18.07.2023

Projekt

Längster Fahrradtunnel der Welt: Fyllingsdal Tunnel

So kunstvoll kann ein Tunnel sein. Foto: Thor Brødreskift /Miljøløftet
So kunstvoll kann ein Tunnel sein. Foto: Thor Brødreskift /Miljøløftet

Schon einmal durch einen Berg geradelt? In Norwegen ist das jetzt möglich. Und nicht nur das: der sogenannte Fyllingsdal-Tunnel ist der längste Fahrradtunnel der Welt. Mehr zu dieser spannenden Attraktion erfahren Sie hier. 


Norwegens rekordbrechende Tunnel

Norwegen hat es wieder getan. Der Lærdalstunnel gilt als längster Straßentunnel der Welt. Mit dem Fyllingsdal-Tunnel (auf norwegisch Fyllingsdalstunnelen) folgt nun ein weiterer Meilenstein. Hier schuf die Gemeinde Bergen den längsten — bewusst für Fahrradverkehr geschaffenen — Tunnel der Welt. Seit April diesen Jahres können Besucher*innen so zu Fuß oder mit dem Rad den Løvstakken Berg durchqueren. Dadurch sind die Wohngebiete Fyllingsdalen und Mindemyren jetzt miteinander verbunden. Die Strecke ist dabei knappe drei Kilometer lang und verläuft hauptsächlich gradlinig.

Die Sonnenuhr inmitten des Tunnels. Foto: Iver Daaland Åse / Bybanen Utbygging
Die Sonnenuhr inmitten des Tunnels. Foto: Iver Daaland Åse / Bybanen Utbygging
Raststelle im Tunnel. Quelle: Thor Brødreskift /Miljøløftet
Raststelle im Tunnel. Foto: Thor Brødreskift /Miljøløftet

Ein Tunnel muss sich nicht gefährlich anfühlen

Ein Tunnel ist für gewöhnlich kein Ort, an dem man sich lange aufhalten möchte — ganz zu schweigen in Schrittgeschwindigkeit durchlaufen. Wie kann man (oder vielmehr „frau“) sich also sicher fühlen? Zum einen schuf die Gemeinde Bergen hierfür in regelmäßigen Abständen Überwachungskameras. Alle 250 Meter steht außerdem eine Notrufsäule. Und als Attraktion gibt es gut beleuchtete „Raststätten“ mit kurzem Verweilcharakter. Zum anderen wird beim Eintritt in den Fahrradtunnel eine bunte Lichtwelle erzeugt. So erkennen Besucher*innen, wenn Gegenverkehr kommt.

Darüber hinaus kennzeichnet den Tunnel nicht das gewohnte eintönige Grau. Denn Künstler*innen verwandelten den Fyllingsdal-Tunnel in eine wahre Kunstszene. Die Seitenwände sind voll mit Kunstwerken und Lichtinstallationen. Dies bricht die Monotonie und macht das Durchqueren zu einer Attraktion. Beispielsweise befindet sich in der Mitte der Strecke eine Art Sonnenuhr — natürlich ironisch gemeint, da die Sonne diesen Punkt nie erreichen wird. Es gibt zudem Orientierungspunkte. Hier verdeutlichen Grafiken an den Seitenwänden, wo man sich gerade befindet und wie weit der nächste Ausgang entfernt ist.

Auch um die Statik muss sich wohl niemand Sorgen machen. „Wir Norweger sind normalerweise bescheidene Menschen, aber in diesem Fall würden wir sagen, dass der Tunnel zu 100 Prozent auf dem neuesten Stand der Technik ist“, berichtete Camilla Einarsen Heggernes, eine Sprecherin des Eisenbahn­unternehmens Bybanen Utbygging, gegenüber dem Nachrichtensender „CNN“. Der Bau des Tunnels kostete immerhin fast 29 Millionen US-Dollar.

