29.09.2022

Gesellschaft

Lichtverschmutzung: Rettet die Nacht

Lichtverschmutzung Foto: A. Hänel
Foto: A. Hänel

Die Verknappung von Strom und Gas hat zur Folge, dass Städte und Gemeinden Lichter im Außenraum wie die Weihnachtsbeleuchtung reduzieren oder abschalten. Das spart nicht nur Energie, sondern ist letztendlich gesundheitsfördernd für Mensch und Tier.

Maßnahmen nicht nur für Energieeinsparungen

In Zeiten des Ukrainekrieges und der einhergehenden Verknappung von Importen müssen wir in Deutschland den Verbrauch von Gas und Strom reduzieren, um den Winter überbrücken zu können. Es bietet sich nun eine Chance, für Beleuchtung im Außenbereich neue Maßstäbe zu setzen.

Seit dem 1. September 2022 bis zum 28. Februar 2023 greift die Kurzfristenergiesicherungsverordnung – EnSikuV des Bundes. Für den öffentlichen Raum muss die Lichtwerbung zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens abgeschaltet werden. Man verspricht sich durch die Maßnahmen eine Einsparung von zwei Prozent Strom. Auch hinsichtlich des Insekten- und Artensterbens sind die nun vereinbarten Maßnahmen dringend erforderlich. Ob wir lernen, dass diese temporären Maßnahmen für das gesamte Ökosystem von Vorteil sind?

Lichtverschmutzung Foto: Claus Baierwaldes
Foto: Claus Baierwaldes

Muss es erst an den Geldbeutel gehen, bis wir handeln?

Seit etwa 150 Jahren sind wir in der industrialisierten Welt auf dem Weg, uns die Sterne in Form von künstlichem Licht auf die Erde zu holen. Die romantischen Bilder eines funkelnden Himmels, der die Menschen und Tiere seit Beginn ihrer Existenz fasziniert, geleitet und beeinflusst haben, sind kaum mehr zu sehen.
Bereits seit 2000 wurden im Kontext mit Lichtverschmutzung erste Untersuchungen zum Thema Insektensterblichkeit veröffentlicht. Seitdem beschäftigen sich immer mehr Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen mit dem Licht in der Nacht und dessen Folgen für Mensch, Tier und Pflanze.

Zu ihnen zählt auch Kneginja Richter, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Nürnberg. In einem Gespräch erläutert sie, dass der Mensch für den Erhalt seiner Gesundheit etwa acht Stunden Schlaf in einer tatsächlich dunklen Umgebung benötige: „wie in einer Bärenhöhle zum Winterschlaf.“ Längst ist bekannt, dass wir mit nächtlicher Beleuchtung Gefahr laufen an Schlafstörungen, Übergewicht, Depressionen und Krebs zu erkranken.

Dennoch kaum zu glauben: Allein in Europa wird das Licht jährlich um fünf bis sechs Prozent heller. Jedes Jahr nimmt der bei Nacht beleuchtete Anteil der Erdoberfläche um zwei Prozent zu. Heute im Jahr 2022 ist man kaum weiter. Das ist trotz aller öffentlichen Empfehlungen und rechtlich verbindlicher Texte schwer zu verstehen. Muss es uns Menschen erst weh tun oder – wie jetzt durch die politische Situation forciert – an den Geldbeutel gehen, bis wir handeln?

Lichtverschmutzung: Beleuchtung ist eine Haftungsfrage

Um Lichtverschmutzung zu vermeiden und letztendlich die Gesundheit zu schützen, braucht es Engagement und Expertise auf kommunaler Ebene. Bei den meisten Gemeinden nehmen regionale, wirtschaftlich orientierte Energiedienstleister und ihre Tochterfirmen sowohl die fachliche Beratung als auch die Lichtversorgung vor.

Die Verantwortlichen der Kommunen selbst haben oft aufgrund der vielfältigen anderen Aufgaben zeitlich und personell kaum noch die Möglichkeit, umwelteffiziente Detaillösungen zu bearbeiten. Ein Beispiel dafür ist die verträgliche Umrüstung der besonders sensiblen Bereiche für Natur und Menschen. Hier gilt oft bei Dauerbeleuchtung von Hauptverkehrsstraßen: Wenn auch keine gesetzliche Verpflichtung zur Beleuchtung von Straßen, abgesehen von Gefahrenstellen und gefährlichen Übergängen, vorliegt, so ergibt es sich aus der Rechtsprechung und den Empfehlungen der Kommunalen Haftpflichtversicherung, dass eine vollumfängliche Beleuchtung für die Gemeinden weniger Risiko birgt.

