02.09.2023

Gesellschaft

Fairtiq: Ein einziges Ticket für den ÖPNV

Fairtiq hat bereits den öffentlichen Nahverkehr in der Schweiz und Österreich deutlich vereinfacht. Nun kommt die Technologie nach Deutschland. Bildquelle: Fairtiq
Fairtiq hat bereits den öffentlichen Nahverkehr in der Schweiz und Österreich deutlich vereinfacht. Nun kommt die Technologie nach Deutschland. Bildquelle: Fairtiq

Fairtiq ist eine Smartphone-App aus der Schweiz, die das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln vereinfachen möchte. Denn oft gibt es innerhalb einer Stadt so viele verschiedene Tarife, dass es rasch zu Verwirrungen kommen kann. Aber auch andere Länder und Apps nutzen diese Idee. So zum Beispiel München und Regensburg mit dem Pilotprojekt „Swipe + Ride“. Wie das System von Fairtiq und „Swipe + Ride“ funktioniert, erfahren Sie hier.


Die ganze Schweiz profitiert vom günstigsten ÖPNV-Tarif durch Fairtiq

Mit Fairtiq ist es möglich, bei jeder Bus- und Bahnfahrt den jeweils günstigsten Preis zu zahlen. Dafür benötigt man ein Smartphone mit der installierten App und muss im Geltungsbereich von Fairtiq unterwegs sein. Bisher gibt es die App vor allem in ihrem Herkunftsland – der Schweiz. Dort kann man bei Fahrtbeginn einfach auf Start drücken und bei Fahrtende auf Stopp. Die App rechnet dann den besten Tarif aus und am Monatsende wird über PayPal oder Kreditkarte abkassiert. In der Schweiz ist das bereits in allen Zügen, Bussen, Trams und Fähren möglich. 20 Prozent aller Fahrkartenkäufe laufen dort über Fairtiq.

In Frankreich ist die App ebenfalls beliebt: Etwa ein Viertel der Reisenden dort nutzen Fairtiq, um im öffentlichen Nahverkehr sowie bei Reisen innerhalb des Landes den günstigsten Tarif zu erhalten. In Deutschland laufen etwa ein Drittel der Fahrkartenkäufe über Fairtiq, insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Und derzeit gibt es ein Pilotprojekt unter dem Namen „Swipe + Ride“ in München.

Der Gründer von Fairtiq, früherer SBB-Topmanager, heißt Gian-Mattia Schucan und ist promovierter Physiker. 2013 kündigte er bei der Schweizer Bundesbahn, die sich aus Kostengründen gegen einen ticketfreien Ein- und Ausstieg entschieden hatte. Die landesweite Einführung von Fairtiq in der Schweiz kostete 5 Millionen Euro – deutlich weniger als die 300 Millionen Euro, die die SBB veranschlagt hatte.

Gian Mattia Schucan, Gründer und Co-Vorstand von Fairtiq, träumte von ticketlosen Bahnfahrten. Bildquelle: Fairtiq
Gian Mattia Schucan, Gründer und Co-Vorstand von Fairtiq, träumte von ticketlosen Bahnfahrten. Bildquelle: Fairtiq

Kein Tarif- und Zonenwissen mehr nötig

Die Abrechnung bei Fairtiq erfolgt nach kilometerbasiertem Luftlinientarif. Um diese Preise zu erhalten, muss man sich die Fairtiq Lab App herunterladen. In der Schweiz und in Österreich geht das bereits ohne Zugangscode. In Testregionen Deutschlands, wie etwa in München, benötigt man derzeit noch einen Code, um als Tester*in das System zu nutzen. Die App hat eine tägliche Kappung und rechnet in Deutschland nie mehr als 49 Euro ab, was dem Preis des 49-Euro-Deutschlandtickets entspricht.

Fairtiq hat die Mission, das Reisen mit dem öffentlichen Verkehr so leicht zu machen wie noch nie. Das Unternehmen ist auf Expansionskurs und möchte Nutzer*innen international erreichen. Reisende brauchen kein Tarif- oder Zonenwissen mehr, sondern können sich darauf verlassen, automatisch eine faire Abrechnung zu erhalten. Dabei errechnet Fairtiq immer das günstigste verfügbare Ticket für die gefahrene Strecke – Umstiege und Wechsel zwischen Verkehrsmodalitäten wie Bahn, Bus, Tram oder Schiff sind dabei nicht relevant. Man muss sich auch nicht vorher auf eine Endstation festlegen, sondern kann nach Belieben aussteigen.

