Das Aufgabenfeld der Landschaftsarchitektur ist vielfältig. Es geht weit über die Gestaltung von Freiräumen und Grünzügen, von Parks und Gärten, Landschaften und Vegetationen hinaus. Vielmehr wagt die Profession sich immer wieder in unbekanntes Terrain vor.
Landschaftsarchitektur früher und heute
Schon jetzt hat das Aufgabenfeld Landschaftsarchitektur viele verschiedene Facetten. Die Vertreter*innen der Profession tragen mit ihrer technischen und ästhetischen Expertise wesentlich zur Gestaltung von Freiräumen in Stadt und Land bei. Dabei sind die Anforderungen an Landschaft und Freiraum heute größer denn je. Der Blick in die Zukunft lässt weitere Herausforderungen erwarten. Deshalb übertitelt die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ihre neue Broschüre zur Landschaftsarchitektur mit Terra Icognita, mit „unbekanntes Terrain“.
Viele Räume in unseren Städten und Regionen wurden und werden von Landschaftsarchitekt*innen gestaltet. Gärten, Parks, Plätze, Wasserflächen, Grünanlagen und deren intelligente Vernetzung gehören dazu. Nun schlummern neue Aufgabe und Potenziale in der Neugestaltung und dem Umbau des dichten Netzes von Verkehrsräumen. Hier treffen problematische Aspekte wie Verkehrsdichte, Flächenversiegelung, Feinstaubbelastung, Lärm und hohe Temperaturen aufeinander. Neue Alleen, begrünte Boulevards, sichere Bewegungsräume für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen, Alltagswege in der Nachbarschaft und wohnraumnahe Versorgung können wesentliche Beiträge zu einer lebenswerten Stadt leisten. Auch Dächer und Fassaden gehören zu den Orten, die verstärkt in den Blick der Landschaftsarchitektur und ihr Aufgabenfeld rücken. Grün gestaltet leisten sie wichtige Beiträge zur Resilienz und Attraktivität von Städten.
Jenseits der Stadt
Aber nicht nur in urbanen Räumen liegen Aufgabenfelder für Landschaftsarchitekt*innen. Auch vor den Toren unserer Städte warten große Herausforderungen. Nachdem schon in den 1990er Jahren Industrieareale erfolgreich in neue Stadtlandschaften transformiert wurden, warten nun neue Industriefolgelandschaften. Riesige Areale geschundener Natur bedürfen der Revitalisierung. Hier liegt die Chance für Landschaftsarchitektur, neue, ökologisch ambitionierte Hochleistungslandschaften zu entwerfen, die den Anforderungen unserer Gesellschaft entsprechen und gleichzeitig den natürlichen Ressourcen Rechnung tragen.
Darüber hinaus ist Landschaft weiterhin als Produktionsraum für die Gewinnung erneuerbarer Energien zu denken. Landschaft ist auch der Raum, in dem unsere Nahrungsmittel wachsen, in dem die zentrale Grundlage menschlichen Lebens gedeiht. Bei allen Überlegungen zur Nutzung und Gestaltung von Freiräumen und Landschaftsräumen ist vor allem Flexibilität mitzudenken. Räume müssen multicodiert, anpassungsfähig und vielfältig nutzbar sein. Nur dann sind sie resilient und können auf zukünftige Herausforderungen reagieren.
Berufsfeld Landschaftsarchitektur
Technisch gesprochen liegt die Berufsaufgabe von Landschaftsarchitekt*innen in der Planung von Freiräumen, Gärten und Landschaften unter Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher, gestalterischer, gesellschaftlich-sozialer und ökologischer Gesichtspunkte. Dazu gehören traditionelle Aufgaben wie die Entwicklung von Park- und Gartenanlagen, von Plätzen, Straßenräumen und Fußgängerzonen, von Innenhöfen und Dachgärten, von Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen, Freibädern, Schwimmteichen und Naturbädern, von Außenanlagen, an privaten und öffentlichen Gebäuden. Aber auch die Gestaltung von Gartenschauen sowie die Gartendenkmalpflege, Dorf- und Stadtentwicklung, naturschutzfachliche Eingriffe und Kompensationen gehören zum Aufgabenfeld Landschaftsarchitektur.
Freiräume sind die zentrale Lebensgrundlage aller Lebewesen und dementsprechend müssen Landschaftsarchitekt*innen in langfristigen Zeiträumen und nachhaltigen Zyklen denken. Sie müssen nachhaltige, multifunktionale, gut vernetzte und vielgestaltige Freiflächensysteme in Stadt und Land entwickeln. Dabei braucht es das Fachwissen der Landschaftsarchitektur in vielen Bereichen. Landschaftsarchitekt*innen müssen aber auch als Mittler*innen und Mediator*innen im Spannungsfeld vieler Akteur*innen interdisziplinär arbeiten.
