Der Zenettiplatz fristete bis zum Sommer 2018 ein tristes Dasein. Von Aufenthaltsqualität konnte hier keine Rede sein. Parkplätze definierten den Platz. Hinsetzen und bleiben wollte niemand. Dann aber schrieb die Stadt im Rahmen des Projekts „City2share“ die Gestaltung des Zenettiplatzes zu einer Mobilitätsstation samt temporärem Nachbarschaftstreff aus. Den Projektzuschlag erhielt das Münchner Büro raumzeug und die Landschaftsarchitekten Johann-Christian Hannemann und Felix Lüdicke entwickelten eine zwei geteilte Platzgestaltung, die nun – mit weiteren Ergänzungen – im zweiten Jahr besteht.
Die Gestaltung
Der südliche Bereich fasst ein vielfältiges Mobilitätsangebot mit Carsharing-Stellplätzen, E-Ladesäulen und Rädern des öffentlichen Nahverkehrs. Den nördlichen Bereich, der Teil des Aufenthalts, der Kommunikation, entwickelten die Planer gemeinsam mit den Anwohnern in einer Bedarfsanalyse und einem Gestaltungskonzept. Das Ergebnis ist ein multifunktionaler, farbenfroher Platz, der rege von der Nachbarschaft angenommen wird.
Ein umlaufendes, farbiges Möbel – gebaut im Rahmen einer Mitmach-Baustelle – definiert die Raumgestaltung. Es umfasst die Platzfläche und setzt sich auf der anderen Straßenseite fort, verbindet Mobilität mit Aufenthalt. Für das Grün auf dem sonst sehr grauen Platz sind sechs Hochbeete, eine Topfpflanzensammlung und mehrere Wanderbäume zuständig.
Im Sommer 2019 kam außerdem noch ein Rasenteppich hinzu, der hier eigentlich nur für zwei Wochen liegen sollte. Doch drei engagierte Nachbarschaftskinder setzten sich für die Verlängerung des Rasenexperiments über den gesamten Sommer ein – und darüber hinaus. Aktuell überwintert der Rasen beim Nachbarn, dem Bahnwärter Thiel.
Die Nutzung
Ziel der Planer war es, dass vielseitige Nutzungen auf dem Platz möglich sind. Und das haben sie auch erreicht. Die umlaufende (aktuell grüne) Möblierung kann zum Sitzen, Arbeiten, aber auch zum Toben und Spielen genutzt werden. Es gibt eine Infotafel, die als schwarzes Brett über aktuelle Aktionen auf der Piazza berichtet ebenso wie ein Büchertauschregal, eine Pfandnische, ein Tauschbrett und abschließbare Boxen für Spielsachen und Werkzeuge. Simpel, robust und funktional – dieser Dreiklang beschreibt den Charakter der Piazza am besten.
Aber wären Parkplätze nicht sinnvoller?
Mit gemeinsamen Aktionen binden die Planer die Nachbarschaft aktiv ein. Eine solche Aktion war beispielsweise auch das Springbrunnenexperiment, das Mitte Juli 2019 auf der Piazza Zenetti statt fand. Schaut man sich die Bilder an, sieht das spaßig aus, oder? Und das war es auch. Das Traurige: Von dem Spaß sind immer noch nicht alle überzeugt. Auch nach zwei Jahren – auch kurz nach solch einem erfolgreichen Event – führen Johann-Christian Hannemann und Felix Lüdicke in der Isarvorstadt weiterhin Diskussionen, ob der Platz überhaupt genutzt wird und zehn Parkplätze nicht sinnvoller wären. Die Planer von raumzeug bekommen am Platz immer wieder „Gentrifizierungs“-Kritik zu hören: dass sie das Funktionieren der Piazza nur inszenieren und die Nachbarn den Platz gar nicht nutzen.
Haben die Kritiker recht? Meine Meinung: Nein. Erstens: Ein hundert Meter weiter, hinter der Unterführung auf der Tumblingerstraße, sind immer Parkplätze frei. Man müsste sie nur nutzen. Zweitens: sollten wir eh alle weniger Auto fahren. Drittens: blühen und wachsen die Hochbeete. Warum das ein Argument ist? Sie werden von einigen extrem engagierten Platz- und Beetpaten aus der Nachbarschaft gepflegt. Spricht das nicht schon alleine dafür, dass das Miteinander auf der Piazza Zenetti funktioniert? Ich meine, neben der Tatsache, dass hier eigentlich immer irgendwer sitzt? … Eben. Und viertens: War ich selten an einem Ort in München, wo nachbarschaftliches Miteinander so leicht entsteht, wie auf der Piazza Zenetti. Dass nachbarschaftliches Miteinander in einer Großstadt wie München rar ist und immer rarer wird, darüber müssen wir nicht groß diskutieren. Und auch nicht, dass wir Räume ohne Konsumzwang brauchen, die uns als Menschen, als Nachbarn näher zusammen bringen, die der zunehmenden Anonymität in der Großstadt etwas entgegensetzen und die ein Miteinander statt ein Nebeneinander aktivieren. Öffentliche Räume sollen einladen, nicht ausschließen. Und eben das leistet die Piazza. Dank der räumlichen Gestaltung von Johann-Christian Hannemann und Felix Lüdicke, aber auch durch das sozialer Engagement der Planer selber. Denn sie sind jeden Mittwoch ab 18 Uhr zum Nachbarschaftstreff „putz, plausch und plan“ auf der Piazza anzutreffen. Und dabei wohnen die zwei noch nicht mal im Viertel. Das nenn ich mal Engagement.
Auch interessant zu diesem Thema: Einen Kommentar dazu, warum gerade München kreative Projekte braucht, finden Sie in der Oktoberausgabe 2019 der G+L (Thema „Kreative Stadt“). Geschrieben von: Johann-Christian Hannemann und Felix Lüdicke. Einen Blick ins Heft gibt es hier.
Fotos: Johann-Christian Hanneman (raumzeug)