericht, dass hier das Wohnen eine besonders große Rolle spielt. Denn durch Nachverdichtungen und grünere Bauten lassen sich lebenswerte, klimafreundliche Städte schaffen. Aktuell leben noch immer 1,6 Milliarden Menschen weltweit in unzureichendem Wohnraum und eine Milliarde Menschen in Slums.

Der World Cities Report stellt keine konkrete Anleitung dar, sondern muss im jeweiligen Kontext verortet werden. Die Empfehlungen lassen sich so anpassen, dass selbst zeitgleich auftretende oder überlappende Szenarien behandelt werden können. Die Kooperation verschiedener Regierungsebenen sowie ein Fokus auf Resilienz sind dabei in allen Empfehlungen zu finden.

„Wir haben nur noch 90 Monate – das sind etwa 2.700 Tage – Zeit, um die nationalen Stadtentwicklungspolitiken umzusetzen. Sie müssen von den Bürgermeister*innen in kleine Stücke aufgeteilt und täglich umgesetzt werden“, so Maimunah Mohd Sharif.

Beim World Urban Forum 11 in Katowice wurde die Öffentlichkeit einbezogen.
Beim World Urban Forum 11 in Katowice wurde die Öffentlichkeit einbezogen. Foto: Laura Puttkamer

Katowice als Gastgeberin und Vorzeigebeispiel

Katowice ist die Hauptstadt der Metropolregion Oberschlesien. Hier wohnen insgesamt 2,3 Millionen Menschen. In Katowice selbst sind knapp 300 000 Personen beheimatet. Die Stadt ist mit etwa 170 Jahren sehr jung. Sie formte sich aus einer Sammlung kleiner Dörfer, als im 19. Jahrhundert große Kohle- und Zinkvorkommen in der Region entdeckt wurden. Daraufhin entstanden zahlreiche Kohleminen, die bis in die 1990er Jahre die Wirtschaft in Oberschlesien dominierten. Als die Kohleminen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach und nach geschlossen wurden, stand Katowice vor großen Herausforderungen: 70 Prozent der Einwohner*innen waren plötzlich arbeitslos, da es keine Arbeit in den Kohleminen und den verwandten Schwerindustrien sowie chemischen Fabriken mehr gab. Zudem war die Stadt so verdreckt, dass manche Flüsse nur noch zu 15 Prozent aus Wasser und zum Rest aus chemischem Abfall bestanden.

Doch mit viel Geduld, Unterstützung durch das Sustainable Cities Programme von UN Habitat und große Investitionen der Europäischen Union ab den 2010er Jahren gelang es, innerhalb von nur drei Jahrzehnten Katowice völlig neu zu erfinden. Heute bietet die Stadt das größte Konferenzzentrum in Polen an. Es gibt zahlreiche Arbeitsplätze. Das Einkommen ist vergleichsweise hoch und viele junge Menschen bleiben in der Region. Mit einem neuen Projekt zum Thema IT und Gaming positioniert sich Katowice in einem zukunftsträchtigen Sektor.

 

Von Kohlestadt zu Konferenzzentrum

Die Verwandlung von Katowice basiert auf einem intelligenten Ansatz, der unter anderem die lokale Kultur berücksichtigte, partizipative Ansätze nutzte und in einer engen Verzahnungen mit den Kommunen der Umgebung resultierte. Heute steht die Stadt nach wie vor einigen Herausforderungen gegenüber. Zum Beispiel gibt es große Autobahnen, die bis an das Stadtzentrum heranreichen, was die Stadt für Fußgänger*innen teils sehr schwer zu navigieren macht.

Aber das Konferenzzentrum, das sich neben der 1970er-Jahre-Konzerthalle Spodek in der ikonischen Form eines UFOs befindet, symbolisiert den Wandel. Gemeinsam mit dem Schlesischen Museum und dem Gebäude der polnischen Radio-Symphonie steht das Zentrum auf dem Gelände einer ehemaligen Kohlemine. Nur wenige Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt schlägt hier das kulturelle Herz der Stadt.

Die nächste Herausforderung für Katowice ist die Umstellung auf eine 15-Minuten-Stadt. Das World Urban Forum machte vor, wie das aussehen könnte. Denn die elf verschiedenen Zonen, von Musik- über Relax-Zone bis hin zu SDG-Ecke und Jugend-Bühne, waren allesamt innerhalb von 15 Minuten zu Fuß zu erreichen. Viele der Zonen bleiben auch nach dem World Urban Forum in der Stadt bestehen, um die Bürger*innen von Katowice einzubinden und von dem Thema zu begeistern.

Katowices Stadtentwicklung ist eine Inspiration für andere Städte. Dieser freigelegte Fluss im Stadtzentrum zeigt, wie weit die Stadt gekommen ist.
Katowices Stadtentwicklung ist eine Inspiration für andere Städte. Dieser freigelegte Fluss im Stadtzentrum zeigt, wie weit die Stadt gekommen ist. Foto: Laura Puttkamer

Was kommt nach dem World Urban Forum?

Von den über 400 Veranstaltungen beim World Urban Forum 11 endeten die meisten in einem dringenden Aufruf für schnelles Handeln. Denn um bis 2030 alle Ziele des Nachhaltigen Entwicklungsziels 11 zu erreichen, bleiben nur noch acht Jahre. Aktuell sind die meisten Städte nicht fortgeschritten genug, um bis 2030 als nachhaltige, inklusive, sichere und resiliente Siedlungen das Ziel zu erfüllen. Die Katowice Declared Actions, die den Höhepunkt des World Urban Forums bilden, werden die Agenda für nachhaltige Entwicklung in den Städten bis zum nächsten World Urban Forum im Januar 2024 in Kairo, Ägypten, vorantreiben.

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