Die Landschaftsarchitekt*innen von Studio Vulkan gewannen den interdisziplinären Studienauftrag für ein Wohngebiet auf dem Erni-Areal, einem ehemaligen Industriegelände im Zürcher Vorort Wangen-Brüttisellen. Gemeinsam mit KCAP, einem Büro für Stadtplanung und Architektur, sowie den Nachhaltigkeitsexpert*innen von Raumanzug entwickelten sie das 279 Wohnungen umfassende „Quartier der tanzenden Paare“.
Erni-Areal inmitten von Wangen-Brüttisellen
Das Grundstück eines ehemaligen Industriegeländes in Wangen-Brüttisellen befindet sich in der Nähe des Bahnhofs und ist umgeben von kleinteiligen Wohngebäuden, kompakten Hochhäusern und einem Hochregallager von Coca Cola. Eine Autobahnausfahrt sowie eine stark frequentierte Durchgangsstraße befinden sich in unmittelbarer Nähe. Die Einflugschneise des Flughafens Zürich führt direkt über das Gebiet.
Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums soll nun gerade hier nachverdichtet werden. Im Auftrag der Erni Liegenschaften lud die Immobiliengesellschaft, Mobimo Management AG, fünf Planungsteams ein, Konzepte für ein neues Wohngebiet zu erarbeiten. Die vielfältigen Belastungen werden dabei zum entwurfsbestimmenden Faktor. Die Herausforderung bestand darin, in einem lärmbelasteten Umfeld ein lebenswertes Quartier mit Raum für Wohnen, Büros, Gastronomie und Einzelhandel zu schaffen.
Lärmschutz bei dem „Quartier der tanzenden Paare“
Auf das heterogene Umfeld reagiert Gewinner Studio Vulkan mit kompakten, verhältnismäßig niedrigen Bauten: Zusammen mit KCAP, einem Büro für Stadtplanung und Architektur, sowie den Nachhaltigkeitsexpert*innen von Raumanzug entwickelten sie das 279 Wohnungen umfassende „Quartier der tanzenden Paare“. Der Lärm von außen wird ferngehalten, weil die Gebäude gestaffelt angeordnet sind. Mittels diese Struktur bildet der Hochbau einen Lärmschutz, ohne den offenen Charakter des Wohnquartiers zu vernachlässigen. Eine Vielzahl an Eingängen und Öffnungen entlang der harten Kante stellt die notwendige Verbindung zur Umgebung her. Während die Wohnungen in den geschützten, vom Verkehrslärm abgewandten Gebäuden angeordnet sind, befinden sich gegenüberliegend Gebäude mit flexiblen Büroflächen und Penthouse-Wohnungen.
Tanzende Häuser-Paare
Um die Klarheit und Harmonie des Entwurfs zu wahren, verzichten die Planer*innen auf architektonische Hochpunkte. Abwechslung entsteht vielmehr durch den Einsatz von vier verschiedenen Gebäudetypologien: Jeweils in Paaren gesetzt, scheinen Atriumhäuser, Zeilenhäuser, Punkthäuser und Zwillingshäuser auf dem Plan zu tanzen. Daher auch der name des Projekts. Ein verbindendes Element zwischen allen Gebäudetypen ist das Schrägdach. Mit einer Traufe ab dem vierten oder fünften Stock wird viel natürliches Licht verfügbar.
Die rhythmische Struktur des Hochbaus überträgt sich durch die geschickte Position auf den Freiraum und schafft eine Reihe an Quartiersplätzen: Wie auf eine Perlenkette gefädelt, reihen sich von Nord nach Süd der Erni Platz mit Spielbereich, eine kleinere urbane Nische für nachbarschaftliche Begegnungen sowie ein Quartiersgarten aneinander.
Ausgewogenes Makroklima durch das Schwammstadt-Prinzip
Alle Freiräume sind mit Gehölzen versehen, die einen Teil der Flächen beschatten und im Sommer zur Abkühlung dienen. Naturnah bepflanzte Grünflächen entlang der Erdgeschosszonen bilden eine weiche Kante zwischen privatem und öffentlichem Bereich. Gemeinsam mit den Grünflächen auf den Quartiersplätzen halten sie nach dem Prinzip der Schwammstadt Regenwasser zurück. So entsteht ein angenehmes Mikroklima, das sowohl regenreichen Tagen als auch sonnigen Perioden trotzen kann. Begrünte Dächer, Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen und eine sorgfältige Auswahl an nachwachsendem oder recyceltem Baumaterial schützen überdies auch das Makroklima.
Nachhaltiges Leben in dem „Quartier der tanzenden Paare“ – auf mehreren Ebenen
Um den industriellen Flair zu bewahren, bleibt der bestehende Erni-Hauptsitz im Süden des Geländes erhalten. Das Konzept sieht hier eine Aufstockung in Form eines Gewächshauses mit Fokus auf die urbane Lebensmittelproduktion vor. So wird das namensgebende Firmengebäude nachts zum leuchtenden Symbol des nachbarschaftlichen und nachhaltigen Lebens im Quartier.
Auf dem Plan tanzen die Gebäude bereits – gut vorstellbar, dass hier auch Menschen bald gemeinsam wohnen, arbeiten, gärtnern und tanzen.
Während das „Quartier der tanzenden Paare“ ein bestehendes Industriegelände in einen lebenswerten Wohnkomplex umgestaltet, werden anderswo Städte von Grund auf neu geplant: Telosa City in der amerikanischen Wüste soll nach dem Masterplan von der Bjarke Ingels Group super ressourcenschonend, mobil – und inklusiv sein.