08.03.2019

Projekt

Eine Frage der Haltung


Novartis Campus Park, Basel

Seit jeher prägt die Geologie eines Orts die Architektur und den öffentlichen Raum unserer Städte. Die regional verfügbaren Rohstoffe und eingeschränkte Transportmöglichkeiten bestimmten die Baumaterialien und damit das Stadtbild. Mit der Globalisierung der Märkte und uneingeschränkter logistischer Möglichkeiten wird die Materialwahl heute dagegen immer mehr zu einer Frage der Haltung. Die Projekte von Vogt Landschaftsarchitekten basieren auf einem klaren Bekenntnis zum Ort, seiner Geschichte, seiner Tradition und seinem Bezug zu der ihn prägenden Landschaft. 

In der Schweiz tritt das geologische und geomorphologische Erbe, also die Struktur und Form eines Orts, auf kleinstem Raum besonders deutlich zutage. Denn das Land zeichnet sich durch drei unterschiedliche Landschaften aus: Die schroffen Alpen, das flache Mittelland und die sanfte Erhöhung des Jura. Alpen und Jura, mit völlig unterschiedlicher geologischer Genese und Gestalt, dazwischen der Erosionsschutt beider Landschaften. Beim Projekt Novartis Campus Park in Basel greift das Büro Vogt diese Vielfalt auf. Die Unterschiedlichkeit des entlang des angrenzenden Rheins gefundenen Gesteins zu wird dort einem Leitmotiv für die Gestaltung. Die geologische Karte der Schweiz gibt Hinweise auf die Ursprungsorte des gefundenen Gesteins. Denn der Rhein zusammen mit seinen Zuflüssen transportiert von der Quelle am Tomasee bis nach Basel unterschiedlich farbiges Gestein. Der zeitliche und räumliche Sedimentationsprozess des Rheindeltas wird in geschichteten Terrassen abgebildet. Auf dem Betondach der Tiefgarage unterhalb des Parks zeigt sich somit etwas, was als eine Form von anthropogener Erosion und Sedimentation beschrieben werden kann.


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Novartis Campus, Basel: Leitmotiv für die Gestaltung ist das aufgrund seines Ursprungs sehr unterschiedliche durch den Rhein angespülte Gestein. Foto: Vogt Landschaftsarchitekten

_1695_Vogt_Novartis_11 © Christian Vogt

Vorplatz Schweizer Landesmuseum 

Die Idee des Fensters in die naturgeschichtliche Vergangenheit war der Ausgangspunkt beim Vorplatz des Schweizer Landesmuseums in Zürich. Während nur wenige Meter voneinander getrennt das klare Wasser der Limmat zwischen den gebauten Ufern kontrolliert aus dem Zürichsee fließt, spült die Sihl mit jedem Hochwasser braun-graue Sedimente aus der Landschaft in die Stadt. Die Ablagerungen des Geschiebes führten einst zur Bildung des Platzspitzes, einer Insel zwischen den beiden Flüssen, die seit 1898 das Schweizer Landesmuseum mit angrenzendem Park beheimatet.Im Zuge des Erweiterungsbaus der Basler Architekten Christ und Gantenbein entstanden ein urbaner Stadtplatz und ein neuer Eingang zum Museum in direkter Nachbarschaft zum Züricher Hauptbahnhof. Als Zuschlagsstoff, gebunden im Beton und durch Schleifen sichtbar gemacht, werden die angeschwemmten Sedimente zum Belag des Platzes verdichtet. Die mittig aufgeschnittenen, eingelegten Kiesel von bis zu 20 Zentimeter Durchmesser nehmen die antike Tradition des Terrazzos auf und überführen diese in eine neue Maßstäblichkeit.


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Die halbierten, im geschliffenen Betonbelag des Vorplatzes verlegten Kiesel symbolisieren die von den Flüssen Limmat und Sihl angeschwemmten Sedimente. Foto: Vogt Landschaftsarchitekten

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Versicherungskonzern, Zürich

Unweit vom Landesmuseum entfernt, reihen sich am westlichen Ufer des Züricher Seebeckens die Repräsentationsbauten verschiedener Versicherungskon­zerne entlang der infolge des Stadtumbaus entstandenen Uferpromenade. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut, stehen drei Gebäude einer Konzernzentrale inzwischen unter Denkmalschutz. Die Fassaden spiegeln deren Tradition und Ambition wider. So stammt der Sandstein des Sockels vom oberen Zürichsee, wohingegen der Granit der repräsentativen Fassade jenseits der Schweizer Alpen im Tessin abgebaut wurde. Im Zusammenspiel mit den u-förmigen Glasfassaden des Erweiterungsbaus entsteht eine kamm­artige Struktur mit insgesamt drei gleich langen und unterschiedlich breiten Höfen. Ein Belag aus Bollinger Sandstein, analog zum Sockelmaterial, folgt in Zuschnitt und Verlegeart dem Prinzip einer Penrose-Parkettierung und fasst als raumgreifender Teppich die Höfe zu einem Ganzen zusammen. Liegt Wasser als dünner Film auf den rautenförmigen Platten, spiegeln sich Himmel und Wolken darin. Trocknen die Steinplatten langsam ab, verändert sich das Muster des Teppichs auf Grund der unterschiedlichen Oberflächenbehandlung der Platten. Das Wetter wird über den kurzen Moment des Betrachtens sichtbar. Dem geometrischen Bodenbelag wird in einem der Höfe ein ornamentales Element entgegengestellt: Einem zwölf Meter langem Wassertisch, als monoli­thischer Körper aus dem Steinbruch gehauen, wurde in Handarbeit ein Tischtuch in die Oberfläche eingraviert.

Campusgelände Lübeck

Auch das Campusgelände in Lübeck verweist gleich mehrfach auf die lokale Geologie und ihre Naturgeschichte. Findlinge, als Zeugen der Ausdehnung der Gletscher wie von mystischen Riesen hingeworfen, berichten von ihrer Reise. Daneben schildert ein Belag aus zu Ziegeln geformtem und gebranntem Lehm die Transformation und Verfestigung einer anderen geologischen Schicht durch Erhitzung: den Lehm. Die Verlegung der Klinker mit wenigen Millimetern Differenz in der Höhe erzeugt ein Oberflächenrelief, das das Regenwasser zurückhält und Nischen für spontane Vegetation bietet. In den nur zum Himmel geöffneten Höfen wird dem lokalen Material Fremdes entgegengesetzt. Als Reisende aus fernen Ländern in die Hansestadt mitgebracht, erzählen Sumpfzypressen, Chilenische Sicheltannen und Japanische Hängelärchen von ihrer Herkunft und erinnern uns, dass vieles, was uns vertraut erscheint, erst mit den Gletschern und später mit dem globalen Handel zu uns kam.


_Campus Lübeck
Der mit wenigen Millimetern Höhendifferenz verlegte Klinker verweist auf regionale geologische Prozesse durch Erhitzung.

_09_Lübeck © Christian Vogt

_Lübek 18 © Christian Vogt

 

Bilder: © VOGT, © Christian Vogt

Den gesamten Artikel von Maren Brakebusch lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der Garten + Landschaft (3/2019) „Blick auf den Boden: Wie Beton und Naturstein Räume definieren“

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