29.06.2023

Projekt

Living Carbon – Mit Wachstum gegen den Klimawandel?

Könnten genveränderte Bäume die Klimakrise stoppen? - Das StartUp Living Carbon sagt: Ja! © Clay Banks, Unsplash
Könnten genveränderte Bäume die Klimakrise stoppen? - Das StartUp Living Carbon sagt: Ja! © Clay Banks, Unsplash

Das Startup Living Carbon will mit genetisch manipulierten Bäumen den Klimawandel stoppen: Die Bäume sollen schneller wachsen und mehr Kohlenstoff binden. Doch Expert*innen sind skeptisch.


Living Carbon arbeitet an Genveränderung

Die Klimakrise erfordert drastische Maßnahmen. Dabei wird nicht zuletzt das Festhalten am stetigen Wirtschaftswachstum hinterfragt. Das Paradigma von „immer mehr“ scheint überholt. Ein Start Up aus dem Silicon Valley wendet jedoch genau diesen Steigerungsgedanken nun an um der Klimakrise entgegen zu wirken.

Mithilfe eines genetisch manipulierten Bakteriums verändern die Forscher*innen von Living Carbon beispielsweise die DNA von Pappeln und Kiefern. Mithilfe der sogenannten CRISPR/Cas-Methode gelingt es ihnen, einen DNA-Strang an einer vorgegebenen Stelle zu durchschneiden und dort gezielt zu verändern. An der Schnittstelle können einzelne DNA-Bausteine eingefügt, entfernt oder modifiziert werden. „Das Ganze wird oft mystifiziert, aber eigentlich handelt es sich nur um eine simple Reihe von Labortechniken“, sagt Patrick Mellor, Paläobiologe und Chief Technology Officer des Start-ups. Aus einigen Zellen in einer Petrischale entwickeln sich dann Jungbäume, die in einem Gewächshaus mit speziell entwickelter LED-Beleuchtung weiter herangezogen werden. Am Ende dieses Prozesses „entstehen“ Bäume, die schneller wachsen, mehr Fotosynthese betreiben und gleichzeitig mehr Kohlenstoff binden können. Durch dieses „Mehr“ will das StartUp dem Klima helfen. Produktivitätssteigerung – aber für eine nachhaltigere Zukunft. Kann das gelingen?


Erster genveränderter Wald in Georgia

Nur vier Jahre nach Gründung des StartUps bewältigte Living Carbon Anfang diesen Jahres einen großen Meilenstein. Im Februar pflanzten sie die ersten sogenannten „photosyntheseverstärkten“ Pappelbäume in freier Wildbahn. Inmitten der Flachlandwälder in Georgia steht nun ein Streifen genveränderter Pappeln. Es ist das erste Mal in den USA, dass gentechnisch veränderte Bäume außerhalb des Labors in einem tatsächlichen Wald gepflanzt wurden. Dabei pflanzt Living Carbon ausschließlich weibliche Bäume ohne Pollenproduktion. So soll ein unkontrollierter Gendrift – also die Weitergabe von manipulierten Genen an andere Arten – verhindert werden.


Living Carbon: Ein Millionengeschäft

Zeitgleich mit der Pflanzung brachte Living Carbon auch CO₂-Emissionsgutschriften für den neuen Wald auf den Markt. Für 40 Dollar monatlich garantiert das Unternehmen eine Tonne aus der Atmosphäre entferntes CO₂. Dabei zahlen die Investor*innen derzeit für das Feld in Georgia, auf dem die veränderte Pappelsorte nur fünf Prozent der Fläche ausmacht. Kritiker*innen bemängeln deshalb, dass die Kund*innen für ein herkömmliches Aufforstungsprojekt zahlten, in das lediglich ein kleines Experiment integriert sei. Die Finanzierung ermöglicht es dem Unternehmen jedoch weiter zu wachsen und an weiteren Projekten zu arbeiten. Living Carbon entwickelt derzeit beispielswiese Bäume, die toxische Metalle in ihren Wurzeln speichern und so vormals industrielle Böden säubern sollen.


Reaktionen auf Living Carbon 

Die Kritik an der Intransparenz beim Emissionshandel ist nur eine Reaktion, die das Projekt von Living Carbon hervorruft. Die Resonanz ist durchwachsen. Expert*innen aus unterschiedlichen Disziplinen führen vor allem biologische Zweifel an. In einem Artikel der Technology Review merkt der Baumgenetiker Steve Strauss von der Oregon State University an, die Bäume könnten im Freiland möglicherweise nicht so gut wachsen wie natürliche Pappeln. Auch Marjorie Lundgren, eine Forscherin an der Lancaster University in Großbritannien mahnt dies an. Da die Bäume bisher nur unter Laborbedingungen getestet wurden, sei auch ihre Leistungsfähigkeit in freier Natur noch nicht bewiesen. Denn im Labor erhalten die jungen Bäume viel Wasser und Dünger. Sie haben optimierte Umweltbedingungen, die in einer realen Umgebungen, so nicht gegeben seien. 

Der Ökologe Sean McMahon merkte weiterhin an, dass das gesteigerte Wachstum mit anderen Kompromissen einhergehe. So könne ein schneller wachsender Baum dafür beispielsweise anfälliger für Schädlinge sein. Die Wissenschaftler*innen sprachen sich dafür aus, stattdessen bestehende Wälder besser zu schützen. Oder etwa auf den Reichtum der Natur zurückzugreifen, statt mit hohem Aufwand an Hightech-Bäumen zu forschen. „Es gibt 80 000 Baumarten auf der Welt. Vielleicht sollte man einfach die Arten finden, die tatsächlich schnell wachsen und Kohlenstoff lange speichern“, sagte etwa Sean McMahon. 

Living Carbon argumentiert hingegen, um den drastischen Auswirkungen der Klimakrise zu begegnen, seien auch drastische Methoden notwendig. Dabei gelte es auch Risiken einzugehen. Der Genetiker Keolu Fox von der Universität von Kalifornien versteht diesen Ansatz. Für ihn ist das Projekt ein Aufbegehren gegen die Aussichtslosigkeit: „Wir sprechen von einer Veränderung von Naturland – das ist eine Verzweiflungstat.“  

Klimawandel mit weniger Technologie? Der BDLA stellt dazu ein Maßnahmenpaket vor.

 

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