Tilman Latz leitet seit 2011 nach zehnjähriger Partnerschaft mit seinen Eltern Anneliese und Peter Latz das Büro Latz + Partner. Seine Frau Iris Dupper ist seit 2016 Partnerin. Im Februar 2022 übernahm Tilman Latz die Professur für Planen und Entwerfen an der HSWT. Anlässlich der Professur fragte Theresa Ramisch Tilman Latz, was er Studierenden weitergeben möchte und ob Professur und Bürotätigkeit zeitlich zu schaffen ist.
„Kein Feedback in der Landschaftsarchitektur ist subjektiv“
Tilman Latz, Sie haben seit diesem Februar die Professur für Planen und Entwerfen an der Fakultät Landschaftsarchitektur an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf inne. Selbst haben Sie in Wien, Kassel und London studiert. Was war Ihr prägendstes Studi-Erlebnis?
Tilman Latz: Durch meine Eltern, die ja beide Landschaftsarchitekt*innen sind, hatte ich das Glück gut vorbereitet ins Studium gehen zu können. Ich wusste meine Zeit in Wien würde eher verschult werden, die in Kassel wäre freier. Woran ich gerne denke, ist das Miteinander damals an den Hochschulen. Das war ein anderes zwischen Studierenden und Professoren. Was mich aber nachhaltig geprägt hat, das war vor allem meine Zeit in London. Für mich ein irres Erlebnis.
Die Architectural Association in London zeigte mir gelebte Interdisziplinarität. Dort lernte ich, dass Architektur und Landschaft alles andere als weit voneinander entfernt sind; dass man aus Landschaft fantastische Architekturprojekte ableiten kann. Zu erleben, dass die Inspiration für Planung – egal ob du im Bereich Hochbau oder Bühnenarchitektur tätig bist – von der Wahrnehmung der Umwelt geprägt ist, war neu für mich und zugleich fantastisch. Das hat meinen Blick geöffnet. Das war so reich und beindruckend: All diese Einflüsse anderer Kulturen – aber eben auch die Welt vor dem Internet.
Ist dieser weltoffene Blick auch das, was Sie Ihren Studierenden weitergeben wollen?
Tilman Latz: Definitiv. Die Studis heute sind anders als wir damals. Sie sind unglaublich vernetzt, wissen extrem viel – manchmal mehr als die Professor*innen. Viel davon ist jedoch meiner Meinung nach durch das Internet geprägt. Die Studierenden waren oftmals nicht wirklich vor Ort, sondern kennen vor allem die Abbilder. Wir früher haben gelernt, dass nichts die reale Erfahrung ersetzen kann. Daran halte ich fest. Ich möchte die Student*innen mehr auf die Phänomene dieser Welt bringen, hin zu einer detaillierten Betrachtung und Analyse. Ich möchten ihren Blickwinkel für die Welt öffnen und ihnen dabei helfen die Vielfalt, die unsere Welt bietet, für ihre Tätigkeit fassen zu können. Gleichzeitig möchte ich aber auch den Studierenden die Fähigkeit der Kritik mitgeben. Da haben wir meiner Meinung nach in der Profession einen gewissen Mangel.
Heißt das, Sie werden ein harter Prof werden?
Tilman Latz: Nein, mir geht es darum richtig gute Projekte zu machen. Aber die Studierende werden auch immer meine ehrliche Meinung hören. Entgegen der weitverbreiteten Haltung, denke ich, ist kein Feedback in der Landschaftsarchitektur subjektiv. In Projekten geht es immer um spezifische Situationen, die bestimmte Maßnahmen brauchen und die auch wissenschaftlich untermauert werden können. Aber ich bin auch offen gegenüber Neuem und möchte in meiner Lehrtätigkeit den Studierenden und ihren Ideen meinen Respekt für ihre Arbeit erweisen und alle gleich behandeln.
