27.05.2022

Aktuelles

Ausstellung zu Isamu Noguchi

1965/2021 von Isamu Noguchi. Foto: Rheinisches Bildarchiv
1965/2021 von Isamu Noguchi. Foto: Rheinisches Bildarchiv

Isamu Noguchi war nicht nur Designer und Bildhauer, sondern auch Gartenkünstler. Einer seiner bekanntesten Gärten dürfte der Garten des Friedens auf dem UNESCO-Hauptquartier in Paris sein. Seine Werke können derzeit im Kölner Ludwig Museum gesichtet werden. Frank Maier-Solgk war für uns vor Ort.

Bildhauer, Designer, Gartenkünstler. Isamu Noguchi, als Sohn eines japanischen Dichters und einer amerikanischen Schriftstellerin 1904 in den USA geboren, war von jedem etwas und zugleich alles in einem. In Europa war er bisher in erster Linie als Designer bekannt; populär wurden seine verschieden gerundeten schwerelos wirkenden Akari-Lampenschirme (Akari, jap. Licht) aus Bambus und japanischem Washi-Papier, die dank eines schwedischen Möbelhauses früher in jedem zweiten Jugendzimmer von der Decke hingen. Dass Noguchi tatsächlich als Bildhauer einer avantgardistischen Moderne gelten kann und darüber hinaus auch ein wichtiger Gartengestalter war, dessen gärtnerische Spuren auf drei Kontinenten zu entdecken sind, davon kann man sich derzeit im Kölner Ludwig Museum überzeugen.

1965/2021 von Isamu Noguchi. Foto: Rheinisches Bildarchiv
Kinder auf der Play Sculpture, 1965/2021 von Isamu Noguchi, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln, Marleen Scholten

Kunst als soziale Praxis

Das Haus widmet dieser zwischen den Kulturen und Professionen wechselnden Künstlerfigur erstmals seit langem eine umfassende Retrospektive; rund 150 Arbeiten aus allen Schaffensphasen werden gezeigt, wobei die Ausstellung zwar die bildhauerische Seite betont (Kuratorin: Rita Kersting), dennoch aber auch die Schnittstellen zwischen den Professionen sichtbar werden lässt, die beileibe nicht so getrennt sind, wie es zunächst den Anschein hat: Ist ein Garten nicht auch designte Natur und spielen im Garten – jedenfalls nach traditioneller Zen-Auffassung – nicht Steine eine Hauptrolle? Steine, deren Formen sich wiederum die Bildhauer*innen der Moderne immer wieder zum Vorbild nahmen. Noch seine Lampen hat Noguchi denn auch weniger als Designprodukte begriffen denn als das Ergebnis formaler Auseinandersetzungen mit der Idee, die Verbindung von Tradition (Material) und moderner Technik (Elektrizität) in einer unangestrengten alltäglichen Weise zu erreichen – fast im Sinne eines Verständnisses von Kunst als soziale Praxis.

Das Vermeiden von gängigen kunsthistorischen Zuordnungen, der Versuch, Kunst in die soziale Lebenswelt zu integrieren, und die fast selbstverständlich wirkenden Verbindungen von angewandter und autonomer Kunst, all dies sind Konstanten im Werk von Noguchi. Man begegnet ihnen in der Kölner Ausstellung in unterschiedlichen Varianten: Schon zu Beginn im ersten Saal stößt man auf eine „Tsukubai“, eine fünfeckige Granitskulptur, die in ihrer Mitte eine mit Wasser gefüllte Vertiefung enthält. Die Arbeit, die erkennbar maschinell hergestellt ist, versteht sich als moderne Variation des in Japan zur Waschung vorgesehenen Beckens, das oft am Eingang heiliger Orte bereitgestellt wurde.

Zukunftsmobil für James Bond

Ganz am Ende der Ausstellung hat man im Ludwig Museum eine seiner berühmtesten Spielskulpturen aufgestellt, die 1965 entstandene „Play Sculpture“ (112,7 x 261,6 x 261,6 Zentimeter), ausgeführt aus glänzend rotem Stahl, die den jüngeren Besucher*innen in Köln zum Probesitzen oder Probeklettern zur Verfügung steht. Den Ursprung von Noguchis immer wieder gesuchter Verbindung von Bildhauerei mit benachbarten Professionen findet man bereits in seinen frühen Jahren. Ende der 1920er Jahre lernt er den Architekten und technischen Visionär Buckminster Fuller kennen, mit dem zusammen er das Modell eines schnittigen Zukunftsautomobils entwarf, das man sich auch in einem frühen James Bond Film vorstellen könnte. Noch intensiver war die Zusammenarbeit wenig später mit der legendären amerikanischen Tänzerin und Tanzpädagogin Martha Graham, für die ab den 1930er Jahren Bühnenbilder entwarf und auf diese Weise die theatralische Verbindung von Skulptur und Bühnenraum erprobte, die für spätere, größere Projekte wichtig wurde.