Größere Städte haben in der Regel Lichtbeauftragte, die die Umrüstung im Sinne der Stadt betreuen. Nürnberg beispielsweise bemüht sich zumindest im Bereich der Altstadt ausschließlich warmweißes Licht und Amberlicht einzusetzen. Hier sind auch im Vornherein je nach Artenvorkommen die Untere und Höhere Naturschutzbehörde und entsprechend die Denkmalschutzbehörden eingeschaltet.

„Es geht nicht um Energieeffizienz, sondern um Umwelteffizienz!“

Ein Bundesweites Programm zur Verwendung von LED-Licht unterstützt die Umrüstung und Neuausstattung mit diesem. Dazu gibt es die „Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen“ (Kommunalrichtlinie) im Rahmen der „Nationalen Klimaschutzinitiative“. 2008 begann das Bundesumweltministerium damit, die Umrüstung von kommunalen Beleuchtungsanlagen auf energieeffiziente Beleuchtung zu fördern. Möglichst viele der rund 12 000 Kommunen in Deutschland sollten die Chance bekommen, in die LED-Technologie einzusteigen und ihre Einsparpotenziale zu realisieren. In Städten und Gemeinden machte allein die Außenbeleuchtung circa 40 Prozent des gesamten kommunalen Stromverbrauchs aus.

Im „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ startete 2019 das Projekt zur Entwicklung eines neuen Straßenbeleuchtungsdesigns, das die Abstrahlung des Lichts minimieren soll. Das sechsjährige Verbundprojekt „Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung“ wird vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) koordiniert und mit rund 2,37 Millionen Euro durch das Bundesumweltministerium gefördert.

Außerdem setzen sich seit vielen Jahren verschiedene Initiativen für den Erhalt des Nachthimmels ein, zum Beispiel die Organisation International Dark-Sky Association. Sie ernannte Fulda 2019 zur ersten „Sternenstadt“ Deutschlands. Der örtliche Energieversorger von Fulda experimentierte mit unterschiedlichen Modellen, die das Licht sanft auf die Straße bringen. Nichts leuchtet mehr in Bäume und Schlafzimmer, Gewässer und andere sensible Bereiche.

Sabine Frank, Koordinatorin des Sternenparks Rhön erklärt, worauf es bei einer zeitgemäßen Beleuchtungspolitik auch im Sinne eines ganzheitlichen Naturschutzes ankommt: „Es geht nicht um Energieeffizienz, sondern um Umwelteffizienz!“

Weitere Sternenparks

Neben dem Sternenpark Rhön sind weitere sogenannte International Dark Sky Park entstanden. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Schönheit des nächtlichen Himmels wieder erlebbar zu machen:

  • Sternenpark Rhön im UNESCO Biosphärenreservat Rhön (2014)
  • Fulda erste „Sternenstadt“ (International Dark Sky Community) (2019)
  • Naturpark Westhavelland (2011) mit dem Ort Gülpe, dem damals dunkelsten Ort Deutschlands
  • Nationalpark Eifel (International Dark Sky Park) provisorisch seit 2014
  • Winklmoos-Alm (International Dark Sky Park) (2018)

In Planung um die Anerkennung als Sternenpark sind die folgenden Regionen: Schwäbische Alb, Nationalpark Harz, Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide in Mecklenburg-Vorpommern.

Der erste österreichische Sternenpark ist der Naturpark Attersee-Traunsee (2021).

Schutz der Nacht als Aufgabe des Natur- und Landschaftsschutzes

Auch wenn auf kommunaler Seite oft ein Bewusstsein für Lichtverschmutzung vorhanden ist, ist für den privaten und gewerblichen Bereich noch sehr viel Aufklärung zu leisten. Hier sollten alle beratenden und planenden Stellen Anreize für eine für alle Lebewesen nachhaltige Verwendung von Licht schaffen.

