22.02.2023

Gesellschaft

Meeresspiegelanstieg – stadtplanerische Lösungen von MVRDV

Der Bericht von MVRDV erhält zahlreiche Lösungsvorschläge für die Anpassung an den Meeresspiegelanstieg. Bildquelle: MVRDV
Der Bericht von MVRDV erhält zahlreiche Lösungsvorschläge für die Anpassung an den Meeresspiegelanstieg. Bildquelle: MVRDV

MVRDV hat eine Studie veröffentlicht, die mögliche Lösungen für die Stadtplanung bietet, um mit den Problemen des steigenden Meeresspiegels umzugehen. MVRDVs Projekt-Beispiel: das Hafenviertel von Vancouver. Mehr dazu hier.


Der Katalog zum Meeresspiegelanstieg

Das niederländische Architekturbüro MVRDV hat eine Studie veröffentlicht, die Lösungen für die Stadtplanung im Hinblick auf den Meeresspiegelanstieg bieten soll. Im Mittelpunkt dieser Studie steht die Neugestaltung des Hafenviertels von Vancouver, das neue Methoden zur Anpassung an den steigenden Meeresspiegel benötigt. Als Teil von Vancouvers Sea2City Challenge liefert der aus der Studie resultierende Katalog zum Meeresspiegelanstieg neue Ideen für Anpassungslösungen.

Nach Angaben des IPCC könnte der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 um bis zu zwei Meter ansteigen, was für die zahlreichen Großstädte an den Küsten der Welt viele Probleme mit sich bringen würde. In dem Bericht von MVRDV heißt es, dass „wir Zeit haben, diesen Wandel zu entwickeln und umzusetzen, wenn wir jetzt damit beginnen“, da der Meeresspiegelanstieg allmählich erfolgt. Das Architekturbüro betont auch, dass „die Städte diese Dringlichkeit nutzen müssen, um Anpassungslösungen zu entwickeln und zu testen“. Darüber hinaus wird der Austausch von Wissen die Küstengemeinden auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft unterstützen.

MVRDV ruft zu neuen, innovativeren Ansätzen zum Schutz der Küstengebiete auf. Außerdem fordert er die Leser*innen auf, eine naturbezogenere Sprache zu verwenden, wenn es um Infrastrukturen im Zusammenhang mit dem Klimawandel geht. „Schützen“, „beherbergen“ und „wiederherstellen“ sind Beispiele für Begriffe, die laut MVRDV das Gegenteil der heute verwendeten „naturfernen“ Begriffe sind.

Sea Level Rise Catalogue von MVRDV. Bildquelle: MVRDV
Sea Level Rise Catalogue von MVRDV. Bildquelle: MVRDV

Anpassungslösungen für den Meeresspiegelanstieg

Zu den Lösungen, die MVRDV vorschlägt, gehören Stelzen, modernisierte Versorgungseinrichtungen, der Bau von Gebäuden auf dem Wasser und der Abriss bestimmter Gebäude. Die Ansätze reichen von der Anpassung bereits bestehender Strukturen bis hin zu Modernisierungen und Neubauten. Wichtig ist, dass die Anpassung an den Meeresspiegelanstieg in jeder Stadt anders aussehen wird. Eine bestimmte Kombination aus Rückzug, Schutz und Anpassung wird unter allen Umständen funktionieren. Manchmal kann es sogar sinnvoll sein, sich auf das Wasser zuzubewegen.

Die in der Studie beschriebenen Pilotprojekte sind für den sofortigen Einsatz gedacht. Vancouver ist dabei der wichtigste Testfall in dem Dokument von MVRDV. Hier gestaltet das Designbüro die Uferpromenade entlang des False Creek neu und fordert eine widerstandsfähigere Architektur. Die enge Zusammenarbeit mit der Stadt hat zu einer Vision für die nächsten 100 Jahre der Stadt geführt, die andere Städte in ähnlicher Lage inspirieren könnte.

Das Prinzip des „rewilding“ ist im Fall von Vancouver von zentraler Bedeutung. Das bedeutet, dass das Land in seinen natürlichen, unkultivierten Zustand zurückversetzt und wilde Tiere wieder angesiedelt werden. Der Blick auf die Natur und auf die Geschichte ist entscheidend. MVRDV hat bei seinem Vorschlag für Vancouver großen Wert auf die Einbeziehung der Bevölkerung gelegt. Durch die Konsultation lokaler Gruppen und insbesondere von Beratern der örtlichen First Nations könnte eine andere Beziehung zwischen der Stadt und dem Hafengebiet möglich werden.

