Die europäischen Nordsee-Anrainerstaaten wollen ihre Offshore-Windenergiekapazität bis zum Ende des Jahrzehnts vervierfachen. Doch Offshore-Stromerzeugungsanlagen allein reichen nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen: Dänemark ist Vorreiter mit so genannten Energieinseln, die verschiedene Standorte miteinander verbinden, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Mehr über diese Inseln erfahren Sie hier.
Mit vereinten Kräften
Im April 2023 haben sich die Energieminister*innen von Ländern mit Nordseeküste, darunter Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Norwegen und das Vereinigte Königreich, verpflichtet, Windparks zu bauen und Energieinseln zu entwickeln. Diese Inseln werden als zusammenhängende Offshore-Standorte für grüne Energieerzeugung definiert. Darüber hinaus erklärten die Minister*innen, dass sie Produkte zur Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff auf See auf den Markt bringen wollen. Angesichts der Aggression Russlands gegen die Ukraine und der Energieerpressung gegen Europa soll die Abhängigkeit Europas von russischen fossilen Brennstoffen beendet werden.
Das Gipfeltreffen zur grünen Energie der Nordsee fand in Ostende, Belgien, statt. Vertreter*innen aus Belgien, Irland und Luxemburg nahmen ebenfalls teil, so dass insgesamt acht Länder vertreten waren. Gemeinsam streben sie bis 2030 eine Offshore-Windkapazität von 120 Gigawatt in der Nordsee an. Bis 2050 soll diese Leistung mehr als verdoppelt werden und 300 Gigawatt erreichen. Derzeit sind in diesen neun Ländern rund 30 GW an Offshore-Windkraft installiert.
Jedes Land hat sich individuelle Ziele gesetzt. Bis 2030 will das Vereinigte Königreich 50 GW Offshore-Windenergie erreichen, während Deutschland 26,4 GW und die Niederlande 21 GW anstreben. Belgien, Dänemark, Deutschland und die Niederlande wollen außerdem ihre Kräfte bündeln und ein Cluster von Energieinseln bilden. Und Deutschland wird Pilotprojekte zur Erzeugung von Wasserstoff in Offshore-Anlagen mit erneuerbaren Energien starten.
Belgien strebt bis 2030 eine Energieinsel an
Die derzeitigen Offshore-Windparks in Europa sind fast alle über Unterseekabel mit dem Energiesystem verbunden. Sie führen von jedem Windpark zurück zum „Mutterland“. Die Idee der Energieinseln bedeutet, dass die Übertragung der von ihnen erzeugten Energie zentralisiert werden soll. Verbundene Inseln werden dazu beitragen, die Energieflüsse zwischen den europäischen Ländern zu verbessern.
Belgien und Dänemark haben bereits angekündigt, dass sie ihre Offshore-Stromnetze im Jahr 2022 miteinander verbinden werden. Dazu werden sie die neuen Energieinseln, die sie bauen werden, mit einem Unterseekabel in der Nordsee verbinden. Zu diesem Zweck wird Belgien im Jahr 2024 mit dem Bau einer Energieinsel in der Prinzessin-Elisabeth-Zone beginnen, die 3,5 GW neue Offshore-Windenergie liefern wird. Die Insel wird modular aufgebaut sein und kann im Laufe der Zeit erweitert werden. Neue Windparks werden an die Energieinsel angeschlossen, die ihrerseits über ein einziges Kabel mit dem Festland verbunden sein wird.
Gleichzeitig wird die Insel mit der neuen dänischen Nordseeinsel verbunden sein und als Verbindungspunkt für die neue Leitung dienen, die Belgien möglicherweise zum Vereinigten Königreich baut. Die belgische Insel wird zum Teil aus dem Europäischen Konjunktur- und Resilienzfonds finanziert. Sie soll zwischen 2026 und 2030 gebaut werden.
Dänemark will Energieinseln als Drehscheiben einführen
Dänemark plant, bis 2030 eine Energieinsel in der Nordsee in Betrieb zu nehmen. Sie wird 3 bis 4 GW Energie liefern und hat ein langfristiges Ausbaupotenzial von 10 GW. Gleichzeitig plant das Land, Bornholm zu einer Energieinsel mit einem Energieversorgungspotenzial von 3 GW zu machen. An diese beiden dänischen Energieinseln werden insgesamt 5 bis 6 GW an neuen Offshore-Windparks angeschlossen sein. Das Land geht davon aus, dass es das erste Land mit Energieinseln sein wird, das die immensen Windressourcen in der Nord- und Ostsee nutzen wird.
Nach Angaben der dänischen Energieagentur werden die Offshore-Windturbinen rund um die Inseln in der Lage sein, erneuerbaren Strom zu liefern, mit dem mindestens fünf Millionen Haushalte versorgt werden können. Die Inseln werden eine neue Ära für die Energieerzeugung aus Offshore-Windenergie einleiten und eine grüne Energieversorgung für die dänischen und ausländischen Stromnetze schaffen. Sie werden auch eine Schlüsselrolle bei der schrittweisen Abkehr von fossilen Energieträgern in Dänemark und Europa spielen.
Ein wichtiger Vorteil der Energieinseln besteht darin, dass die Windturbinen weiter von der Küste entfernt aufgestellt werden können, wodurch die Energie effizienter zwischen mehreren Ländern verteilt werden kann. Die Inseln dienen als Knotenpunkte und grüne Kraftwerke, die den Strom aus nahe gelegenen Offshore-Windparks sammeln und an das Stromnetz in Dänemark und anderen Ländern weiterleiten. Auf diese Weise erhalten Haushalte und Unternehmen Zugang zu grünem Strom, der in die Gebiete geleitet wird, in denen er am meisten benötigt wird, während gleichzeitig die erzeugte Energie so effizient wie möglich genutzt wird.
Der Schlüssel zu Europas zukünftigem Energiesystem
Auch die Niederlande und Deutschland arbeiten an Energieinseln in der Nordsee. Es gibt Pläne für eine Insel auf der Doggerbank, die von dänischen, niederländischen und deutschen Unternehmen gebaut und Anfang 2030 in Betrieb genommen werden soll. Dieser Nordsee-Windkraftknotenpunkt könnte auch an das Vereinigte Königreich, Belgien und Norwegen angeschlossen werden.
Energieinseln werden eine wichtige Rolle in Europas künftigem Energiesystem spielen. Sie werden nicht nur erneuerbare und unabhängige Energie liefern, sondern können auch Anlagen beherbergen, die die Systemintegration von Offshore-Erzeugung und -Speicherung in das Hochspannungsnetz ermöglichen. Und sie sind in der Lage, Windenergie in erneuerbaren Wasserstoff umzuwandeln und gleichzeitig Energiespeicher bereitzustellen. Dies wiederum wird dazu beitragen, die Offshore-Windenergie mit dem Energiebedarf an Land in Einklang zu bringen. Indem diese Infrastruktur auf Inseln platziert wird, kann die Anzahl der Anlandungspunkte für auf See erzeugte Energie an Land minimiert werden.
Giles Dickson, CEO von WindEurope, meint dazu: „Energieinseln werden bald Realität sein. Und sie werden unglaublich nützlich sein, wenn es darum geht, die Offshore-Windenergie in das Energiesystem zu integrieren und die Energieflüsse zwischen den Ländern zu verbessern.“