Wie fördern Freiräume die politische Haltung ihrer Nutzer?
Öffentliche Räume sind stets politische Räume. Im besten Fall sind sie im Sinne des demokratischen Ansatzes für alle frei zugänglich und verfügbar. In der Realität unterliegen sie aber immer administrativen, ökonomischen und sozialen Zwängen, die das Ideal einer freien Zugänglichkeit unterbinden. In der Juniausgabe der G+L diskutieren wir anhand aktueller Projekte, wie Städte die Entwicklung offener, urbaner Strukturen möglich machen und welche Faktoren eine freie Zugänglichkeit behindern. G+L-Redakteurin Theresa Ramisch stellt hier unser letztes Heft der Mini-Serie “Städte für Morgen” vor.
Dem Facebook-Account von Extinction Rebellion Deutschland folgen wir in der Redaktion seit Anfang diesen Jahres. Aus politischer Neugier, aber vor allem, weil wir die Form des Protests der internationalen Bewegung interessant finden. XR, so die Kurzform, reizt mit der Art, wie sie sich Stadtraum aneignet und stärkt ihn als Ort politischer Willensbildung.
Mit Trauermärschen, Theater-Flashmobs oder auch sogenannten Die-Ins (siehe Cover) protestieren die Aktivisten friedlich gegen die Klimakrise und fordern ein fundamentales Umdenken im System. Die XR-Performance-Demonstrationen schockieren und faszinieren. Sie geben dem urbanen Raum seine politische Bedeutung zurück. Plätze, Parks und Straßen werden wieder zu Versammlungsorten, der Stadtraum wird zur demokratischen Institution.
Öffentlicher Raum bildet sich durch das Verhalten seiner Nutzer. Im normativen Ansatz ist er dabei für jedermann stets frei nutzbar. Menschen formieren sich hier in Interaktion miteinander als Gesellschaft. Ohne soziale Kontrolle, ohne Konsumzwang, ohne staatliche Überwachung. In Realität unterliegt jeder Stadtraum jedoch stets administrativen, ökonomischen und sozialen Einschränkungen. Nutzungskonflikte sind Alltag.
Im vorliegenden Heft stellen wir die Frage, wie wir Planer Freiräume schaffen können, die die Gesellschaft und ihre politische Haltung nicht nur mitdenken, sondern aktiv fördern. Ein schweres Unterfangen, wenn nicht nahezu unmöglich. Schließlich war selbst die Agora nur ausgewählten Personen zugänglich: erwachsenen, freien und besitzenden Männern. Das Grundsätzliche hält sich bis heute. Es werden nie alle eine Stimme im Raum haben.
Nutzer als Bürger verstehen
Können wir aber trotz exklusiver Nutzungen Stadträume inklusiv gestalten und Raum für Begegnungen, Meinungsaustausch, Öffentlichkeit schaffen? Ja, definitiv. Wie, das macht der Skanderbeg-Platz in Tirana vor. Der 2018 mit dem „European Prize for Urban Public Space” ausgezeichnete Platz ist zum Großteil verkehrsberuhigte Zone. Er ist so gestaltet, dass Menschen sich dort gerne aufhalten und er ist das politische wie kulturelle Zentrum der albanischen Hauptstadt.
Was die Skanderbeg-Planer vom Architekturbüro 51N4E anders gemacht haben? Sie verstanden den öffentlichen Raum als Prozess, der den Nutzer zum Bürger erhebt. Indem sie seine Interessen, Ansprüche und Bedürfnisse abfragten. Denn erst wenn man so gestaltet, dass aus Nutzern Bürger werden, also politische Wesen, die ihre Werte und Normen mit dem Gegenüber friedlich in der gestalteten Umwelt verhandeln können, wenn die Gestaltung Vielfalt fördert, dann hat man als Planer alles richtig gemacht.
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