Wenn die Tickets kontrolliert werden, müssen Reisende die Fairtiq-App bereit halten und über „Ticket anzeigen“ den Barcode vorzeigen. Hier befindet sich ein kleines Risiko, denn wenn der Handyakku leer ist, hat man auch kein Ticket mehr. Ein anderes Risiko besteht darin, den „Stopp“-Button bei Fahrtende zu vergessen. Aber die App verspricht, einen daran zu erinnern. Zudem gibt es eine Smart Stop-Funktion, die laut Unternehmen beim Check-Out assistieren soll. Und auch beim Datenschutz setzt Fairtiq strenge Maßstäbe.

Um eine Fahrt zu beginnen oder zu beenden, ist nur ein Swipe in der App nötig. Bildquelle: Fairtiq
Um eine Fahrt zu beginnen oder zu beenden, ist nur ein Swipe in der App nötig. Bildquelle: Fairtiq

Mit Swipe + Ride zwischen München und Regensburg unterwegs

In Deutschland ist es nun möglich, per Smartphone mit Bus und Bahn zwischen dem Münchner und dem Regensburger Verkehrsverbund unterwegs zu sein. Das Pilotprojekt vom Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) namens „Swipe + Ride“ soll den ersten Schritt zu einem landesweiten elektronischen Tarif für den öffentlichen Nahverkehr darstellen. So soll die manchmal komplizierte Suche nach dem richtigen Ticket zum günstigsten Preis überflüssig werden.

Schon im letzten Jahr startete der MVV den Modellversuch „Swipe + Ride“. Nun ist das Modell, das der Fairtiq-App folgt, auch im Regensburger Verkehrsverbund (RVV) sowie bei Fahrten von dem einen in den anderen Verbund nutzbar. Insbesondere Gelegenheitsfahrer*innen, für die sich ein Abo nicht lohnt, sollen davon profitieren.

Neben dem MVV und dem RVV sind auch der Verkehrsverbund Großraum Ingolstadt (VG) und die Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Regio, agilis, Bayerische Regiobahn und Länderbahn an dem Projekt beteiligt. Der Freistaat Bayern unterstützt das Projekt, das offiziell „eTarif in der Modellregion Donau-Isar“ heißt, mit rund 500 000 Euro. Insgesamt soll das Pilotprojekt zwei Jahre lang laufen. Fairtiq unterstützt den MVV und seine Partner mit der Check-in/Check-out-Technologie.

Auch in anderen Ländern gibt es viel Interesse für die Fairtiq-Technologie. Bildquelle: Fairtiq
Auch in anderen Ländern gibt es viel Interesse für die Fairtiq-Technologie. Bildquelle: Fairtiq

Revolution des Ticketmarkts

In der Region München wurden bisher 10 000 Codes an Tester*innen vergeben. Die bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer erklärte: „Mit dem Piloten „SWIPE + RIDE“ bauen wir die Umstiegshürde „Tarifsystem“ weiter ab. Vor allem Gelegenheitsfahrer müssen sich nun keine Gedanken mehr zum gerade passenden Ticket machen. Und gleichzeitig können die Pilotkunden aktiv an der weiteren Gestaltung des Tarifs mitwirken – als wichtiger Bestandteil des Projektes.“

Der Anklang ist groß. Und auch anderswo gibt es Interesse am ticketfreien Abrechnen der ÖPNV-Nutzung. In Österreich ist die App „SimplyGo!“ beliebt, die mit der gleichen Technologie funktioniert wie Fairtiq. Dänemark experimentiert seit September 2022 ebenfalls mit der Fairtiq-Methode. Und in London gibt es schon lange eine ähnliche Methode, bei der man mit der Oyster- oder Kreditkarte ein- und auscheckt. Das System wählt dann am Tagesende den günstigsten Tarif für alle getätigten Fahrten aus. Die Oyster Card feierte 2023 übrigens ihr 20-jähriges Jubiläum. Alles zur Erfolgsgeschichte lesen Sie hier. 

Fairtiq möchte noch intelligenter sein. So soll die Technologie künftig erkennen, wenn man einen Weg zu Fuß zurücklegt, um diesen von den Fahrtkosten abzuziehen. Per GPS-Tracking könnte es sogar bald unnötig werden, per Swipe den Check-in und Check-out zu absolvieren. In der Schweiz wächst der Anzahl der Fairtiq-Nutzer*innen jeden Monat um zehn bis 15 Prozent. Und auch in Deutschland ist Fairtiq dabei, den Ticketmarkt zu revolutionieren.

Weiterlesen: Interessante Projekte zur Mobilität gibt’s in unserem Mobility Special zu finden.

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