Die Biologie von Insekten, Vögeln, Fischen, Säugetieren, Menschen und Pflanzen bis zu den Kleinstlebewesen orientieren sich am Licht. Ein Zuviel, zu hell und zu lange gefährden die Gesundheit von Mensch und Tier, wie Beate Jessel, Past Präsidentin des BfN, anmerkt: „Etwa 30 Prozent der Wirbeltiere und sogar über 60 Prozent der Wirbellosen sind nachtaktiv und können durch künstliches Licht in der Nacht beeinträchtigt werden. Der Schutz der Nacht muss daher stärker als bisher als eine grundlegende Aufgabe des Natur- und Landschaftsschutzes begriffen werden.“

Licht aus für unsere Böden!

Licht beeinflusst an Land und im Wasser den Hormonhaushalt, verändert das Jagdverhalten und wirkt als Barriere. Es zerschneidet, vergleichbar mit Straßen, die Lebensräume. Der nachtaktive Igel als eines der ältesten Säugetiere der Erde kommt durch Straßen- und Gartenbeleuchtung in erhebliche Bedrängnis, sein notwendigerweise großes Territorium ist im Siedlungsbereich meist mehrfach zerschnitten. Das gesamte Bodenleben, inklusive des Regenwurms ist nachtaktiv. Wir greifen somit auch massiv in die Bodenfruchtbarkeit und somit auch in die Speicher- und Pufferfähigkeit des Bodens ein.

Die zumeist tagaktiven Vögel sind in der Nacht durch Beleuchtung sowohl an ihrem Schlafplatz gestört und sie sind früher aktiv, balzen und brüten zu einer Zeit, in der es noch kaum Nahrung gibt und brüten auch länger in den Herbst hinein, sodass bei Zugvögeln auch der Abflug gefährlich spät ist. Auch der Tagesrhythmus verlängert sich in die eigentlichen Ruhezeiten: Früh morgens und spät abends, eine Erschöpfung der Tiere ist wissenschaftlich längst belegt. Einige Säugetiere, die ihre Aktivitäten normalerweise gleichmäßig auf Tag und Nacht verteilt hatten, haben aufgrund ihrer bedrängten Lebensumstände ihre Nachtaktivität auf 68 Prozent gesteigert. Sogar Tiere, die nicht nachtaktiv waren, sind jetzt bis zu 20 Prozent öfters nachts unterwegs.

Etliche Pflanzen werden in der Dämmerung/Nacht bestäubt und bieten somit diesen spezialisierten Tieren Nahrung. Eine gegenseitige Abhängigkeit zum Überleben. Pflanzen treiben früher aus, blühen und fruchten früher und schließen später ab. Das Angebot von Nahrung für alle abhängigen Tierarten verschiebt sich.

Lichtverschmutzung Foto: A. Hänel
Foto: A. Hänel

Lichtverschmutzung in Form von Märchenlandschaften

Voraussichtlich wird auch in diesem Jahr, trotz des Spargebots wieder an allen erdenklichen privaten und öffentlichen Plätzen eine Menge an Weihnachtsbeleuchtung installiert. Bisher haben die so „günstigen“ LED Lämpchen für eine inflationäre Verschwendung von Licht gesorgt, die Menge macht’s! Bisher begann es bereits weit vor den Feiertagen, manchmal schon zur Zeitumstellung und auch noch bis in das Frühjahr hinein. Die Nacht, die speziell im Winter der Winterruhe für viele Tierarten dient und überlebenswichtig ist, wird auch in vielen Gärten zerstört. Von den Schäden durch die Lichterketten am Holz der Äste, der Störung am gefrorenen Holz und den dort überwinternden Tieren ganz zu schweigen.

Wirtschaftliche Interessen beherrschen den Markt. „Lichtkünstler“ und „Lichtplaner“ inszenieren Märchen in der Nacht. Speziell die Christmas Garden, die international agiert, sucht die schönsten Gartenlandschaften, um Bäume, Wiesen, Bäche, Teiche und Gebäude anzustrahlen und in allen Farben über die Wintermonate glitzern und leuchten zu lassen.

Es kann gar nicht mehr spektakulär genug sein!

Musikalische Events im öffentlichen Raum vom Rammstein-Konzert bis hin zu Classic Open Air Veranstaltungen werden immer heller, immer lauter. Mit Lichtorgeln und Skybeamern verschwenden sie Unmengen an Strom, stören die Nachtruhe von Mensch und Tier und setzen zumeist Grünanlagen, in denen Tiere und Pflanzen leben, bedrohlich zu. Auch Volksfeste und Freizeitparks müssen vermeintlich immer aufwändiger werden, um an der wirtschaftlichen Spirale teilzunehmen.

