Selbst bei strömendem Regen waren die 50 Stühle, die auf den Rasen passten, besetzt. Und es kamen Menschen in den Kleingarten, die sonst nie einen Fuß hinein gesetzt hätten. Die meisten von ihnen änderten ihren Blick auf die wohl abwechslungsreichsten Grünflächen einer Stadt. Sie sahen Menschen beim Ackern und Ernten und in glückliche Gesichter. Aus dem Land der Biedermeier und Gartenzwerge wurde ein Ort der Kultur und Begegnung, Lebensraum für Mensch, Tier, Pflanze. Reine Vermutung ist, dass bei so manchen Besucher*innen hier der Wunsch nach einem eigenen Garten geweckt wurde.
Rund 250 Abende im Schrebergarten
Vom Tod gezeichnet blieb ihm im August 2021 ein großer Wunsch versagt. Er hatte es geschafft, von der großen Schriftstellerin Ulla Hahn eine Zusage zu bekommen. Aus ihrem „Epikurs Garten“ wollte sie vorlesen, doch Corona machte Wilm Weppelmann einen Strich durch die Rechnung. Eine Infizierung stellte für Hahns 93-jährigen Ehemann ein zu hohes Risiko dar. Als die letzte Vorstellung in seinem Kleingarten gegeben war, hatte der Krebs Wilm Weppelmanns Kräfte verzehrt. Es ging rapide bergab. Wie die ein oder andere der insgesamt rund 250 Abende in seinem Schrebergarten wird Wilm Weppelmann mit anderen Aktionen in Erinnerung bleiben.
Wilm Weppelmann und die Komposttoilette
Bleiben wir aber bei der Fokussierung auf das Wesentliche. Das Wesentliche – Wasser, Erde, Luft, ohne die kein Pflanzenwachstum und damit kein Mensch lebensfähig ist – war omnipräsent. So verlegte er im September 2014 seinen Wohnsitz 30 Tage lang auf eine selbstgezimmerte Insel im städtischen Aasee. Auf der rechteckigen Insel hatte er Gemüse angebaut, in der vier Quadratmeter großen Hütte aß er seine Vorräte, schlief, schrieb er, dort dachte er nach. Dort ging er auf die Komposttoilette. Vom Hüttendach rief er allmorgendlich mit einer Blechtüte bewaffnet Gedanken zum Performance-Thema „Was ich brauche“ ans Ufer. Für den Mann, dem der Austausch mit Menschen Lebenselixier war und der unter Platzangst litt, war dieser Monat bis zum Beginn seiner Erkrankung vermutlich der härteste seines Lebens.
Plakate als Teil seiner Kunst
Als bewurzelter Gefährte seines Tuns wählte er sich irgendwann den Rotkohl. Eine Palette junger Kohlpflänzchen ging mit auf Reisen nach London, wo er Richard Reynolds traf und das junge Gemüse in der trubeligen Stadt verschenkte, Gespräche entfachte, Menschen auf humorvolle Weise zum Denken brachte. Zum Umdenken? Das weiß niemand. Auf Verbandskongressen war er mit einem Stand präsent, mit dabei Rotkohlpflänzchen in Multitopfplatten. Für das Gartenakademieplakat 2017 ließ er sich aus Rotkohlblättern einen Umhang nähen. Er stellte sich derart bekleidet in einen Rotkohlacker im Münsterland. Großartig. Die Plakate waren Teil seiner Kunst. Noch bevor er das Akademie-Programm geschmiedet hatte, war das Plakatmotiv immer schon fertig. Höchst beeindruckend war auch die Idee von 2019, sich für das Thema „Nachbars Garten – Die Niederlande“ mit einer orangefarbigen Flüssigkeit begießen zu lassen – seine Lebensgefährtin setzte aus gesundheitlichen Gründen Möhrensaft durch, Möhrensaft aus der Gießkanne.