19.08.2022

Projekt

Lech Renaturierung: Die Wiederbelebung eines Flusses

Stop the flood
In Österreich verläuft der Lech deutlich natürlicher. Quelle: Basotxerri, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
In Österreich verläuft der Lech deutlich natürlicher. Quelle: Basotxerri, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Die Lech Renaturierung vor den Toren Augsburg wird laut Projektleiterin Simone Winter bayernweit einzigartig: Uferverbauungen werden rückgebaut und eine Aue mit Lebensräumen für Tiere und Pflanzen soll entstehen. Alles über das Projekt in Planung erfahren Sie hier.

Das ambitionierte Projekt zur Lech Renaturierung

Vor den Toren von Augsburg findet ein Projekt zur Lech Renaturierung statt. Kurz vor der Staustufe Merching nahe Augsburg ist der Lech 80 Meter breit. Früher war er einen Kilometer breit und beherbergte Tausende von Huchen. Heute ist der Lech jedoch eher eine Flussruine. Das möchte das Projekt „licca liber“ im Rahmen einer Lech Renaturierung auf einer Länge von etwa zehn Kilometern ändern. Der Fluss soll wieder seinen ursprünglichen Charakter als Wildfluss erhalten.

Geplant ist, dass der Lech 130 Meter breit wird. Zudem sollen Uferverbauungen reduziert und neue Sekundärauen kreiert werden. Die Idee ist, einen wertvollen Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu kreieren. Schon seit 2013 läuft das Genehmigungsverfahren. Zahlreiche Bürger*innen wurden in den „Flussdialog“ in die Planungen einbezogen. Bis Ende 2022 soll die Feinplanung für das Projekt stehen. 2023 wird das Wasserrechtsverfahren beginnen.

Die Stabilisierung des Flusses zwischen Staustufe 23 und der Donaumündung soll Schäden der Kanalisierung beheben. Übersetzt steht licca liber für „freier Lech“. Durch die Renaturierung soll es gelingen, den Lech wieder an seinen natürlichen Zustand anzunähern. Das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth leitet das Projekt.

Eine Aneinanderreihung von Stauseen

Derzeit ist der Lech ein verbauter Fluss mit zahlreichen Wasserkraftwerken. In der Süddeutschen Zeitung als „Aneinanderreihung von Stauseen“ beschrieben, bietet der Fluss keine natürliche Fischwanderung mehr. Fische wie der Huchen müssen künstlich eingesetzt werden. Darüber hinaus stehen zahlreiche andere Fischarten vor dem Problem, keine Kiesbänke zum Laichen zu finden.

Im Stadtgebiet von Augsburg liegt bereits der Flinz frei. Dies ist die Bodenschicht von Flüssen, die in einem gesunden Fluss mit Kies bedeckt sein sollte. Nun besteht die Gefahr, dass der Lech im Grundwasser verschwinden könnte. Dies würde unter anderem die Trinkwasserversorgung von Augsburg und Umgebung beeinträchtigen.

Daher ist die Lech Renaturierung auch für das Grund- und Trinkwasser wichtig. Die aktuelle Situation stellt einen Teufelskreis dar, denn die vielen Stauseen zur Energie- und Trinkwassergewinnung schaden dem Grundwasser. Zugleich stehen die Trinkwasserbrunnen und die Naturschutzgebiete am Flussverlauf der Lech Renaturierung teils entgegen. Sogenannte Absturzrampen könnten helfen, den Lech trotzdem wieder natürlicher zu gestalten.

Der Lech in Füssen. Quelle: Niklas Dehne, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons
Der Lech in Füssen. Quelle: Niklas Dehne, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Angst vor Hochwasser

Früher war der Lech ein wilder, reißender Fluss. Zu Recht haben viele Anwohner*innen Sorgen um Hochwasser. Auch aus diesem Grund wurde der Lech durch die teilweise Kanalisierung gezähmt. Eine Sanierung des Flusses würde jedoch laut Projektleiterin Simone Winter vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth die Gefahr von Hochwassern reduzieren. Denn in einem renaturierten Fluss können sich dabei die Grundwasserstände teils verringern. Sicherungen sollen dabei helfen, Siedlungen in Flussnähe vor Hochwasser zu schützen.

Das Vorhaben zur Lech Renaturierung wird noch mehrere Jahre brauchen, bis es genehmigt wird. Darüber hinaus ist mit 20 bis 30 weiteren Jahren zu rechnen, bis der Fluss sich wieder erholt hat. Dann sollen die neu geschaffenen Auen regelmäßig überschwemmt werden. Der Lech wird in der Lage sein, zu mäandern, Kiesbänke zu bilden und diese mit der Zeit wieder zu verändern. Rund um das Ufer des Flusses soll eine 95 Hektar große Fläche entstehen, um bis zu zwei Meter abzutragen. Die neu entstehenden Auen werden wertvolle Lebensräume darstellen.

Der teils gefürchtete Fluss mit seinem hohen Gefälle ist bis heute ökologisch bedeutend. Er verbindet die Naturräume Alpen und Alb. Trotz der Verbauung gibt es noch immer viele Arten hier. Untersuchungen im Zuge des licca liber-Projektes haben seltene Arten wie Kreuz-Enziane, Hummelragwurz, Gelbringfalter und Windelschnecken zu Tage gebracht.

Die Herausforderungen der Lech Renaturierung

Die Renaturierung des Lechs benötigt vor allem viel Geduld. Die Verwaltungsprozesse können sich über Jahre hinziehen. Zudem besteht das Risiko von Klagen gegen die Renaturierung, welche das Projekt verzögern könnten. Die enge Zusammenarbeit mit der Bevölkerung soll jedoch eine breite Unterstützung bei den Anwohner*innen garantieren.

Das Projekt licca liber hat eine Vorbildfunktion, bezieht sich aber nur auf einige Kilometer des Flusses. Insgesamt 43 Querbauwerke säumen den bayerischen Lech zwischen Füssen bis zur Donaumündung. Damit gleicht der Fluss vielerorts einem trägen Kanal, dessen ökologisches Gleichgewicht in Gefahr ist.

Das Zukunftsprogramm Lech vom BUND macht die folgenden Vorschläge zur Lech Renaturierung:

  • Dynamik des Flusses wieder herstellen, etwa durch erlaubte natürliche Wasserstandsschwankungen und Umlagerung von Grobmaterial
  • Wiederanbindung von Auen
  • Wiederherstellung der Geschiebedurchgängigkeit, um Sand, Kies und Geröll im Fluss zu erlauben
  • Auflösung von Seitenverbauungen
  • Umstrukturierung der energetischen Nutzung am Lech

Darüber hinaus weisen die Expert*innen vom BUND darauf hin, dass die Klima- und Biodiversitätskrisen zentrale Herausforderungen der heutigen Zeit darstellen. Die Renaturierung von Flüssen trägt dazu bei, die Biodiversität zu verbessern und die Lebensgrundlage von Menschen, Tieren und Pflanzen zu erhalten. Zudem bietet der Verzicht auf allzu viele Wasserkraftwerke die Chance, andere erneuerbare Energien zu fördern.

Übrigens: Der Beitrag zum Buch Fluss.Raum.Entwerfen könnte Sie auch interessieren. Er präsentiert verschiedene Gestaltungsmittel für urbane Flusslandschaften.

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