Inklusives Treiben. Quelle: Thor Brødreskift /Miljøløftet
Inklusives Treiben. Foto: Thor Brødreskift /Miljøløftet
Wissen, wo's lang geht. Quelle: Thor Brødreskift /Miljøløftet
Wissen wo's langgeht. Foto: Thor Brødreskift /Miljøløftet

Ein Tunnel mit vielseitiger Nutzung

Es gibt zwei klar ablesbare Fahrspuren. So kommen sich Radfahrende und Fußgänger*innen nicht in die Quere. Der Radweg ist dabei 3,5 Meter breit. Der andere Bereich ist 2,5 Meter breit und dient als Fußweg und zum Joggen. Damit die Aufteilung noch deutlicher ist, ist die Radspur aus Asphalt, die andere aus königsblauem Tartanbelag. Der gummiartige Charakter federt also und ist somit eine attraktive Trainingsstrecke. Auch ist die Temperatur im Fyllingsdal Tunnel konstant auf sieben Grad Celsius. Das heißt, einer ganzjährig möglichen und überdachten Bewegung steht nichts im Wege. Darüber hinaus werden immer wieder Sitzmöglichkeiten angeboten — zum Beispiel in Form von Gesteinsblöcken, die aus der Bauzeit stammen. Das ist eine schöne Art, den genius loci des Ortes und die fachliche Leistung zu betonen.

Sitzmöglichkeiten aus Felsmaterial. Foto: Iver Daaland Åse / Bybanen Utbygging

Eine Bereicherung für Bergen und Umgebung

Ursprünglich hatte der Fyllingsdal-Tunnel nur einen Zweck: er sollte als Fluchtweg für Zugreisende der neuen Bybanen-Stadtbahnlinie von Bergen dienen. Diese wurde im November 2022 eingeweiht und verläuft parallel zum Fahrradtunnel. Dann entschloss sich die Gemeinde, die Infrastruktur von einem Nebenprodukt zu einem kreativen Vorzeigeprojekt aufzuwerten. Daraufhin wurde der Tunnel speziell für Zufußgehende und Radfahrende ausgebaut. „Das Tolle daran ist, dass wir notwendige Infrastrukturen wie einen Fluchttunnel nutzen, um neue Verbindungen und Abkürzungen zwischen den Stadtteilen zu schaffen“, sagte Bürgermeister Jon Askeland über das Bauvorhaben. 

Es ist ein bisschen paradox — aber der Bau des Fyllingsdal-Tunnels soll der Umwelt dienen. Denn Ziel des Projektes ist es, dass Menschen seltener zum Auto greifen. Der neue Tunnel soll also Anwohner*innen und Durchreisende ambitionieren, lieber das Fahrrad zu nehmen oder zu Fuß zu gehen. Zu Fuß braucht man für die Strecke etwa dreißig bis vierzig Minuten. Mit dem Fahrrad sind es jetzt nur noch zehn bis fünfzehn Minuten. Hier hat sich die Fahrzeit für diejenigen halbiert, die von Fyllingsdalen ins Stadtzentrum Bergens wollen. Auf bestehenden Routen lässt es sich vom Tunnelausgang direkt bis ins Zentrum von Bergen bequem weiterfahren. Die Bergdurchquerung ist dabei täglich von 5:30 bis 23:30 Uhr möglich. 

Zusammenfassend lässt sich also sagen: der Fyllingsdal-Tunnel erhöht die Lebensqualität Bergens und ihrer Umgebung. „Durch die Schaffung eines Gehwegs hier ist es auch möglich, Sport zu treiben (…) Es handelt sich also um die öffentliche Gesundheit in jedem Meter dieses Tunnels“, sagte Projektleiter Arild Tveit hierzu. „Es eröffnet viele unterhaltsame Möglichkeiten wie Rennen und Wettbewerbe“, bekräftigte auch Rune Bakervik, Bergens Stadtratsvorsitzende, gegenüber „CNN“. Des Weiteren steigert der Fyllingsdal-Tunnel natürlich auch den Tourismus. Und je weniger Autos benutzt werden, desto besser. 

Tunnelbahn und Fahrradtunnel verlaufen parallel. Quelle: Thor Brødreskift /Miljøløftet
Stadtbahnlinie und Fahrradtunnel verlaufen parallel. Foto: Thor Brødreskift /Miljøløftet

Tunnelbau mit nachhaltigem Anspruch

Die norwegische Region verfolgt tatkräftig das Ziel, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen. So rüstet man bereits Fähren auf E-Antrieb um. Auch die Infrastruktur für die vielen Elektrofahrzeuge ist bereits gut ausgebaut. Daher ist es nicht das erste Mal, dass Bergen bei Umweltinitiativen eine Vorreiterrolle einnimmt. Der Fyllingsdal-Tunnel wurde dabei durch das staatlich geförderte Miljøløftet (Umweltversprechen) der Gemeinde finanziert. 

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