03.05.2022

Aktuelles

Neue Plastik Ausstellung im Vitra Design Museum

Key Visual zur Ausstellung »Plastik. Die Welt neu denken« © Vitra Design Museum (Illustration: Daniel Streat

Key Visual zur Ausstellung »Plastik. Die Welt neu denken« © Vitra Design Museum (Illustration: Daniel Streat

Living in a plastic world? Vom 26. März bis 4. September 2022 läuft im Vitra Design Museum die Ausstellung „Plastik. Die Welt neu denken”. 

Plastik ist ein kontroverses Material. Einst galt es als neuartiger Kunststoff, der nicht nur in der Verpackungsindustrie, sondern auch im Design eine Vielzahl an Verwendungsmöglichkeiten eröffnete. Dieser unbeschwerte Umgang im 20. Jahrhundert hat bis heute Auswirkungen. Der regelrechte Kunststoff-Boom brachte drastische Umweltbelastungen mit sich. Um diese weiß man heute. Und versucht Lösungsansätze für nachhaltige Alternativen und einen gemäßigteren Umgang zu finden. Die neue Ausstellung „Plastik. Die Welt neu denken“ beleuchtet in vielfältiger Weise das Thema. Sie eröffnete am 26. März im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Dort ist sie bis zum 4. September zu sehen. Anschließend wird sie im V&A Dundee und im maat, Lissabon gezeigt. Gezeigt werden darin Objekte aus verschiedenen Jahrzehnten. Gleichzeitig wird die Entwicklung von Ideen und Idealen im Laufe der Zeit thematisiert. Insgesamt soll so eine kritische und differenzierte Auseinandersetzung entstehen. Mit einem Material und den komplexen Zusammenhängen, in denen es steht.

Key Visual zur Ausstellung »Plastik. Die Welt neu denken« © Vitra Design Museum (Illustration: Daniel Streat, Visual Fields)

Vom Wandel in der Wahrnehmung

Die Ausstellung im Vitra Design Museum vermittelt die Thematik über diverse (audio)visuelle Darstellungsmethoden. Gleich am Eingang zeigt eine großformatige Filminstallation Sequenzen zu Konflikten, die aus der Plastikproduktion und -nutzung hervorgehen. Videoimpressionen der unberührten Natur stehen den Entwicklungen in der Produktion gegenüber. Dabei wird die Unverhältnismäßigkeit des zeitlichen Horizonts deutlich. Die Entstehung der fossilen Rohstoffe Kohle und Erdöl dauerte über 200 Millionen Jahre. Innerhalb nur eines Jahrhunderts generierten Menschen durch die daraus hergestellten synthetischen Kunststoffe dann eines der größten Umweltprobleme der heutigen Welt. Die industriellen Herstellung ermöglichte über Jahrzehnte einen steigenden Materialabsatz. 100 Jahre lang galt das Mantra von schnell und günstig als Optimum.  Erst in den letzten Jahren setzt ein Umdenken ein. Diese Entwicklung und den Wandel in der Wahrnehmung will die Ausstellung in Weil am Rhein vermitteln.

Zelluloid statt Elfenbein – Die Anfänge des Materials Plastik

Dazu informiert sie zunächst detailliert über die historischen Abläufe in der Entwicklung des Materials. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts stellten vereinzelte Erfinder*innen den heute allgegenwärtigen Kunststoff her. Zuvor nutzten die Menschen diverse andere pflanzliche und tierischer Rohstoffe in unterschiedlichsten Ausprägungen. Trinkgefäße oder Besteck wurde so beispielsweise jahrhundertelang aus Horn oder Schildpatt gefertigt. Zur Herstellung von Dekorationsobjekten, aber zum Beispiel auch zur Isolierung von Seekabeln, fand der eingedickte Saft des Guttapercha Baumes Verwendung. 1860 erfand John Wesley Hyatt dann zunächst das Zelluloid. 1907 schließlich entwickelte Leo Baekeland den ersten vollsynthetischen Kunststoff mit dem Namen Bakelit. Es verfügte über gute Isoliereigenschaften und fand vielfach Verwendung in Lichtschaltern, Steckdosen oder Radios. Baekelands Erfindung trug damit wesentlich zur flächendeckenden Elektrifizierung bei. Schnell wurde der Kunststoff als Material der unbegrenzten Möglichkeiten gefeiert. Bis in die 1920er Jahre blieb es allerdings zunächst bei den Erfindungen einzelner Tüftler*innen.

