20.10.2022

Projekt

Schwammstadt-Projekt in Lanzenkirchen

Stop the flood
Das Schwammstadt-Projekt in Lanzenkirchen
Das Schwammstadt-Projekt in Lanzenkirchen, Foto: Petra Panna Nagy

Der Hauptplatz in Lanzenkirchen wurde nach dem Schwammstadt-Prinzip für Bäume umgebaut. Wie das ganze funktioniert und was die Besonderheiten des neuen Ortszentrums sind, das erklärt das Wiener Planungsbüro 3:0 Landschaftsarchitektur.

Interviewpartner:
Das Wiener Planungsbüro 3:0 Landschaftsarchitektur ist bekannt für seine Schwammstadt- Projekte. 2020 hat es den neuen Hauptplatz in Lanzenkirchen, eine Gemeinde mit 4 100 Einwohner*innen in Niederösterreich, fertiggestellt.

Schwammstadt-Projekt © Petra Panna Nagy
Der Hauptplatz in Lanzenkirchen. Foto: Petra Panna Nagy
Schwammstadt-Projekt © Petra Panna Nagy
Foto: Petra Panna Nagy

Was ist das Besondere an dem neuen Hauptplatz in Lanzenkirchen?

Als der Umbau des Lanzenkirchener Hauptplatzes 2015 geplant wurde, war die Klimakrise weniger ein Thema als heute.
Im Nachhinein ist man froh, dass sich die Umsetzung aufgrund bürokratischer Hürden verzögerte und die Verantwortlichen den Aspekt der Klimaanpassung einarbeiten konnten. So hat Lanzenkirchen heute als ländliche Gemeinde ein Ortszentrum, das für die nächsten Jahrzehnte gerüstet ist.
Das Besondere an dem Projekt ist einerseits, dass ein Ortszentrum geschaffen wurde. Es gab einen Parkplatz, ein altes Gemeindeamt umgeben von baufälligen Gebäuden. Wir haben das Zentrum neu strukturiert und eine Platzfolge geschaffen, die Raum für die alltäglichen und besonderen Nutzungen wie Märkte und Veranstaltungen bietet. Andererseits haben wir das gesamte Ortszentrum nach dem Schwammstadt-Prinzip für Bäume gestaltet und dabei klimafitte Standorte für 35 neue Bäume geschaffen. Dafür wurden bewusst resistente Bäume ausgewählt, große Ulmen und Silberlinden, die in der Region bereits seit vielen Jahrzehnten gut gedeihen und auch mit dem sich verändernden Klima zurechtkommen.

Schwammstadt-Projekt © Petra Panna Nagy
Auf dem Hauptplatz wurde mithilfe des Schwammstadt-Prinzips Platz für 35 besonders resistente Bäume geschaffen. Foto: Petra Panna Nagy

Der neue Platz wurde nach dem Schwammstadt- Prinzip für Bäume errichtet. Warum sollten auch ländliche Räume das Prinzip umsetzen?

Auch im ländlichen Raum wird großflächig versiegelt. Gerade am Land sehen wir oft das Problem lokaler Überschwemmungen durch ein überlastetes Kanalsystem. Gleichzeitig wird in einigen Regionen das Grundwasser knapp. Und Schatten entlang der Gehwege und auf Plätzen fehlt.
Mit dem Schwammstadt-Prinzip können also neue Baumstandorte geschaffen werden. Gleichzeitig bietet es den Bäumen beste Standortbedingungen bei einem gleichzeitig minimalen Wasserverbrauch und entlastet das Kanalsystem bei Starkniederschlägen.

Schwammstadt-Projekt © Petra Panna Nagy
Das Ortszentrum, das durch das Projekt entstanden ist, bietet Raum für alltägliche und besondere Nutzungen. Foto: Petra Panna Nagy

In Lanzenkirchen wurde ein besonderer Untergrund verwendet, der bis dato selten zum Einsatz kam. Was sind die Vorteile des sogenannten Schwammstadt-Untergrunds?

Abgesehen vom vitalen Baum ist der größte Mehrwert, dass viel Wurzelraum unter befestigten Flächen geschaffen werden kann. Und gerade in Gebieten, in denen vermehrt
Trockenheit herrscht, bringt die Speicherfähigkeit des Substrats einen echten Nutzen.
Schwammstadt-Projekt © Petra Panna Nagy
Foto: Petra Panna Nagy

Auf dem Platz finden verschiedene Märkte und Feste statt. Wie lässt sich eine intensive Nutzung mit dem Schwammstadt-Prinzip, der Versickerung vor Ort, vereinbaren?

Das Wasser gelangt über die Sickerbecken – also die Pflanzbeete – in die Schwammstadt. Dabei passiert es die sogenannte Humuspassage. Der Boden fungiert dabei als natürlicher Filter und nur unbedenkliches Wasser gelangt zu den Wurzeln.

Schwammstadt-Projekt © Petra Panna Nagy
Obwohl die Pflanzenwahl für viele gewöhnungsbedürftig ist, bringt sie so einige Vorteile mit sich. Foto: Petra Panna Nagy
Schwammstadt-Projekt © Petra Panna Nagy
Foto: Petra Panna Nagy

Kräuter statt Geranien – Wie muss sich die Bepflanzung in Zukunft verändern?

Wir setzen bereits seit Langem überwiegend Kräuter, Stauden und Gräser ein, die besonders widerstandsfähig sind und mit dem rasch heißer werdenden Klima gut zurechtkommen. Gerade in ländlichen Gemeinden sind die Bürger*innen akribisch angeordnete Blumenformationen gewohnt und so ist diese Pflanzenwahl zu Beginn für viele gewöhnungsbedürftig.
Der Bürgermeister von Lanzenkirchen hat berichtet, dass er aufgrund der Bepflanzung auch einigem Spott ausgesetzt war. Denn einige der verwendeten Pflanzen werden von der agrarisch geprägten Bevölkerung als Unkraut angesehen. Mittlerweile konnten die Kritiker*innen aber bereits fast zwei Jahresverläufe beobachten und haben anerkannt, dass alles sehr üppig bewachsen ist, immer etwas blüht und sich stets zahlreiche Insekten in den Pflanzbeeten tummeln.

Im Dezember 2021 haben wir eine ganze Ausgabe der G+L dem Thema Schwammstadt gewidmet. Hier stellen wir Ihnen das Heft vor, hier finden sie es in unserem Shop.

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