08.11.2023

Projekt

Radschnellweg in die Zukunft

Im Vordergrund eine Person mit Rucksack auf einem Fahrrad. Im Hintergrund eine Stadtkulisse mit gepflastertem Belag.
Damit mehr Menschen auf das Rad umsteigen, braucht es sichere und attraktive Wegeinfrastrukuren. Radschnellwege sind eine Lösung. Foto: Clem Onojeghuo via Unsplash

Nur durch attraktive Strukturen werden auch zukünftig mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen. Neben zahlreichen anderen Infrastrukturprojekten spielen dabei auch sogenannte Radschnellwege eine entscheidende Rolle. Alle Infos dazu hier.


Verkehrswende: Bessere Situation für Radfahrer*innen

Sich auf dem Rad unsicher zwischen Bordstein und Tramgleis durch das Stadtgetümmel den Weg suchen oder mit der steten Gefahr eines überholenden Autos im Nacken auf windigen Überlandstraßen in die Pedale treten. Wer kennt Situationen wie diese nicht? Zum Alltag als Radfahrer*in gehören Momente wie diese leider noch immer dazu. Viel zu oft sind die Infrastrukturen nicht darauf ausgelegt, ein angenehmes und sicheres Fahrgefühl auf dem Fahrrad zu garantieren. Für eine gelingende Verkehrswende ist es jedoch unabdingbar, dass sich die Situation für Radfahrer*innen verbessert.


Pionierprojekte in den Niederlanden

Das Ziel eines Radschnellweges – oder einer Radschnellverbindung – ist, wie der Name bereits vermuten lässt, die schnelle Verknüpfung von A nach B für Radfahrende. Dabei überbrücken sie oftmals größere Entfernungen. Zum Beispiel führen sie von Umlandgemeinden ins Zentrum einer Großstadt oder verbinden einzelne Städte einer Region miteinander. Davon profitieren oftmals Pendler*innen, die dank gut ausgebauter Wege vor und nach der Arbeit schnell ans Ziel gelangen. Wie so oft in Debatten um die Radinfrastruktur, gelten die Niederlande als Vorreiter. Bereits ab 1980 starteten dort erste Pilotprojekte. Heute gibt es im Land über 40 Routen, auf denen Radelnde unkompliziert, sicher und vor allem schnell verkehren können. Immer wieder erregen einzelne Projekte dabei besondere Aufmerksamkeit. So etwa der Hovenring, der erste schwebende Kreisverkehr der Welt für Radler*innen. Als runde Hängebrücke überspannt dieser seit 2011 eine vielbefahrende Verbindungsstraße zwischen den niederländischen Orten Eindhoven und Veldhoven.

Nachtaufnahme von einer schwebenden runden Brücke. Sie hängt an Stahlseilen. Der Boden ist roter Asphalt.
Hovenring - ein schwebender Kreisverkehr für Radfahrende. Foto: John Tarantino, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Radnation Dänemark

Auch in Dänemark haben sich Radschnellwege als wertvoller Teil der Radinfrastruktur etabliert. Der Cycle Super Highway in Kopenhagen dient als Vorzeigebeispiel. Bereits innerhalb der Stadt gibt es mit rund 390 Kilometer langen Radwegen ein gut ausgebautes Netz. Ein neues Netz aus Radwegen soll zukünftig insgesamt 22 Kommunen in der Großregion Kopenhagen mit der Hauptstadt verbinden. Als erster Abschnitt der Planung entstand eine Verbindung zur rund 22 Kilometer entfernten Vorstadt Albertslund. Nun sollen weitere 25 Cycle Super Highways folgen und ein Netz von insgesamt 300 Kilometern Länge entstehen. Sowohl in Dänemark als auch den Niederlanden sind die positiven Effekte auf das Verkehrsverhalten der Bevölkerung offensichtlich. In den Niederlanden wurde etwa beobachtet, dass nach dem Bau eines Radschnellwegs fünf bis fünfzehn Prozent der Autofahrer*innen auf das Rad umstiegen. Ganz im Sinne von Angebot und Nachfrage könnten mehr Radschnellwege also auch anderswo mehr Menschen aufs Rad umsatteln lassen.