Vom Fallschirm zur Barbiepuppe – Eine Erfolgsgeschichte nimmt ihren Lauf

Danach sollte die Epoche der „Petromoderne“ beginnen. Große Chemiekonzerne stiegen in die Entwicklung ein. Ab den 1930er Jahren trat dann die Berufsgruppe der Industriedesigner*innen auf den Plan. Sie feilten an Möglichkeiten zur Nutzung des neuen Materials. Mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges entstand ein weiterer Absatzmarkt für die wachsende Kunststoffindustrie. Plötzlich waren Plexiglas für Flugzeugcockpits oder Nylon für Fallschirme gefragt und mit der Nachfrage stieg das Angebot. Nach 1945 wurden die entwickelten Materialien für den häuslichen Bedarf umgedeutet. Plastikgeschirr, Tupperware aber auch Spielzeuge wie die Lego-Bauklötze oder die Barbiepuppe waren begehrt. 1957 errichtete dann eine Gruppe Architekt*innen im Disneyland Monsanto ein Haus, welches komplett aus Plastik bestand. Sie nannten es „House oft the Future“.  Und zeichneten damit bereits eine utopische Zukunftsvision aus Plastik. Die wachsende Faszination für die Raumfahrt schlug sich in futuristischen Formen und Wohnkonzepten nieder, die durch den synthetischen Kunststoff realisiert werden konnten.

Edward Hack, Ananas-Sirupflasche, ca. 1958; Courtesy Museum of Design in Plastics, Arts University Bournemouth

Ein Umdenken ist gefragt

Zeitgleich tüftelte die Verpackungsindustrie an einem weiteren Coup. Die Plastiktüte wurde erfunden. Sie gilt bis heute als Synonym für eine zeitgleich einsetzende Wegwerfmentalität. Während der Ölkrise 1973 wurde Erdöl kurzzeitig knapp und teurer. Die Plastikindustrie litt darunter nur kurzfristig. Auch die Endlichkeit von Rohstoffen, gelangte trotz der Krise nicht nennenswert ins allgemeine Bewusstsein. Bestrebungen zur Vermeidung von Plastikmüll kamen nur langsam auf. Nur vereinzelt experimentierten Designer*innen in ihren Arbeiten in den 1990er Jahre mit recycelten Kunststoffen. Heute sind die Fragen nach einem Umgang mit Plastik und Plastikmüll drängender denn je. Einerseits sind durch das Material in vielen Bereichen zuvor undenkbare Produktionsmöglichkeiten entstanden – etwa im Gesundheitsbereich. Andererseits stehen diesen durchaus geschätzten Nutzungen dramatische, negative Auswirkungen entgegen. Die Plastik Ausstellung verdeutlicht, wie der Planet und die Menschheit von Mikroplastik und Bergen von Verpackungsmüll bedroht sind. Und fordert einen anderen Umgang mit Kunststoff.

Ausstellungsschwerpunkt Recycling

Dazu widmet das Vitra Design Museum dem Thema Recycling einen eigenen Ausstellungsbereich. Und geht der Frage nach, welche Rolle – in Zusammenarbeit mit Industrie, Politik und Konsument*innen – Design spielt. Durch die Zusammenstellung an  geschichtlichen Inhalten und zukunftsweisenden Designansätzen wird ein umfassendes Bild gezeichnet. Beispielprojekte zeigen, wie ein inspirierter Umgang mit recyceltem Plastik aussieht. Design und Infrastrukturmaßnahmen gehen dabei oft Hand in Hand. Und Designansätze können politische Macht entfalten. Dazu wird das Projekt „FlipFlop“ in Kenia präsentiert. Aus recyceltem Kunststoff wurde dort ein traditionelles Dau Segelschiff aufgebaut. Dieses fungiert nun als mobiles Informationszentrum und versucht auf dringend notwendige Gesetzesänderungen hinzuwirken. Ein weiterer Lösungsansatz ist in der Rückbesinnung auf nachwachsende Rohstoffe zu erkennen. In der Ausstellung findet sich dazu eine Arbeit der niederländischen Designer Klarenbeek & Dros, die Algen-basiertes Bioplastik aus dem 3D-Drucker herstellen. In Interviews kommen Designer*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen zu Wort.

Nicht nur die Ausstellungen des Vitra Design Museums sind innovativ, auch der von Piet Oudolf gestaltete Campusgarten ist bemerkenswert.

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