So könnte der False Creek in Vancouver im Jahr 2040 aussehen. Bildquelle: MVRDV
So könnte der False Creek in Vancouver im Jahr 2040 aussehen. Bildquelle: MVRDV
Visualisierung von False Creek im Jahr 2100. Bildquelle: MVRDV
Visualisierung von False Creek im Jahr 2100. Bildquelle: MVRDV

Ein neues Hafenviertel für Vancouver

MVRDV schlägt in seinen Studien ein neues Hafenviertel für Vancouver bis zum Jahr 2100 vor. Die derzeitigen Deiche und Mauern, die den Wasserspiegel blockieren, werden bis dahin denn nicht mehr tragfähig sein. Auf der Grundlage der Prinzipien des Katalogs zum Meeresspiegelanstieg hat MVRDV eine Reihe von Pilotstrukturen für die subtidalen Bereiche des False Creek in Vancouver entwickelt. Dazu gehört eine schwimmende Insel, die als Zufluchtsort für Tiere dienen soll. Von dort aus würde ein schwimmender Pavillon in Richtung Ufer führen, der mit dem Kajak erreichbar ist. Er könnte eine Wasserüberwachungsstation beherbergen und den Zugang zur Stadt ermöglichen.

Der Pavillon würde auf dem derzeitigen Deich stehen, der in Zukunft häufiger überflutet werden wird. Er würde auch als Gemeinde- und Kulturzentrum dienen. Ein bewaldetes Gebiet soll dem Vorschlag zufolge dann als Puffer zwischen dem Pavillon und der bestehenden Infrastruktur dienen. Eine Reihe von Fußwegen über dem Wasser würde die Verbindung aufrechterhalten.

Dieses neue Hafenviertel für Vancouver soll schrittweise bis zum Jahr 2100 errichtet werden. Dabei wird das so genannte „Backshore“, das Land zwischen Ebbe und Flut, vergrößert, um Überschwemmungen und extreme Wetterereignisse besser auffangen zu können. Dies sind die sechs Grundprinzipien von MVRDV:

  • Verbesserung der Versorgungseinrichtungen und Anhebung einiger von ihnen vom Wasser weg
  • Suche nach neuen, hochwassersicheren Nutzungsmöglichkeiten für unterirdische Strukturen
  • Anhebung des Erdgeschosses von Gebäuden
  • Entwicklung erhöhter Gehwege zur Verbindung von Gebäuden
  • Umgestaltung der Gebäudeprogramme und Flexibilisierung der Gebäude
  • Anpassung von Strukturen, um Nutzungsänderungen zu ermöglichen, und Gestaltung neuer Strukturen, die leichter angepasst werden können
Visualisierung von Cooper's Park im Jahr 2040. Bildquelle: MVRDV
Visualisierung von Cooper's Park im Jahr 2040. Bildquelle: MVRDV
Cooper's Park im Jahr 2100. Bildquelle: MVRDV
Cooper's Park im Jahr 2100. Bildquelle: MVRDV

Die Sea2City-Initiative

Vancouver hat die Sea2City-Initiative ins Leben gerufen, um verschiedene Architekturbüros zusammenzubringen, die mit der örtlichen Gemeinde und der Regierung zusammenarbeiten. Die vorgeschlagenen Projekte werden nicht sofort gebaut, sondern sind Teil eines Rahmens und einer Vision, die die Stadtentwicklung und die ökologische Wiederbelebung in False Creek leiten sollen.

Wichtig ist aber, dass die Sea2City-Initiative erkannt hat, dass herkömmliche Ansätze für urbane Uferzonen, wie etwa der Widerstand gegen das Wasser durch harte Infrastruktur, nicht mehr wirksam sind. In einer Zeit, in der der Meeresspiegel steigt und extreme Wetterereignisse immer häufiger auftreten, legen die Architekten mehr Wert darauf, dass die Städte mit dem Wasser koexistieren können.

Die Stadt Vancouver liegt in den nicht anerkannten traditionellen Heimatgebieten der Musqueam, der Squamish und der Tsleil-Waututh First Nations. Das Gebiet um False Creek ist für die First Nations von großer Bedeutung. Sie haben das Land denn seit jeher verwaltet und spielen eine wichtige Rolle bei der Beratung über die Zukunft der hochwassergefährdeten Küstenlinie.

Der gemeinschaftliche Gestaltungswettbewerb lief über einen Zeitraum von 12 Monaten. Die nächste Phase wird dann die Entwicklung eines Klimaanpassungsplans sowie eines Küstenanpassungsplans sein.

Übrigens: Mehr Ideen für das Leben nach dem Klimawandel finden Sie hier. Oder: Das UN-Habitat und seine Partner stellten den weltweit ersten Prototyp einer schwimmenden Stadt vor. Oceanix Busan heißt die Stadt und wurde von BIG entworfen.

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