05.12.2021

Aktuelles

Albert Speer – neuer Dokumentarfilm „Speer goes to Hollywood“

Albert Speer mit Filmklappe vor dem Gesicht

Drei Monate lebte der junge britische Drehbuchautor Andrew Birkin bei Albert Speer im Haus und nahm die Gespräche mit ihm auf (Foto: Salzgeber).

Albert Speer war unter Adolf Hitler hauptverantwortlich für die Architektur im Nationalsozialismus. Auf Basis von bislang unveröffentlichten Filmaufnahmen von Albert Speer hat die Regisseurin Vanessa Lapa nun einen neuen Dokumentarfilm über den Mannheimer Architekten kreiert. Die ursprünglichen Aufnahmen stammen vom britischen Drehbuchautor Andrew Birkin.

Albert Speer war Architekt sowie Rüstungsminister unter Adolf Hitler. Albert Speer war zudem mitverantwortlich für Planung und Bau von Konzentrationslagern im Dritten Reich. In den Nürnberger Prozessen nach Kriegsende definierte er sich dann als unglücklichen Mitläufer, der nichts vom Völkermord an den europäischen Jüd*innen gewusst haben wollte. Auf die Aussagen vor Gericht folgte eine 20-jährige Haftstrafe im Kriegsverbrechergefängnis Spandau. Er erhielt für seine Taten nicht das Todesurteil. Diese Strafe ereilte Fritz Sauckel, den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Albert Speer sprach ihm alle Schuld zu. Sauckel konnte sich der Strafvollstreckung nicht entziehen.

Albert Speer bei den Nürnberger Prozessen 1946 (Foto: Salzgeber).
Albert Speer mit Filmklappe vor dem Gesicht
Albert Speer bei den Nürnberger Prozessen 1946 (Foto: Salzgeber).

Albert Speer – der „gute“ Nazi?

Noch in der Haftanstalt verfasste Albert Speer seine Memoiren. Eine Autobiografie seiner eigenen Version der Geschichte, in der er sich von jedem Vergehen selbst freisprach. Das Buch wurde zum Bestseller mit mehr als einer Million verkaufter Exemplare weltweit. Es wurde in 14 Sprachen übersetzt. Frisch aus der Haft entlassen, wurde Albert Speer auf einer Pressekonferenz unkritische Aufmerksamkeit zuteil. Die Erfindung der eigenen Person als „Guter Nazi“ machten Speer zuerst zum Medienstar – und einige Jahre später wieder zu einem gemachten Mann. In einem Artikel des MRD zeichnet Nils Werner diesen Weg nach.

Albert Speer bei seiner Entlassung aus dem Kriegsverbrechergefängnis Spandau 1966 (Foto: Salzgeber).

Unveröffentlichte Tonaufnahmen

Es dauerte nicht lange und Hollywood bekundete Interesse an den „Erinnerungen“ von Albert Speer. Der junge britische Drehbuchautor Andrew Birkin wurde von den Paramount-Studios mit der filmischen Umsetzung beauftragt. Dieser traf Albert Speer daraufhin im Jahre 1971 persönlich in seiner Villa in Heidelberg. Dort lebte er drei Monate und führte lange Gespräche mit Albert Speer. Die davon vorliegenden Tonaufnahmen waren es schließlich, die Vanessa Lapa als Tonspur und roten Faden ihres Dokumentarfilms „Speer goes to Hollywood“ – so das Portal nordbayern.de – wählte.

Drei Monate lebte der junge britische Drehbuchautor Andrew Birkin bei Albert Speer im Haus und nahm die Gespräche mit ihm auf. Erst Jahre später werden die Bilder veröffentlicht (Foto: Salzgeber).

Film zu Albert Speer – für Lapa eine warnende Geschichte

Lapa, in Belgien geboren, ist eine israelische Journalistin und Dokumentarfilm-Regisseurin. Bereits in ihrem Werk „Der Anständige“ aus dem Jahre 2014 setzte sie sich mit den Verbrechen und Verbrecher*innen des Nationalsozialismus auseinander. Damals anhand von Tagebüchern, Fotos und Briefen mit dem SS-Führer Heinrich Himmler. In ihrem neuen Film nun also mit Albert Speer. In 97 Minuten ergründet Lapas Film die Person Albert Speer und seine Rolle im Dritten Reich. Sowie die Entwicklungen nach Ende der Haftstrafe. Bei den Kolleg*innen von germanic.news beschreibt sie den Film mit eigenen Worten: „Für mich ist „Speer Goes to Hollywood“ eine warnende Geschichte darüber, wie Medien wie der Film leicht manipuliert werden können, um die Art und Weise, wie Geschichte erinnert wird, zu formen. Es ist auch eine entscheidende Erinnerung an die Bedeutung der persönlichen und kollektiven Entscheidungen und das Nachdenken über die persönliche und bürgerliche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Menschheit insgesamt.“

Filmemacherin Vanessa Lapa im Porträt (Foto: Salzgeber).

