22.12.2021

Aktuelles

Verdi sorgt sich um Zukunft der Innenstädte

Ein Ver.di Gewerkschaftshaus.
hier in Dortmund. Foto: Joehawkins

Die Gewerkschaft Verdi sorgt sich um die Innenstädte. Das ist ungewöhnlich für eine Gewerkschaft. Sie hat ein Maßnahmenbündel zur nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Entwicklung der Zentren erarbeitet. Wir fassen hier die Ansätze von Verdi zusammen, die die Gewerkschaft auf ihrer Website und in offiziellen Pressemitteilungen vorgestellt hat.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) will die Zentren unserer Städte in eine neue Zukunft führen. Insbesondere die Corona-Pandemie hat die Strukturen in den urbanen Kernen verändert und neuen, zusätzlichen Druck erzeugt. Diese Situation nimmt Verdi aber nicht nur als Defizit wahr. Vielmehr sieht Verdi darin auch eine Chance, einen besseren Entwicklungspfad einzuschlagen und die Innenstädte durch umfangreiche Maßnahmen nachhaltig zu stärken.

Ein Ver.di Gewerkschaftshaus.
Ein Ver.di Gewerkschaftshaus, hier in Dortmund. Foto: Joehawkins, CC BY-SA 4.0

Wandel in den Innenstädten

Die Pandemie stürzte viele Einzelhändler*innen, Gastronomen und Kulturschaffende in eine existenzielle Krise. Die Gewerkschaft Verdi weiss, dass viele Akteur*innen der Innenstädte starke Umsatzeinbußen erleben oder ihre Unternehmen sogar aufgeben müssen. Wenn dieses Aussterben von Läden anhält, sieht Verdi laut eigener Aussage die Vielfalt der Stadtzentren bedroht. Darüber hinaus verändert die zunehmende Digitalisierung den Einzelhandel und auch die wachsende Bedeutung des Homeoffice prägt die Entwicklung der urbanen Zentren. In diesem Zusammenhang ist die Pandemie nicht der einzige Treiber. Sie verstärkt lediglich den Strukturwandel der letzten Jahrzehnte. Schon lange haben Digitalisierung, Reurbanisierung des Wohnens, verändertes Mobilitätsverhalten und Klimawandel Einfluss auf die Situation und die Entwicklung der Innenstädte. 

Verdi sieht Krise als Chance

Die aktuelle Krise der Innenstädte sieht Verdi als Chance. Sie sieht darin die Möglichkeit, das Konzept der Städte neu zu denken und nachhaltigere Entwicklungspfad zu erarbeiten. Dabei denkt Verdi vor allem in Richtung Gemeinwohl. Die Gewerkschaft plädiert für eine stärker am Gemeinwohl orientierte Ausrichtung der Zentren, in der Kultur und soziale Einrichtungen zu finden sind. Auch der öffentliche Raum soll als Ort der Begegnung und für Freizeitaktivitäten wieder eine Rolle spielen. Gleichermaßen sieht Verdi in Klimaschutz und Klimaanpassung eine Chance. Diese Handlungsfelder regen auch in den Innenstädten dazu an, die Aufenthaltsqualität und Nahversorgung zu verbessern.

Positionspapier des Bundesvorstands von Verdi

Es mutet ungewöhnlich an, dass sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi um die Zukunft der Innenstädte sorgt. Eigentlich gehört diese Aufgabe in die Hände von Bund und Ländern, von Kommunen und Gemeinden. Das sieht Verdi auch so. Die Gewerkschaft plädiert dafür, dass der Bund und die Länder die Städte und Gemeinden dabei unterstützen, die Innenstädte in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Das ist keine einfache Aufgabe. Die Gewerkschaft hat deshalb eine Positionspapier erarbeitet. Darin macht sie deutlich, dass ein Bündel aus tarifpolitischen, finanzpolitischen, verkehrspolitischen, wohnungspolitischen und kulturpolitischen Maßnahmen notwendig ist.

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Das wöchentliche Wirtschaftsmagazin auf 3sat. MAKRO hat sich ebenso der Frage gestellt: Wie sieht die Zukunft der Innenstädte aus?

Denn für eine nachhaltigere Stadt gilt es den aktuell herrschenden, unfairen Wettbewerb im Einzel- und Versandhandel zu beenden. Dazu können allgemeinverbindliche Tarifverträge beitragen sowie die Ersetzung von Minijobs durch reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Aber auch die Besteuerung großer Online-Händler vor Ort wäre wichtig. Darüber hinaus fordert Verdi von Sonntags- und Feiertagsöffnungen abzusehen. Die Gewerkschaft sieht in der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten unter der Woche einen Grund für die Verdrängung kleiner Geschäfte durch große Einzelhandelsketten.

Förderprogramm für Innenstädte

Verdi plädiert für ein Förderprogramm für die Innenstädte. Das sollte jährlich 500 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung stellen. Darüber hinaus regt Verdi an, einen Rettungsschirm des Bundes einzurichten, der die krisenbedingten Steuerausfälle der Kommunen ausgleicht. Aber auch die Tilgung alter Schulden sind von Belang. Diesbezüglich rät Verdi, ein Programm zur Altschuldentilgung einzurichten und damit strukturell benachteiligte Kommunen zu stützen. Aber auch in anderen Handlungsfelder sieht die Gewerkschaft Verdi Bedarf. Sie plädiert für eine höhere Beförderungskapazität beim ÖPNV. Der sollte außerdem deutlich günstiger und perspektivisch kostenfrei werden. Dieses Szenario erfordert unter anderem mehr gut bezahltes und qualifiziertes Personal.

Handlungsbedarf sieht Verdi auch in der Wohnungspolitik. Hier müssten die Städte den starken Anstieg der Mieten begrenzen und die Entwicklung und Erhaltung von bezahlbaren Wohnraum sichern. Verdi empfiehlt auch, Akteur*innen der Kultur- und Kreativwirtschaft zu unterstützen. Keine andere Branche hätte so umfassend und so lange unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gelitten. Nun sei es an der Zeit Förderprogramme für die Kultur- und Kreativbranche fortzusetzen und zu stärken. Denn vielfältige Kulturlandschaften sind für lebendige und zukunftsfähige Innenstädte von großer Bedeutung. 

Primat der Politik

Bei der Umgestaltung der Innenstädte kommt der Politik eine wichtige Rolle zu. Denn eine gemeinwohlorientierte Entwicklung der Innenstädte liegt in den Händen der Kommunen. Die sollten die unterschiedlichen Akteur*innen der Innenstädte an einen Tisch bringen und gemeinsam die am Gemeinwohl Entwicklung der urbanen Zentren voranbringen. In Zusammenarbeit mit Gewerbetreibenden, Immobilienbesitzer*innen, Vertreter*innen von Sozialverbänden, Gewerkschaften und Umweltverbänden  könnten Nutzungskonzepte wachsen. Darüber hinaus können die Kommunen über öffentliche Einrichtungen selbst Impulse für die Entwicklung ihrer Innenstädte setzen. Hierbei sind Theater, Museen, Hochschulen, Bibliotheken und Schulen wichtige Kooperationspartner*innen. Ähnliche Ideen greifen im Bereich von Leerständen, von bezahlbaren innenstadtnahen Wohnraum und dem öffentlichen Verkehr. Als notwendige Voraussetzung für diese Initiativen und Aktivitäten sieht Verdi die ausreichende finanzielle Ausstattung der Kommunen.

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