Alle mitnehmen
Landschaftsarchitekt*innen waren schon immer kompetente Planungspartner*innen. Aber vermehrt reden viele weitere Stimmen mit. Auf die eine oder andere Weise haben alle Menschen etwas beizutragen, denn die gute Gestaltung von Freiräumen ist für jeden wahrnehmbar, schafft Identität und sorgt für Wertschätzung. Das Aufgabenfeld Landschaftsarchitektur muss hier mit Funktionsverteilung und Gestaltung helfen, Übernutzungen zu vermeiden. Das hat die Pandemie deutlich gezeigt. In Zeiten der Lockdowns ist sichtbar geworden, wie wichtig vielgestaltige, bewegungsfördernde Angebote in öffentlichen Freianlagen und auf Plätzen in direkten Lebensumfeld sind. Hier findet mehr als Freizeitnutzung statt. Hier wird einer selbstbestimmten Gesundheitsvorsorge Rechnung getragen, hier kommen Kinder und Jugendliche in Bewegung, hier treffen Menschen ungezwungen aufeinander.
Landschaft von Anfang an mitdenken
Für eine sozial- und klimaresiliente Umgestaltung unserer Städte und Gemeinden ist das Aufgabenfeld Landschaftsarchitektur unverzichtbar. Schon in ersten Überlegungen zu einem Projekt, in der sogenannten Phase Null, müssen Projektträger und Landschaftsarchitekt*innen über die Folgen für Umfeld und Klimaschutz sprechen. Dabei gilt es nicht nur, schädliche Eingriffe zu verhindern. Vielmehr ist in der Neuausrichtung aller Grün und Freiräume, aller Gärten, Parks und Plätze zu prüfen: Was kann für den Schutz des Klimas und der natürlichen Ressourcen getan werden? Wie können bessere Lebensbedingungen entstehen?
Die Komplexität dieser Aufgaben macht es in der Landschaftsarchitektur zwingend erforderlich, vermehrt interdisziplinär zu arbeiten. Insbesondere die Akteure der grauen Infrastruktur sind wichtige Partner*innen, um sinnvolle und produktive Umnutzungen bestehender Strukturen zu entwerfen. Darüber hinaus kommt der „Dreifachen Innenentwicklung“ große Bedeutung zu.
Das Aufgabenfeld Landschaftsarchitektur muss die bauliche Nachverdichtung genauso im Blick halten, wie die Menge an Urbanität, die funktionsfähige Freiflächensysteme vertragen können. Außerdem kann jede Stadt und Region mehr Grün und mehr Wasser gebrauchen. Dafür braucht es aber Raum. In diesem Kontext müssen Landschaftsarchitekt*innen die fortschreitende Ökonomisierung des urbanen Raums verhindern. Sie sind gefragt, eine alltagstaugliche, vielgestaltige und uneingeschränkt zugängliche Stadt für alle zu bewahren.
Landschaftsarchitektur heute und in Zukunft
Die urbanen Gesellschaften werden zunehmend diverser. Auch darauf muss Landschaftsarchitektur reagieren. Sie muss deshalb inklusive, ambitioniert gestaltete und robuste Freiräume gestalten, die alle Menschen willkommen heißen. Darüber hinaus ist viel zu tun, um den Artenrückgang von Flora und Fauna zu stoppen und eine robuste Biodiversität wiederherzustellen. Auf den Wandel des Klimas ist ebenfalls zu reagieren. Extreme Wetterereignisse häufen sich und hinterlassen große Schäden, wodurch Überflutungs- und Hitzevorsorge notwendig sind. Die gestresste Stadt braucht gut vernetzte, klimaaktive Stadtplätze und Parks, Gewässer, Regenrückhalte- und Versickerungsflächen. Hierzu kann Landschaftsarchitektur viel beitragen. Sie kann dabei helfen, ein gesünderes Stadtklima und ein besseres Mikroklima im unmittelbaren Wohnumfeld zu schaffen und damit insgesamt eine widerstandsfähigere Stadt zu kreieren.
Auch andere, globale Gefahren sind zu lebensbestimmenden Faktoren im Aufgabenfeld der Landschaftsarchitektur geworden. So legt beispielsweise die Covid-Pandemie viele Missstände offen. Sie macht unmissverständlich deutlich, dass Menschen die Natur nicht nach Belieben steuern können. Umso wichtiger wird die Aufgabe von Landschaftsarchitekt*innen, die gebaute Umwelt und Kulturlandschaft mit Bedacht zu gestalten. Als Generalist*innen sind sie aufgefordert, viele Stränge zusammenzuführen, vernetzt zu denken und auf Augenhöhe mit den anderen Fachdisziplinen zu agieren. Diese Kompetenz ist in Landschaftsarchitektur gegenwärtig stärker gefragt denn je.
Nachwuchs und Unterstützung gewinnen
Auf das Aufgabenfeld der Landschaftsarchitektur warten große Herausforderungen. Um diesen weiterhin gewappnet zu sein, ist qualifizierter Nachwuchs vonnöten. Ohne gut ausgebildete Landschaftsarchitekt*innen in Planungsbüros und in den öffentlichen Verwaltungen, ohne Partner*innen und engagierte Macher*innen in kommunalen Verwaltungen bleibt die die Wirkung von Landschaftsarchitektur beschränkt. Neben Fachwissen und Engagements in der Profession der Landschaftsarchitektur bedarf es auch politischen Willens. Es bedarf einer engagierten Politik, die weit über Legislaturperioden hinausdenkt und verlässliche planungsrechtliche Rahmenbedingungen für gute Landschaftsarchitektur schafft.
Weiterlesen: Wie ist eigentlich das Gehalt im Aufgabenfeld der Landschaftsarchitektur?