29.11.2023

Gesellschaft

Lebenshaltungskosten – Eine Studie zu 400 deutschen Kreisen

Die Lebenshaltungskosten sind vor allem auf dem Land und insbesondere in Ostdeutschland unterdurchschnittlich. Bild: Pixabay
Die Lebenshaltungskosten sind vor allem auf dem Land und insbesondere in Ostdeutschland unterdurchschnittlich. Abbildung: Pixabay

Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung beziffert zum ersten Mal die Lebenshaltungskosten in allen 400 Kreisen und Städten Deutschlands. Dabei kam Big Data zum Einsatz. Alles Wichtige dazu lesen Sie hier.


Drei Jahre Arbeit

Die Erhebung von Daten zu Lebenshaltungskosten in allen deutschen Kreisen und Städten war bisher zu aufwendig. Jedoch gelang es dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) nun zum ersten Mal, die Lebenshaltungskosten genauer zu beziffern. Dabei kam Big Data zum Einsatz. Über drei Jahre haben die Institute daran gearbeitet, die Forschungslücke mithilfe automatisierter Datenerhebungen zu schließen. Nun ist ein neuer Preisindex entstanden, der im Rahmen der Studie veröffentlicht wurde. Er vergleicht Wohn- und Lebenshaltungskosten wie Miete, Strom, Gas und Lebensmittel für alle deutschen Kreise und kreisfreien Städte miteinander.


Wo das Leben wie viel kostet

Die Ergebnisse der Studie sind spannend: Sie ermöglichen es, genau zu sehen, wie viel das Leben zum Beispiel in München oder im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt kostet. Schnell wird deutlich, dass die Lebenshaltungskosten auf dem Land günstiger sind als in der Stadt – wie erwartet. Der Bundesdurchschnitt für Kosten lässt sich in Braunschweig und im Landkreis Neumarkt in der bayerischen Oberpfalz finden, die den Indexwert 100 darstellen.

Am teuersten ist das Leben in München mit einem Indexwert von 125. Es folgen der Landkreis München (117), Frankfurt am Main (116) und Stuttgart (115). Besonders günstig ist das Leben hingegen im sächsischen Vogtlandkreis (Indexwert 90), im thüringischen Greiz (90,5) und in Görlitz (90,6). Pirmasens in Rheinland-Pfalz ist mit einem Wert von 90,7 die günstigste Region im Westen.

Der wichtigste Unterschied bei den Lebenshaltungskosten sind laut der Studie die Wohnkosten. Ohne diese würden die Indexwerte nur von 98 bis 104 reichen, also recht wenig Varianz aufweisen. Der günstige Vogtlandkreis zeigt dies deutlich. Hier ist das Wohnen nämlich rund 32 Prozent günstiger als im bundesweiten Durchschnitt. Die sonstigen Kosten sind nur 0,3 Prozent geringer. In München hingegen sind die Wohnkosten knapp 81 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt, was sich auch auf die umgebenden Kreise auswirkt.

Die Wohnkosten machen den größten Unterschied bei den Lebenshaltungskosten. Bild: Pixabay
Die Wohnkosten machen den größten Unterschied bei den Lebenshaltungskosten. Foto: Pixabay

Unterdurchschnittliche Lebenshaltungskosten in 2/3 der Kreise

Auch Hamburg, Freiburg und Heidelberg sind unter den teuersten Städten. In Berlin hingegen lebt es sich überraschend günstig. Die Preise in der Hauptstadt liegen laut Studie nur 5,5 Prozent über dem Durchschnitt. Damit befindet sich Berlin auf Platz 38 in der Rangliste der teuersten Kreise.

Bemerkenswert ist der große Preisunterschied zwischen Städten und ländlichen Kreisen. Insbesondere in Ostdeutschland kann man fernab der großen Städte sehr günstig leben. Dennoch ist der Kostenvorteil von Ostdeutschland gegenüber Westdeutschland mit 4,3 Prozentpunkten nicht allzu groß. Dies liegt auch daran, dass die Preise für die Lebenshaltung selbst in den günstigsten Kreisen nur knapp 10 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegen.

Insgesamt sind die Lebenshaltungskosten in zwei von drei Landkreisen und kreisfreien Städten unterdurchschnittlich. Dies betrifft etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung.


Wie das Leben bezahlbar bleiben kann

Ein Ergebnis der Studie ist, dass Kaufkraft und Wohlstand relativ sind, da sie nicht nur vom Einkommen, sondern auch von den regionalen Lebenshaltungskosten bestimmt werden. Das höchste verfügbare Einkommen lässt sich in Starnberg finden, wo zwar die Lebenshaltungskosten hoch sind, die Einkommen aber ebenfalls überdurchschnittlich ausfallen. Die niedrigste Kaufkraft pro Kopf ist laut der Studie in Gelsenkirchen zu finden. Sie liegt 22,5 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt, was die um 5,1 Prozent unter dem Durchschnitt liegenden Lebenshaltungskosten nur wenig ausgleichen können.

Die Studie hat das Ziel, dass das Leben überall in Deutschland bezahlbar bleiben soll. Laut IW-Studienautor Christoph Schröder ist es hilfreich, wenn der Staat für Bedürftige die Wohnkosten übernimmt. Auch das Wohngeld ist ihm zufolge wichtig, um regionale Kostenunterschiede zu berücksichtigen. Zudem zeigt die Studie zu den Lebenshaltungskosten, wo die Regionalpolitik noch mehr tun könnte. Die hohen Wohnkosten in den Großstädten könnten zum Beispiel ein Anlass dafür sein, die Nachfrage eher ins Umland zu leiten, etwa durch bessere Infrastruktur und vereinfachte Nachverdichtung und Baulandplanung.

Big Data ermöglichte es, die Forschungslücke zu regionalen Lebenshaltungskosten zu schließen. Bild: Unsplash
Big Data ermöglichte es, die Forschungslücke zu regionalen Lebenshaltungskosten zu schließen. Foto: Unsplash

Web Scraping schließt Forschungslücke

Die Studie zeigt die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten im Jahr 2022 im Vergleich zum Bundesdurchschnitt für alle 400 deutschen Kreise. Dafür haben die Wissenschaftler*innen Preisdaten von frei zugänglichen Internetseiten mithilfe von Big Data automatisiert erfasst. Portale wie Rewe.de und Verivox.de kamen zum Einsatz. Die Daten wurden dann nach dem durchschnittlichen Verbrauch gewichtet, wobei der Warenkorb des Statistischen Bundesamtes als Anhaltspunkt diente. So entstand ein Regionalpreisindex.

Die sogenannte Web Scraping-Methodologie macht die Studie besonders. Dabei werden die Daten von den Internetseiten großer Kettengeschäfte und von Vergleichsportalen automatisch extrahiert. Dies gewährleistet gute Datenqualität und hohe Aktualität. Zugleich ist so eine regelmäßige Aktualisierung der Daten einfacher möglich. Bisher gab es keinen regelmäßig erscheinenden regionalen Preisindex für Deutschland. Damit schließt die Studie eine Forschungslücke.

Um die Wohnkosten zu berechnen, haben die Forscher*innen alle verfügbaren Angebotsmieten erhoben und sie auf die Bestandsmieten umgerechnet. Dabei half ein Modell, der Realität so nah wie möglich zu kommen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz förderte das Projekt von Juli 2020 bis Mai 2022.

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