Anforderungen an einen Radschnellweg

Damit sich Radfahrer*innen sicher fühlen, müssen Radschnellwege einige wesentliche Aspekte garantieren, die der ADAC wie folgt, definiert. Außerorts können Radschnellwege entweder straßenbegleitend oder aber als getrennte Radwege ausgebaut sein. Innerorts werden sie ebenfalls entweder straßenbegleitend als Radfahrstreifen angelegt, als eigener Weg in einfacher oder zweifacher Richtung oder als ganze Fahrradstraße mit Bevorrechtigung an Knotenpunkten. Unabhängig von der Verortung sollten sie eine Mindestbreite von drei Meter aufweisen. Wenn sie in zwei Richtungen verlaufen, verbreitert sich die Mindestbreite auf mindestens vier Meter. Als sinnvoll erachtet der ADAC Radschnellwege ab einer Länge von mindestens fünf Kilometern. Auf dieser Strecke braucht die Fahrbahn einen hochwertigen Belag und zumindest innerörtlich Beleuchtung.

Doch nicht nur die Wegegestaltung ist entscheidend. Auch die Verkehrsführung muss den Radfahrer*innen Vorrang gewähren. Eine dementsprechende Ampelschaltung, aber auch die Überbrückung von Hindernissen durch Brücken und Unterführungen gilt es beim Anlegen zu beachten. Eine gut geplante Struktur garantiert den Nutzer*innen dann eine durchschnittliche Geschwindigkeit von mindestens 20 Kilometern pro Stunde. Zusätzliche Ausstattung und Serviceleistungen wie Raststationen oder Reparaturmöglichkeiten erhöhen die Attraktivität von Radschnellwegen.


Beispiele aus Deutschland

Mittlerweile zieht auch Deutschland nach. In Wuppertal verknüpft die über 23 Kilometer lange Nordbahntrasse fast kreuzungsfrei und ohne nennenswerte Steigungen die Zentren und nördlichen Stadtteile. Ehemals verlief hier eine Bahnstrecke, die jedoch 1999 aufgegebene wurde. Von 2006 bis 2014 setzte sich dann der Verein WUPPERTALBEWEGUNG e.V. für die Wiederbelebung der alten Trasse ein. Heute sind fünf beleuchtete Tunnel, gemauerte Viadukte und Aussichtspunkte mit Aus- und Einblicken in Stadt und Umgebung Höhepunkte der Straßenverbindung. Erlebbar ist die Straße mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem Skateboard. Im Westen und Osten schließt sich die Nordbahntrasse außerdem an das überregionale Radwegenetz an und verknüpft somit die gesamte Region.

Auch im hohen Norden wurde seit September 2019 eine ehemalige Bahntrasse als Veloroute 10 umgenutzt. Anstelle von Güterzügen können nun Radfahrer*innen in 20 Minuten zwischen Hassee und dem Holstein-Stadion verkehren. Die Fahrzeit mit dem Auto für die gleiche Strecke wäre deutlich länger. Dank mehrerer Radbrücken über Hauptverkehrsstraßen und der Autobahn sowie zweier Straßenquerungen ohne Ampeln gelingt diese schnelle Verbindung.

In Göttingen kombiniert ein Pilotprojekte derzeit das Prinzip des Schnellwegs mit der Nutzung von Elektrorädern. Der eRadschnellweg führt dabei als bundesweit erster seiner Art zentral durch eine Stadt und soll den Bahnhof und den Nordosten verbinden. Auf einer Teststrecke von derzeit vier Kilometern wird untersucht, auf welche speziellen Anforderungen von Elektrorädern die Infrastruktur reagieren muss.


Radschnellweg als Generallösung?

Der ADAC schätzt, dass innerstädtische Radschnellwege meist nur mit hohem Aufwand oder mit geringeren Standards zu realisieren seien, außerorts hält er die Realisierungschancen für vielversprechender. Weiterhin komme ein Radschnellweg aufgrund des Nutzen-Kosten-Verhältnisses nur dort infrage, wo ein Aufkommen von mindestens 2000 Radfahrer*innen pro Tag zu erzeugen sei. Wie die Erfahrungen aus den Niederlanden und Dänemark zeigen, steigt mit einer attraktiven Infrastruktur jedoch auch die Nutzung. Radschnellverbindungen können also durchaus ein Instrument sein, um die Verkehrswende voranzutreiben.

Welche anderen Projekte Radfahren noch attraktiver machen? Lesen Sie zum Beispiel hier etwas über den längsten Fahrradtunnel der Welt.

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