Vanessa Lapas Sicht auf Albert Speer

Vor rund 50 Jahren aß Andrew Birkin mit Albert Speer Plumpudding. Dieser sagte dabei, dass er kein Antisemit sei. Er hätte erst durch die Nürnberger Prozesse das Ausmaß der Verbrechen unter Adolf Hitler erkannt. 2020 verknüpft Vanessa Lapa die Gesprächsfragmente zu einem informativen, streckenweise grotesken Portrait. Bilder von Albert Speer als sich kultiviert gebender, rüstiger Rentner werden von den O-Tönen Birkins und Speers begleitet. Die Tonaufnahmen sind im Original teilweise schlecht verständlich. Sie werden in Lapas Film deshalb von Schauspieler*innen nachgesprochen. Während ihre Doku „Der Anständige“ nur Dokumente und Aussagen von Himmler selbst einbezieht, kommen in „Speer goes to Hollywood“ auch Holocaust-Überlebende zu Wort. Ihre Aussagen als Zeug*innen in den Nürnberger Prozessen stehen im Gegensatz zu Speers eigenen Ausführungen. Seine Auslegung ist auch zu Filmaufnahmen, die vor Kriegsbeginn aufgenommen wurden und in der Dokumentation ebenfalls Verwendung finden, widersprüchlich.

Zwischen Trugbild und Realität

Die Zuschauer*innen können in dem Film verfolgen, wie Albert Speer seine eigene Scharfsinnigkeit, mit der eines Voltaire gleichsetzt. Oder wie er sich mit Sophokles‘ tragischem Helden Ödipus vergleicht. Dabei ist er stets in Sorge, der geplante Hollywoodstreifen, der unter dem Titel „Inside the Third Reich“ veröffentlicht hätte werden sollen, könnte dem eigenen Epos nicht nachkommen. Andrew Birkin passte das Drehbuch immer wieder Speers Wünschen an. Nach den monatelangen Gesprächen kam es trotzdem zu keiner Veröffentlichung. Weshalb ist bis heute offiziell nicht bekannt. Im Tagesspiegel nimmt Christian Schröder an, dass die Produktionsfirma und schließlich auch Andrew Birkin selbst nicht umhin kamen zu erkennen, dass Speer Täter und nicht Opfer war.

Albert Speer begrüßt lächelnd Adolf Hitler im Jahr 1943 (Foto: Salzgeber).

Albert Speer – ein selbstkreierter Mythos?

Vor allem Carol Reed, der für die Regie im Gespräch war, soll Andrew Birkin auf diesen Umstand hingewiesen haben. Er warnte davor, dass Albert Speer eine Lüge nach der anderen auftische. Er mahnte zudem, dass es verantwortungslos sei, einem Mann mit seiner Vergangenheit eine große Bühne zu geben. Für ihren Dokumentarfilm, der 2020 auf der Berlinale Premiere feierte, gibt Vanessa Lapa nun doch die große Bühne frei. Ihr Film zeigt aber eben nicht das selbstinszenierte Bild, das Albert Speer wohl in seinen Memoiren und den Gesprächen mit Birkin erschaffen wollte. Vielmehr wird deutlich, wie die Medien und die Filmindustrie der USA sich anfänglich mit unreflektiertem Eifer auf die Geschichte stürzten. Er setzt sich mit feinem Blick damit auseinander, wo Widersprüche zwischen der Realität und Albert Speers Version ebenjener vorliegen. Die Bilder von Speer vor Kriegsbeginn und in Kriegszeiten tun ihr Übriges, den selbstkreierten Mythos zu hinterfragen.

Dokumentarfilm seit November 2021 in den Kinos

Vanessa Lapas Film wurde in den Kritiken überwiegend positiv besprochen und erhielt neben einigen weiteren internationalen Nominierungen auch mehrere Auszeichnungen. So etwa den Award als bester Dokumentarfilm 2021 der Israeli Television Academy und den Diamond Award für die beste Regie beim Jerusalem Film Festival. Mehr dazu hier bei den Kolleg*innen von kino-zeit.de. Seit 11. November 2021 ist er nicht mehr alleinig auf Filmfestivals zu sehen, sondern läuft deutschlandweit in den Programmkinos.

In diesem Zusammenhang auch interessant: Anfang 2022 soll der ehemalige Flaghochbbunker St. Pauli nach einer großzügigen Umgestaltung eröffnen – und damit ein öffentlichen Dachgarten mit Panoramablick. Lesen Sie hierzu mehr: Bunker Hamburg.

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