Im Sportbereich haben wir es ganzjährig mit Luxusbeleuchtung zu tun: Zum Beispiel an Nachtabfahrten in den Bergen, große Stadien, die taghell in die Nacht abstrahlen, Fußball- und Tennisplätzen, die mit ihren Strahlern mit mindestens 6 000 Kelvin eine weithin ausstrahlende tödliche Sogwirkung für Insekten haben.

Die neueste lichtverschmutzende Einrichtung im öffentlichen Raum ist die digitale Werbung. Reklametafeln mit LED-Displays sind in der Regel 24 Stunden in Betrieb. Vom Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung RWI wurde errechnet, dass sie derzeit etwa 113 000 Megawattstunden pro Jahr verbrauchen. Das entspricht dem Verbrauch von 40 000 Zwei-Personen-Haushalten und der Leistung von 28 Windkraftanlagen.

Lichtverschmutzung und das Nature-Defizit-Syndrom

Wir leben und arbeiten zunehmend, bis zu 95 Prozent in geschlossenen Räumen. Vielfach kennen selbst Menschen, die im ländlichen Bereich leben, kaum noch verschiedene Vogelarten und andere wild lebenden Tiere, von Pflanzen ganz zu schweigen. Wie erst kann man annehmen, dass bekannt ist, dass die Tiere, die in der Dämmerung oder in der Nacht leben, Pflanzen die Nachts auf ihre Bestäubung warten, von uns gestört werden? Wir bewegen uns in der Nacht meist nur noch „auf dem Weg“ von A nach B. Eine nächtliche Naturbetrachtung, ein Hinaushören, ein stiller Genuss des nächtlichen Sternenhimmels findet kaum mehr statt.

Man spricht von einem „Natur-Defizit-Syndrom“, einer Störung, die durch eine Entwöhnung des Menschen von der Natur entsteht. Das Fehlen von Naturerlebnissen kann zu mangelnder Empathie für die Notwendigkeit des Erhalts von Lebensräumen und in weiterer Folge zur Zerstörung der eigenen Lebensgrundlage führen.

Lichtverschmutzung Foto: Claus Baierwaldes
Foto: Claus Baierwaldes

Beste Methode: Licht aus!

Doch es gibt auch gute Beispiele und Lösungen. „Kommunen sollten Leuchten verwenden, welche kein Licht nach oben abstrahlen. Die Beleuchtungsstärke sollte möglichst niedrig sein und kaltweißes Licht mit einem hohen Blaulichtanteil vermieden werden. Denn die innere Uhr, das sogenannte zirkadiane System, von höheren Wirbeltieren und Menschen reagiert auf blaues Licht besonders empfindlich. Die Verwendung von warmweißem Licht kann die negativen Auswirkungen auf viele Organismen abmildern und wird von Menschen oft als angenehmer wahrgenommen“, so Sibylle Schroer vom Leipniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).

Untersuchungen in Großbritannien und den USA haben ergeben, dass die Sicherheit, die subjektiv durch die Beleuchtung von Straßen, Parks und Grundstücken empfunden und angenommen wird, nicht gegeben ist. Eine Statistik aus Großbritannien zeigt, dass bei 48 Prozent von mehr als 284 000 Anwesen, in die eingebrochen wurde, sogenannte „Sicherheitsbeleuchtung“ eingebaut war. Grünanlagen und Parks sollten aus Sicherheits- und Artenschutzgründen nur in Ausnahmefällen beleuchtet werden. Belichtete Wegeverbindungen vermitteln nur eine vermeintliche Sicherheit. Der Anspruch, öffentliche Grünanlagen auch nachts nutzen zu können, führt in der Regel zu Vandalismus und erhöhtem Pflegeaufwand.

Zur Frage welche Lampen und welche Leuchtmittel im privaten Bereich und im öffentlichen Raum verwendet werden sollten, gibt es gute Handreichungen bei den einschlägigen Instituten und Verbänden. In jedem Fall sollte Zier- und Luxusbeleuchtung vermieden werden! Die beste Methode ist, das Licht aus zu machen.

Weitere Hinweise / Informationen

In einem anderen Artikel legen wir den Fokus auf einen Vorteil von natürlichem Sonnenlicht: In diesem Sommer ist in der EU so viel Solarstrom produziert worden wie in keinem Sommer zuvor.

Scroll to Top