Spielskulpturen von Isamu Noguchi

Es ist vermutlich nicht übertrieben zu sagen, dass es dann vor allem seine wenn auch in der Zahl überschaubaren öffentlichen und privaten Gartenanlagen waren, die Noguchis Denken am „exemplarischsten“ verkörperten. Seinem ersten realisierten Garten aus dem Jahr 1951 in Japan (Readers Digest Building, Tokio) gingen bereits mehrere Entwürfe für Spielplätze in den USA voraus, darunter der Plan für einen großen „Play Mountain“ mit Rutschen und Schlittenläufen mitten in New York. In diese Phase fallen auch die von ihm entworfenen Spielgeräte, Klettergerüste und wiederum Rutschen, die Noguchi jenseits ihrer Funktion wiederum vor allem als Skulpturen begriff. In Großform realisierte der Künstler einen Spielplatz oder Spielpark nach seinen Vorgaben in den USA erstmals 1976 in Atlanta (Georgia), wo seine Playscapes-Skulpturen im Zentrum standen.

UNESCO Garten Paris, Foto: Frank Maier-Solgk

Ein japanischer Garten in Paris

Wenn man Noguchis Gartenkunst heute unmittelbar erleben will, fährt man am besten nach Paris. Hier legte Noguchi 1957 zur Eröffnung des UNESCO-Hauptquartiers an der Place de Fontenoy den 1 700 Quadratmeter großen Garten des Friedens an, der durch seine Erinnerung an Hiroshima zugleich den Zweck der gesamten Institution zum Ausdruck bringen sollte. Hier, auf der Ostseite des Gebäudes – gegenüber auf der Westseite, dem ehemaligen Haupteingang, stehen Skulpturen von Henry Moore und sind die unterirdischen Gärten von Burle Marx zu entdecken – verband er die Idee des japanischen Zen-Gartens mit westlichem Minimalismus, ließ aus Okayama und Shikoku Granitsteine einfliegen, legte eine Wassertreppe an, die zwei Ebenen miteinander verband und hüllte all diese steinernen und architektonischen Elemente mit japanischen Magnolienbüschen, Kirsch- und Pflaumenbäumen ein.

Sein Verhältnis zur Tradition der japanischen Gartenkunst beschrieb Noguchi folgendermaßen: „To learn but still to control, not to be overwhelmed by so strong a tradition, is a challenge. My effort was to find a way to link that ritual of rocks which comes down to us through the Japanese from the dawn of history to our modern times and needs.”

Moerenuma Park von Isamu Noguchi

Dem gärtnerischen Hauptwerk in Paris (das man besichtigen kann) folgten in Abständen weitere, oft bereits durch ihren Ort symbolisch aufgeladene Gartenanlagen: 1965 eröffnete sein „Bill Rose Art Garden“ für das damals neu errichtete Israel Museum in Jerusalem, ein bedeutender zwei Hektar großer Skulpturenpark, den er auf dem naturnah belassenen, mit Felsen und einheimischer Vegetation durchsetzten Hanggelände anlegen ließ. Es folgte eine Reihe von Gärten für amerikanische Unternehmen, darunter auch der „Sunken Garden“ für die Chase Manhatten Bank in New York (1961-1964). Sein letztes großes Werk, der Moerenuma Park, findet sich im japanischen Sapporo. Die weiträumige Anlage entstand auf einem ehemaligen Abfallgelände, mit der im Rahmen eines ausgedehnten sogenannten Land Reclamation Projekts Anfang der 1980er Jahre begonnen wurde; 2005 wurde er – posthum – fertig gestellt; ausgestattet war und ist er mit Noguchis Spielskulpturen: Ein Park, so Noguchi, „that is considered to be one complete sculpture“.

Isamu Noguchi, Modell für US Pavilion Expo ’70 (Garden of the Moon), © The Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum/VG Bild-Kunst, Bonn 2022; Foto: Peter Moore

Endzeitvisionen von damals wieder aktuell

Am intensivsten in der Ausstellung wirkt jedoch – die Gärten Noguchis werden in Filmen und Fotografien präsentiert – jener Saal, in dem auf die Wand der Entwurf für eine von Noguchi geplante, aber nie realisierte Land Art-Arbeit mit dem Titel „Sculpture to be seen from Mars“ oder „Memorial to man“ aufgetragen wurde. (Das einzige existierende Dokument ist eine Fotografie.) 1947 entstand der Entwurf, nachdem Noguchi zuvor die zerstörten Städte Hiroshima und Nagasaki besucht hatte. Es handelte sich um den Plan eines mehrere Kilometer großen menschlichen Gesichts in der Wüste (allein die Nase sollte einen Kilometer lang sein), gedacht als künstlerisches Mahnmal in Erinnerung an eine Menschheit, die mit ihren ersten Atombombeneinsätzen damals ihrem Ende zuzuarbeiten schien. Heute sind es wiederum Kriege und nicht zuletzt eine Klimakrise, die den Gedanken an ähnliche Endzeitvisionen nahelegen können. Nicht nur an solchen Entwürfen sieht man Noguchis überaus weitgespannte kreative Fantasie, die an Aktualität kaum verloren hat.

Die Ausstellung Isamu Noguchi im Museum Ludwig, Köln, ist noch bis zum 31. Juli 2022 zu sehen.

Gerade nicht in Köln? In Zürich läuft noch bis September 2022 eine neue Plastik-Ausstellung im Vitra Design Museum.

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