„Professor*innen gleichen mit persönlichem Engagement viel aus von dem, was nicht bezahlt wird“
Ihr Vater, Peter Latz, lehrte, neben seinen Gastprofessuren in Harvard und an der University of Pennsylvania, stolze 25 Jahre lang an der TU München-Weihenstephan. Sie selbst waren ebenso Gastdozent an der University of Pennsylvania und an der Universität Kassel. Nun die Professur in Weihenstephan. Ein Herzenswunsch, der in Erfüllung geht?
Tilman Latz: Die ehrliche Antwort ist: Jein. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die Berufung mich nicht höllisch freut. Die HSWT ist in meinen Augen der perfekte Ort für Student*innen, an dem zukunftsweisende Forschung und Lehre kombiniert gelebt und gelehrt werden. Denn an der Hochschule der grünen Wissenschaften werden die dringlichen Herausforderungen unserer Zeit lehrstuhlübergreifend erforscht und leisten damit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Gesellschaft. Tatsächlich hatte ich die Idee einer Professur vorher ad acta gelegt. Denn letztlich verdient man in der Privatwirtschaft mehr als an der Hochschule. Und man spricht nicht viel darüber: Professor*innen gleichen mit persönlichem Engagement viel aus von dem, was nicht bezahlt wird.
„Es ist einfach spannend Professor zu sein“
Wie kam es dann aber doch zum Entschluss zur Professur?
Tilman Latz: Das war einerseits mein persönliches Umfeld, mein Schwiegervater – im Übrigen auch Landschaftsarchitekt – und meine Frau und Büropartnerin Iris Dupper sowie andererseits die Hochschule selbst. Die HSWT ist eigentlich keine Fachhochschule mehr. Sie nähert sich mehr und mehr den Strukturen einer Universität an. Sie wächst, man forscht, kann hier inzwischen einen Master, aber auch einen PhD machen. In den vergangenen Jahren war die Hochschule zudem für mich ein stets sehr verlässlicher und guter Kontakt. Die HSWT Professor* innen arbeiten zusammen, bilden gemeinsam auch den Mittelbau mit. Gleichzeitig ist es einfach spannend ein Professor zu sein. Wegen des intellektuellen Austausches, der internationalen Arbeit und dem Blick in die studentische Arbeit.
Seit 2010 leiten Sie das Büro Latz + Partner und begleiten seitdem Berufsanfänger*innen in ihren ersten Jahren als praktizierende Landschaftsarchitekt*innen. Haben Sie auch das Gefühl, dass sich die Ansprüche der Berufseinsteiger*innen in den vergangenen Jahren stark verändert haben?
Tilman Latz: Ja, und das hat auch dazu geführt, dass wir sogar für einen kurzen Moment überlegt haben unser Büro zu verlagern. Wir haben uns klar dagegen entschieden, denn wir lieben diese Region, aber es war Thema. Jedoch – offen gesprochen – es ist schon krass, was wir manchmal erleben.
Wie meinen Sie das?
Tilman Latz: Unser Büro arbeitet national wie international. Dadurch sind wir mit einer nationalen, aber auch internationalen Konkurrenz konfrontiert, die uns dazu zwingt, nicht nur den besten Wettbewerbsvorschlag zu machen, sondern auch hinterher günstiger, schneller, arbeitswilliger zu sein. Ich empfinde insbesondere die Arbeitsmarkt-Situation hier im Süden Deutschlands als besonders schwierig. Die Löhne hier sind sehr hoch. Sie müssen das aber auch zum Teil sein: Das Leben im Raum München, im Raum Stuttgart, aber auch anderen Regionen ist einfach sehr teuer. Dieses kann man sich nur leisten, wenn man entsprechend verdient. Die Argumentation im Bewerbungsgespräch und den Wunsch nach einem entsprechenden Gehalt können wir nachvollziehen.
