01.08.2023

Gesellschaft

Schifffahrt: Bis 2050 klimaneutral

Die 175 Mitgliedsstaaten haben beschlossen, die internationale Schifffahrt bis 2050 klimaneutral zu machen. Bildquelle: Unsplash
Die 175 Mitgliedsstaaten haben beschlossen, die internationale Schifffahrt bis 2050 klimaneutral zu machen. Bildquelle: Unsplash

Schifffahrtsverbände haben sich dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2050 keine CO2-Emissionen mehr auszustoßen. Doch der Sektor steht vor großen Herausforderungen, bis die Schifffahrt klimaneutral wird. Wie das gehen könnte, lesen Sie hier. 


Klimaneutralität „in der Nähe des Jahres 2050“

Am 7. Juli 2023 einigte sich die International Maritime Organisation (IMO) darauf, die Treibhausgasemissionen bis etwa zum Jahr 2050 auf Null zu reduzieren. Nach langen Beratungen wurde der Beschluss in London getroffen. Außerdem gibt es Zwischenziele mit Meilensteinen für die Jahre 2030 (mindestens 20 Prozent Reduktion) und 2040 (mindestens 70 Prozent Reduktion).

Der neue Klimaschutzfahrplan der Weltschifffahrtsorganisation sieht ab 2027 einen Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 vor. Auch globale Standards für klimafreundliche Treibstoffe für Schiffe sollen entstehen. Als Sonderorganisation der Vereinten Nationen hat die IMO die Kraft, weltweit verbindliche Regeln für die Schifffahrt vorzuschreiben. Bisher sah die Organisation nur eine 50-prozentige Senkung bis 2050 vor.

Entsprechend wurde der Beschluss, schon 2050 eine klimaneutrale Schifffahrt zu erreichen, sehr positiv bewertet. Die Mitgliedsstaaten haben damit anerkannt, dass es keine Alternative zur Klimaneutralität gibt. Wörtlich heißt es in der neuen Klimastrategie der Organisation: „Die Treibhausgas-Emissionen des internationalen Seeverkehrs sollen so bald wie möglich ihren Höchststand erreichen und bis zum oder um das Jahr 2050 herum, das heißt in der Nähe des Jahres 2050, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten auf Null reduziert werden.“

Während Segelboote recht bedenkenlos sind, stoßen große Containerschiffe oft mehrere Hundert Tonnen CO2 pro Tag aus. Bildquelle: Unsplash
Während Segelboote recht bedenkenlos sind, stoßen große Containerschiffe oft mehrere Hundert Tonnen CO2 pro Tag aus. Bildquelle: Unsplash

Bepreisung maritimer Treibhausgasemissionen

Trotz des Erfolgs zeigte sich während der langen Verhandlungen, dass zwischen den 175 Mitgliedsstaaten der IMO große Unterschiede bestehen. Daher gilt der Verzicht auf ein fixes Ziel für 2050 als Formelkompromiss, der die Einigung überhaupt erst möglich machte. Einige Länder können oder wollen aufgrund ihrer geografischen Lage und wirtschaftlichen Bedingungen nicht das gleiche Tempo für eine klimaneutrale Schifffahrt einschlagen wie etwa die Mitgliedsstaaten der Europäischen Länder. Daher sind kleinere Abweichungen zum Zeitpunkt des Erreichens der Klimaneutralität möglich.

Laut Nabu hat die IMO eine große Chance verpasst, da die beschlossenen Minderungsziele nicht dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens entsprechen. Umso wichtiger sei es, einen internationalen CO2-Preis für die Schifffahrt umzusetzen. Die IMO unterstützt eine solche Bepreisung, hat sich aber noch nicht dazu geäußert, welches Instrument dafür zum Einsatz kommen könnte. Denkbar sind eine direkte Klimasteuer auf CO2-Emissionen oder ein System zum Nachweis von und Handel mit Emissionen.

Die EU gehört zu den Parteien, die ein derartiges System für den Schifffahrtssektor anstrebt. Laut IMO soll bis 2025 ein „Preismechanismus für maritime Treibhausgasemissionen“ beschlossen werden und 2027 in Kraft treten. Dies soll die Nachricht an die Schifffahrtsbranche und an Kraftstoffhersteller bestärken, dass die Zeit für Investitionen gekommen ist. Eine international standardisierte Regelung für die Emissionsbepreisung wäre dabei ideal.

Die IMO schlägt einen internationalen Preismechanismus für maritime Treibhausgasemissionen vor. Bildquelle: Unsplash
Die IMO schlägt einen internationalen Preismechanismus für maritime Treibhausgasemissionen vor. Bildquelle: Unsplash

Großes Reduktionspotenzial

Neben der Besteuerung oder Strafzahlung auf CO2-Emissionen gibt es noch einen weiteren Weg, die Schifffahrt klimaneutral zu gestalten, nämlich durch andere Kraftstoffe und Energielieferanten. So wurde etwa im Jahr 2021 das erste kommerzielle Containerschiff mit einem CO2-neutralen synthetischen Gas betankt. Davor fuhr die „ElbBlue“ mit fossilem Flüssigerdgas (LNG). Der neue Treibstoff wird chemisch hergestellt, indem mithilfe von Windenergie Wasserstoff erzeugt wird. Überschüssiges CO2 kommt aus einer Biogasanlage, um eine chemische Reaktion zu erzeugen, die klimaneutrales SNG (Synthetic Natural Gas) herstellt. In der gesamten Produktionskette gibt es keine fossilen Brennstoffe.

In Deutschland fördert die Bundesregierung Forschung und Entwicklung zu künftigen Energieträgern in der Schifffahrtsbranche. Neben SNG kommen dabei auch Ammoniak, Wasserstoff und Methanol in Frage. Das Problem: Derzeit ist es noch nicht rentabel, Schiffe mit dem klimafreundlichen SNG-Treibstoff zu betanken. Denn sein Preis ist etwa fünfmal höher als der von fossilem Flüssiggas. Außerdem fehlen Produktionsstätten und nötige Infrastruktur für die Betankung. Immerhin ist für die Umstellung keine größere technische Umrüstung nötig.

Einzelne Reedereien und Unternehmen haben Klimaziele, die noch ambitionierter sind als die IMO-Ziele. So möchten etwa die dänische Containerreederei Maersk und die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises bis 2040 und die deutsche Hapag-Lloyd bis 2045 klimaneutral Schifffahrt betreiben. Da viele der größten Boote mehrere Hundert Tonnen CO2 pro Tag ausstoßen, besteht hier ein großes Reduktionspotenzial.

Die Schifffahrt ist für etwa 3 Prozent der internationalen CO2-Emissionen verantwortlich. Bildquelle: Unsplash
Die Schifffahrt ist für etwa 3 Prozent der internationalen CO2-Emissionen verantwortlich. Bildquelle: Unsplash

Ein fairer Übergang

Etwa 90 Prozent des globalen Warenhandels wird heute per Schiff abgewickelt. Die riesigen Containerschiffe werden mit Schweröl oder Marinediesel angetrieben, einige auch mit dem flüssigen LNG. Zwar hat LNG eine etwas bessere CO2-Bilanz, ist aber trotzdem ein fossiler Energieträger, der Treibhausgase ausstößt und zugleich ungesund für das Meer ist. Insgesamt ist die internationale Schifffahrt für etwa 3 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes zuständig.

Für klimaneutrale Lösungen in der Schifffahrt spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Dazu gehören Gewicht, Platzbedarf und Verfügbarkeit von Kraftstoff. Batterien kommen bisher im Schiffsverkehr nur auf kurzen Strecken zum Einsatz. So plant zum Beispiel die Reederei Scandlines, demnächst eine batteriebetriebene Fähre zwischen Dänemark und Deutschland einzusetzen.

Für längere Strecken sind Kraftstoffe wie Ammoniak oder Methanol realistischer, wobei Ammoniak derzeit noch zu gefährlich ist. Grünes Methanol hat mittelfristig bessere Aussichten, ebenso wie Wasserstoff. Neue Schiffe, neue Motoren und neue Infrastruktur werden nötig sein, was vermutlich die Kosten für die Schifffahrt sowie die Warenpreise beeinflussen wird. Durch verbesserte Routen und maschinelle Optimierungen der Schiffe sowie durch eine intelligente Hafenwahl sind weitere Einsparungen möglich. Die Entscheidung der IMO, diesen Übergang gerecht und fair zu gestalten, wird damit auf die Probe gestellt.

Weiterlesen: Beim Thema Ozean kommt man nicht darum herum, den Anstieg des Meeresspiegels zu diskutieren – MVRDV stellt Lösungsvorschläge zum Meeresspiegelanstieg in Vancouver vor.

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