„Durch den Wunsch nach Homeoffice zerbricht das kreative Miteinander“
Was uns dann aber doch wundert, ist, wenn diese Absolvent*innen und Berufsanfänger*innen gleichzeitig ihre Arbeitszeit auf vier, manchmal sogar drei Tage reduzieren wollen und sich gleichzeitig wünschen Projekte zu leiten. Diese Haltung stellt unsere Profession vor enorme Herausforderungen. Ganz offen gesprochen: Ab dem Zeitpunkt, zu dem wir große, komplexe und internationale Projekte machen – und wegen diesen kommen viele Mitarbeiter*innen zu uns – muss phasenweise auch mal spät oder am Wochenende gearbeitet werden, denn man muss leider – ob man will oder nicht – auch für internationale Kolleg*innen und Auftraggeber*innen verfügbar sein. Wie wir unseren Berufsalltag also mit der mehr und mehr angestrebten Work-Life-Balance zusammenbringen wollen, das ist eine große Herausforderung, die wir und die gesamte Profession noch nicht wirklich gelöst haben. Und wahrscheinlich lässt sich diese Frage auch nicht vollständig lösen.
Drei-Tage-Woche, Projekte leiten und gleichzeitig sehr gut verdienen – woher kommen diese Ansprüche?
Tilman Latz: Wir leben in einer Individualgesellschaft deren Werte im Wandel sind, auch in Anbetracht des Verhältnisses von Arbeit und Freizeit. Gleichzeitig haben sich unsere Arbeitsweisen verändert. Während wir früher zusammen an Plänen gezeichnet haben, arbeiten wir heute mehr und mehr separiert vom Homeoffice aus an einzelnen Projekten. Meiner Meinung nach zerbricht durch den Wunsch nach Homeoffice das kreative Miteinander. Iris und ich sehen es heute, neben allen fachlichen und organisatorischen Aufgaben, als sehr wichtig an ein angenehmes Betriebsklima zu fördern und gerade auch den jüngeren Mitarbeiter*innen die Freude am gemeinsamen Entwerfen und Entwickeln von Lösungen zu vermitteln.
„Man muss schon sehr für diesen Beruf brennen“
Wie steht es um Ihre persönliche Work- Life-Balance? Neben Ihrer Professur an der HSWT wollen Sie schließlich Ihr Büro in einer Nebentätigkeit weiterführen. Ist das so easy möglich? Worauf stellen Sie sich ein?
Tilman Latz: Tatsache ist: Man muss schon sehr für diesen Beruf brennen, wenn man neben einer Professur weiter im Büro tätig sein möchte. Insbesondere in der Gestaltung. Aber ich habe indirekte Erfahrung, was diese Doppel-Position mit sich bringt: von meinen bisherigen Gastprofessuren, aber auch natürlich von dem, was ich bei meinem Vater und auch Kolleg*innen beobachten durfte. Davon habe ich auch gelernt, dass man praktisch weiter tätig sein muss, um Studierenden auch langfristig etwas beibringen zu können. Wenn man Professor und Büroinhaber sein möchte, hat man zwei Möglichkeiten: Man kann sich entweder totarbeiten oder man strukturiert sein Büro um. Ich habe Glück und kann mich ohne Zögern für die zweite Variante entscheiden. Ich habe ein tolles Büro, ich habe eine tolle Frau, die mit mir seit 2016 das Büro leitet, und ich habe tolle Mitarbeiter*innen, mit denen wir gemeinsam neue Strukturen legen wollen.
Das heißt aber auch, dass Sie für Variante 2 Verantwortung abgeben und sich aktiv zurücknehmen müssen. Sie scheinen nicht der Typ zu sein, der das leicht macht.
Tilman Latz: *lacht* Da haben Sie Recht. Lassen Sie uns nochmal in einem Jahr hierzu sprechen, wie das mit dem Zurücknehmen so läuft.
Apropos HSWT: Die Hochschule feierte 2021 seinen 50. Geburtstag. Zum Jubiläum pflanzte die HSWT 50 Bäume.